Schleswig-Holstein

Warum der Fehmarnbelt-Tunnel am Mittwoch erneut vor Gericht kommt

Warum der Fehmarnbelt-Tunnel am Mittwoch erneut vor Gericht kommt

Warum der Fehmarnbelt-Tunnel erneut vor Gericht kommt

Henning Baethge
Flensburg/Leipzig
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Blick in die Zukunft: So soll 2029 die Tunneleinfahrt auf deutscher Seite aussehen. Foto: Femern AS

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Der Fehmarnbelt-Tunnel ist längst im Bau – dennoch befasst sich das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig diese Woche erneut mit dem Mammutprojekt. Hat das Land Schleswig-Holstein falsch gerechnet?

Der Graben auf dem Ostseegrund wird immer länger: Schon 70 Prozent der Rinne für den Fehmarnbelt-Tunnel hat der dänische Bauherr Femern AS zwischen den Inseln Fehmarn und Lolland ausheben lassen. Auch an den Eingangsportalen des Tunnels in Deutschland und Dänemark wird bereits kräftig gebuddelt – und doch beschäftigt das 18 Kilometer lange Bauwerk jetzt noch einmal das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: Falls nicht noch ein aktuell aufgetretener Corona-Fall eine Verschiebung erfordert, verhandelt das Gericht an diesem Mittwoch darüber, ob das Land Schleswig-Holstein für die beim Tunnelbau zerstörten Riffe genug neue Riffflächen an anderer Stelle in der Ostsee anlegen lässt.

Es geht um einen Ausgleich für zerstörte Riffe

Dass der gut sieben Milliarden Euro teure Tunnel gebaut wird, steht vor Gericht nicht mehr zur Debatte. Vor zwei Jahren haben die Leipziger Richter in einem aufsehenerregenden Prozess die Baugenehmigung des Landes Schleswig-Holstein für rechtmäßig erklärt. Doch weil beim Baggern auch geschützte und zunächst übersehene Riffe vor Fehmarn zerstört werden, hat das Gericht in seinem damaligen Urteil angeordnet, dass Schleswig-Holstein im Gegenzug eine Regelung über Ausgleichsmaßnahmen zum Aufbau neuer Riffe an anderer Stelle in der Ostsee treffen muss. Um diese Ausgleichsregelung des Landes geht es bei dem neuen Prozess am Mittwoch.

Geklagt haben der Naturschutzbund Nabu und das Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung. Nach Ansicht der beiden Umweltverbände hat das Land zu kleine Ausgleichsflächen festgelegt. So hat die Genehmigungsbehörde des Kieler Verkehrsministers Claus Ruhe Madsen die Dänen nur dazu verpflichtet, auf 17,5 Hektar neue Riffe am südlich vor Fehmarn liegenden Naturschutzgebiet „Sagasbank“ anzulegen – obwohl laut Baugenehmigung auf gleich 36 Hektar Riffe zerstört oder belastet werden, also auf der doppelten Fläche.

Naturschützer fordern mehr Kompensationsflächen

Mehr noch: Bei Tauchgängen hat das Aktionsbündnis festgestellt, dass mehrere Riffe nahe der Tunneltrasse durch die beim Baggern aufgewühlten Bodenteilchen stärker als erwartet belastet worden sind – dass also sogar auf mehr als 36 Hektar Riffe beschädigt wurden. Nabu-Mann Detloff kommt letztlich auf insgesamt 63 Hektar, für die er einen Ausgleich fordert. „Naturschutzrechtlich sind wir überzeugt, dass es eine 1:1-Kompensation zerstörter geschützter Habitate geben muss“, sagt Detloff. Und er sehe „sehr gute Erfolgsaussichten“, dass das Gericht sich dem anschließt und „das Land verpflichtet, das Kompensationskonzept zu verbessern“.

Das Aktionsbündnis verlangt zudem, dass ein Ausgleich nicht nur für zerstörte Riffe im schleswig-holsteinischen Küstenmeer fällig wird, sondern auch für Riffe in der dahinter liegenden sogenannten „ausschließlichen Wirtschaftszone“ der Ostsee, kurz AWZ. „Die Frage übersehener Riffe muss auch in der AWZ gestellt werden“, sagt der Anwalt des Aktionsbündnisses, Wilhelm Mecklenburg.

Land hält die Ausgleichsmaßnahmen für großzügig

Das Land und Femern AS dagegen halten schon die 17,5 Hektar vorgesehener Ausgleichsfläche für großzügig bemessen. So rechnet das Land vor, dass die neuen Riffflächen viermal so wertvoll sind wie die alten, weil sie nicht mehr wie bisher an einer vielbefahrenen Schifffahrtsroute liegen, sondern im „deutlich geschützteren Bereich“ der Sagasbank. Daher seien die 17,5 Hektar tatsächlich mit 70 Hektar anzurechnen – und die Ausgleichsmaßnahme damit fast doppelt so groß wie eigentlich nötig. Und Femern AS hat erklärt, dass auch für die vom Aktionsbündnis neu untersuchten Riffe keine zusätzliche Kompensation nötig sei, weil die Riffe nicht zerstört würden, „sondern lediglich temporär beeinträchtigt“.

Verkehrsminister Madsen zeigt sich zuversichtlich

Minister Madsen zeigt sich daher zuversichtlich, dass die Ausgleichsreglung seiner Genehmigungsbehörde vor Gericht Bestand haben wird. „Ich bin überzeugt, dass das zuständige Amt für Planfeststellung alle Aspekte sorgfältig abgewogen hat und der Klage der Verbände nicht stattgegeben wird“, erklärt der parteilose Minister.

Kürzere Fahrzeiten zwischen Hamburg und Kopenhagen

Auch bei Femern AS ist man optimistisch: „Wir sehen keinen Grund, an den Kompensationsberechnungen zu zweifeln“, sagt Firmensprecherin Denise Juchem. Sie geht davon aus, dass der Belttunnel wie geplant im Jahr 2029 eröffnet werden kann. Dann soll die Fahrzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen von bisher viereinhalb Stunden deutlich sinken – auf rund dreieinhalb Stunden mit dem Auto und auf sogar nur noch zweieinhalb Stunden mit der Bahn.

Aktionsbündnis mit Verfassungsbeschwerde gescheitert

Gescheitert ist bereits eine Verfassungsbeschwerde des Aktionsbündnisses gegen das Tunnelurteil aus Leipzig von vor zwei Jahren. Das Bündnis hielt es für einen Verstoß gegen Europa- und Verfassungsrecht, dass die Bundesverwaltungsrichter zwar einen zusätzlichen Ausgleich für die zerstörten Riffe verlangten, aber die Baugenehmigung für den Belttunnel trotzdem bestätigten. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe teilen die Kritik des Aktionsbündnisses allerdings nicht. „Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen“, berichtet Rechtsanwalt Mecklenburg jetzt. Ganz überraschend ist der Beschluss nicht: Nur ein bis zwei Prozent aller Verfassungsbeschwerden haben Erfolg.

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