Nach der Flut

Resignation im Ahrtal: «Schwung ist bei vielen Leuten raus»

Resignation im Ahrtal: «Schwung ist bei vielen Leuten raus»

Resignation im Ahrtal: «Schwung ist bei vielen Leuten raus»

dpa
Altenburg/Insul/Rech
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Achim Gasper steht vor seinem völlig zerstörten Haus unweit der Ahr im Ortsteil Altenburg. Noch immer hat er laut eigenen Aussagen keine Leistung von der Versicherung erhalten, im Inneren des Hauses riecht es intensiv nach ausgetretenem Heizöl. Foto: Boris Roessler/dpa

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Die Tränen im Ahrtal versiegen. Erschöpfung, Verzweiflung und Ohnmachtsgefühle haben die Aufbaueuphorie der ersten Monate nach der Katastrophe verdrängt. Aber es gibt auch hier und da Zuversicht.

Endlich wieder zu Hause und doch allein. Gerd und Elfriede Gasper sind 16 Monate nach der tödlichen Flut im Ahrtal zurück in ihrem vollständig sanierten Haus in Altenburg. «Es ist alles anders», sagt die 75-Jährige in ihrem neu eingerichteten Heim.

Denn das Ehepaar hatte sein gesamtes Hab und Gut in den stinkenden Wassermassen verloren - mit einer Ausnahme: Ein Kruzifix, das sich ihr Sohn Thorsten 1985 vom Steinmetz des Dorfes zur Kommunion gewünscht hatte. Ein Spaziergänger fand es - völlig verschlammt - wenige Wochen nach der Katastrophe mit mindestens 134 Toten. «Er kam direkt auf mich zu und hat gefragt, ob ich weiß, wem das gehört», erzählt Elfriede Gasper und kämpft mit den Tränen.

«Abends ist es stockdunkel», sagt ihr Mann Gerd beim Blick aus dem Fenster. Denn nur wenige Menschen sind bisher in den von der Flut verwüsteten Ort zurückgekehrt. Noch immer werden Häuser abgerissen, neu gebaut und saniert.

Probleme mit der Versicherung

Wenn Achim Gasper nur wenige Meter weiter sein Haus aufschließt, schlägt ihm eine Welle von Heizölgestank entgegen. Mehr als 1500 Stunden habe er im Sommer 2021 zusammen mit Helfern in die Entkernung des Hauses gesteckt, berichtet der Neffe von Gerd und Elfriede Gasper. Danach ist nichts mehr passiert.

Der 39-Jährige, der vorübergehend in der Nähe von Münster lebt, steckt in einem Streit mit der Versicherung fest. Er habe schon mehr als 30.000 Euro für Gutachten und Anwaltskosten ausgegeben. Abbezahlen muss er sein 2016 gekauftes Haus weiterhin, auch seine Elementarschadenversicherung läuft weiter. Sechs Gutachter hätten sich das Haus inzwischen angesehen, fünf seien für Abriss, nur der seiner Versicherung nicht. Mit rund 170.000 Euro habe dieser den Wert auch nur auf etwa 21 Prozent dessen geschätzt, was die anderen Sachverständigen ermittelt hätten.

Die Differenz solle er sich doch von der Investitions- und Strukturbank (ISB) holen, habe man ihm geraten. Die ISB ist für Auszahlungen aus dem insgesamt für mehrere Bundesländer mit 30 Milliarden Euro ausgestatteten Fonds von Bund und Ländern an Private zuständig. Aber Gasper will nicht den Steuerzahler belasten, schließlich sei er versichert, und: «Ich habe mich seit 19 Jahren als Soldat für Rechtsstaatlichkeit in der Welt eingesetzt.»

«Es geht überhaupt nicht voran»

«Da guckt man in Abgründe rein, die hätte man vorher nicht für möglich gehalten», sagt sein Vater Bernd über das Verhalten der Versicherung. Der 70-Jährige weiß selbst auch noch nicht genau, wie es für ihn weitergeht. «Unseren Antrag bei der ISB haben wir am 10. November vor einem Jahr eingereicht - und jetzt gerade den vorläufigen Bewilligungsbescheid bekommen.» Damit habe zumindest das Warten ein Ende. Sein Elternhaus musste nach der Flut abgerissen werden, er lebt mit seiner Frau Brigitte in einem zugigen Ausweichquartier bei Bonn.

«Unbürokratische schnelle Hilfe haben sie uns versprochen», sagt der 70-Jährige bitter und zeigt auf die Stelle, wo er mit der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesprochen hat, im Beisein von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die inzwischen zurückgetretenen Landesminister Anne Spiegel (Grüne) und Roger Lewentz (SPD) hätten das auch im Ahrtal zugesagt. «Es geht überhaupt nicht voran, und immer wieder diese Rückschläge», sagt Bernd Gasper. «Das macht einen mürbe und krank.»

«Das hat hier ganz viele Leute viel älter gemacht als sie sind», sagt Winzer Alexander von Stodden aus dem Wein-Ort Rech. «Die Stimmung ist echt schlecht», stellt er fest. «Ich vermisse ein Konzept», sagt das in der Kommunalpolitik aktive CDU-Mitglied und kritisiert mit Blick auf die Landeshauptstadt, es werde so viel Energie darauf verwandt, «Leute zu Fall zu bringen, statt das Tal voranzubringen». Die 30 Milliarden Euro im Wiederaufbaufonds vergleicht er mit einem Ablassbrief - nach dem Motto: «Damit haben wir dann nichts mehr zu tun.»

«Man kann viel planen, aber es kommt meist anders»

Die bei der Sturzflut entstandenen Schäden in seinem Familienbetrieb von 1900 - dem renommierten Rotweingut Jean Stodden - beliefen sich auf rund zwei Millionen Euro. Mit dem für Landwirte und Winzer zuständigen Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) sei das Finanzielle aber auf einem guten Weg. «Wir sind zufrieden», sagt der dreifache Familienvater. Und die Zukunft? Es kämen noch nicht einmal halb so viele Gäste wie vor der Flut, aber er habe ja den Export.

«Der Schwung ist bei vielen Leuten raus», stellt auch Hotelier und Gastronom Wolfgang Ewerts aus Insul fest. Die Flutkatastrophe hat seinen Lebensplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Der Gastronom und seine Frau hatten sich eigentlich zurückziehen und den Betrieb an ihren Sohn übergeben wollen. Jetzt hat Ewerts saniert, ausgebaut, Schulden gemacht - und führt Hotel und Gaststätte zusammen mit seiner Frau und dem Sohn weiter. «Man kann viel planen, aber es kommt meist anders. Und hier ist es ganz anders gekommen», stellt er lakonisch fest.

Weihnachten nur in der Nebenrolle

«Das Geschäft läuft. Die Leute sind da», sagt Ewerts. Drastisch gestiegene Preise für Gänse in der Vorweihnachtszeit, fehlendes Servicepersonal und Lieferengpässe: «Es ist wieder der ganz normale Wahnsinn und alles besser als nach der Flut.» Mit den Zahlungen seiner Versicherung ist er bislang zufrieden, wie auch Gerd Gasper.

Der 81-Jährige findet es «einfach schön», wieder zu Hause zu sein. Zwar werde das Haus direkt gegenüber erst noch abgerissen. Aber es zögen auch nach und nach wieder mehr Menschen nach Altenburg zurück, darunter zwei seiner Neffen und eine Schwägerin. Weihnachten habe für ihn dieses Jahr nur eine Nebenrolle. «Es war so viel Hektik. Jetzt kommt man zur Ruhe und kann sich mal wieder um sich kümmern.»

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