Ostukrainische Stadt

Militärverwaltung: 1500 Tote in Sjewjerodonezk

Militärverwaltung: 1500 Tote in Sjewjerodonezk

Militärverwaltung: 1500 Tote in Sjewjerodonezk

dpa
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Schutz im Keller: Die ostukrainische Stadt Sjewjerodonezk ist besonders umkämpft. Foto: Leo Correa/AP/dpa

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Die Lage im Osten der Ukraine spitzt sich weiter zu. Eine Einkesselung der ukrainischen Truppen in der Großstadt Sjewjerodonezk wird befürchtet. Ein Ex-General sieht dennoch Hoffnung.

Sjewjerodonezk (dpa) In der besonders schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk sind offiziellen Angaben zufolge seit Kriegsbeginn rund 1500 Menschen getötet worden.

Darunter seien sowohl Soldaten als auch Zivilisten, sagte der Chef der lokalen Militärverwaltung, Olexandr Strjuk, am Freitag. Viele Menschen seien zudem geflüchtet. Von den einst 130.000 Einwohnern sei mittlerweile nur noch rund ein Zehntel da. Der Gouverneur des Luhansker Gebiets, Serhij Hajdaj, berichtete zudem von vier Toten durch russischen Beschuss auf Sjewjerodonezker Wohnviertel am Vortag.

Mehr als drei Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs zählt die Großstadt Sjewjerodonezk zu den letzten Teilen von Luhansk, die noch von der ukrainischen Armee kontrolliert werden. Unweit der Stadtgrenze wird aber bereits heftig gekämpft. Beobachter befürchten, dass ukrainische Brigaden in Sjewjerodonezk von russischen und prorussischen Militärs eingekesselt werden könnten.

Auch in der mittlerweile von russischen Truppen eingenommenen ukrainischen Hafenstadt Mariupol wurden Angaben eines Lokalpolitikers zufolge Dutzende weitere Leichen von Bewohnern gefunden. Rettungskräfte hätten insgesamt rund 70 leblose Körper auf einem ehemaligen Fabrikgelände entdeckt, schrieb der Mariupoler Stadtratsabgeordnete Petro Andrjuschtschenko am Freitag im Nachrichtendienst Telegram. Die Menschen seien unter den Trümmern begraben worden, als russische Besatzer das Gebäude beschossen, schrieb er. Überprüfen ließen sich diese Angaben zunächst nicht.

Ukraine im Osten unter Druck

Die ukrainische Armee steht im äußersten Osten ihrer Front stark unter Druck. Sjewjerodonezk wurde am Donnerstag mit Artillerie und aus der Luft beschossen, wie Gouverneur Serhij Hajdaj mitteilte. Der ukrainische Generalstab teilte mit, der Angriff auf die Stadt und ihren Vorort Boriwske sei aber nicht erfolgreich. Die Militärangaben waren nicht unabhängig überprüfbar. In einem anderen Dorf in der Nähe, in Ustyniwka, habe die russische Seite einen Teilerfolg errungen, hieß es.

Die Großstädte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk sind derzeit die äußersten ukrainischen Vorposten im Osten. Kämpfe gibt es aber auch schon im Rückraum dieser Städte, damit drohen ukrainische Truppen abgeriegelt zu werden. Auf der Nordseite dieses möglichen Kessels sei die Stadt Lyman verloren worden, bestätigte Präsidentenberater Olexyj Arestowytsch im ukrainischen Fernsehen. Auf der Südseite gab es Kämpfe um die Orte Komyschuwacha, Nirkowe und Berestowe.

Selenskyj: Russland verfolgt «Politik des Völkermords»

«Die laufende Offensive der Besatzer im Donbass könnte die Region menschenleer machen», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache in Kiew. Die Städte würden zerstört, die Menschen getötet oder verschleppt. Dies sei «eine offensichtliche Politik des Völkermords».

Ex-General: «Zeit spielt für Ukraine, wenn sie durchhält»

Der frühere Bundeswehr- und Nato-General Hans-Lothar Domröse geht davon aus, dass die Ukraine dem russischen Vormarsch im Donbass in den kommenden Wochen nicht vollständig standhalten kann.

«Jetzt kommt der große Schwung der Weltmacht Russland zum Tragen. (...) Sie sind reichweiten- und zahlenmäßig überlegen», sagte Domröse am Freitag dem Nachrichtenradio MDR Aktuell. Die ukrainischen Kräfte könnten den Vormarsch maximal hier und da verzögern.

Ab Herbst könnten die Ukrainer aber wieder mehr Widerstand leisten, so Domröse. In etwa einem halben Jahr werde das Land viel mehr westliche Waffensysteme haben und die Soldaten viel besser an diesen ausgebildet sein. «Bis dahin werden sie aber noch schwere Schläge hinnehmen müssen», sagte Domröse. Die Zeit spiele etwas für die Ukraine, «wenn sie durchhält».

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