Ex-Regierungschef

Italien verabschiedet Silvio Berlusconi

Italien verabschiedet Silvio Berlusconi

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dpa
Mailand
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Anhänger und Weggefährten rühmen Silvio Berlusconi rühmen den Mailänder als einen der wichtigsten Männer Italiens der vergangenen Jahrzehnte. Foto: Luca Bruno/AP/dpa

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Silvio Berlusconi hat Italien geprägt wie kein anderer - und auch gespalten. Rund um die Trauerfeier in Mailand aber wird der Verstorbene gerühmt. An den umfangreichen Trauermaßnahmen regt sich aber auch Kritik.

Schon Stunden vor Beginn der Trauerfeier für Silvio Berlusconi haben sich Anhänger am Mailänder Dom eingefunden. Hinter den Absperrungen stehen Männer, Frauen, Jugendliche und Rentner mit Berlusconi-Fahnen und stimmen «Silvio! Silvio!»-Sprechchöre an. Die Leute harren in der heißen Mailänder Frühlingssonne aus, um sich zu verabschieden. Sie singen immer wieder: «C'è solo un presidente» (Es gibt nur einen Präsidenten) und hüpfen - die Szenen erinnern eher an Fans im Fußballstadion als an Trauergäste bei einer Beerdigung.

Um kurz vor 15.00 Uhr wird der Sarg des einstigen Regierungschefs am Mittwoch vor das Tor der prächtigen Kathedrale gefahren. Sechs Träger bringen ihn in den Dom, flankiert von Carabinieri in Uniform. Dem Leichnam folgen die Angehörigen, draußen auf der Piazza wird frenetisch geklatscht. Manche haben Tränen in den Augen.

Bei Berlusconi war immer alles extrem: Die Triumphe und Abstürze, die Verehrungen und Peinlichkeiten. Nur folgerichtig sorgte der einstige Politik-Veteran nach seinem Tod mit 86 Jahren in Italien noch mal für einmalige Szenen - und wie könnte es anders sein, auch für Kritik.

Vor dem Staatsbegräbnis hat die Regierung für drei Tage ihre Arbeit weitgehend niedergelegt. Im Parlament wurden Sitzungen und Abstimmung gar für rund eine Woche abgesagt. «Was für eine Übertreibung, völlig deplatziert», sagte dazu die frühere Ministerin und EU-Kommissarin Emma Bonino in der Zeitung «La Repubblica».

Kritiker erinnerten daran, dass selbst nach den brutalen Bombenattentaten der Mafia 1992 gegen die Juristen Giovanni Falcone und Paolo Borsellino oder dem Mord an Ex-Ministerpräsident Aldo Moro durch Terroristen 1978 die Parlamente einberufen worden waren. Von einer «Trauer, die spaltet», titelte die Zeitung «La Stampa».

Dass die Regierung einen nationalen Trauertag samt Halbmastbeflaggung an öffentlichen Gebäuden ausrief, ist ein Novum nach dem Tod eines früheren Ministerpräsidenten. Üblicherweise geschieht dies nach schweren Katastrophen mit vielen Opfern - etwa verheerenden Erdbeben oder zuletzt der schlimmen Flut in der Emilia-Romagna. «Wir werden uns an keiner Heiligsprechung beteiligen», stellte Chiara Gribaudo, die stellvertretende Parteichefin der Sozialdemokraten, klar.

Anhänger, Weggefährten und Koalitionspartner von Berlusconi sehen das ganz anders, sie rühmten den Mailänder als einen der wichtigsten Männer des Landes der vergangenen Jahrzehnte. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni schrieb in einem Gastbeitrag für den «Corriere della Sera», viele hätten versucht, Berlusconi «mit unlauteren Mitteln» zu besiegen. «Am Ende aber haben seine Gegner verloren», meinte sie.

Die ultrarechte Ministerpräsidentin kündigte sich ebenso wie fast das ganze Kabinett und Staatspräsident Sergio Mattarella zur Trauerfeier an. Auf der Gästeliste der rund 2000 Leute im Dom sind auch Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, Emir Tamim bin Hamad Al Thani aus Katar und der irakische Präsident Abdul Latif Raschid. Die meisten EU-Staaten werden von Botschaftern vertreten. Auf dem Platz übertragen vier Großbildschirme den Gottesdienst.

Berlusconi stand von 1994 bis 2011 mit Unterbrechungen insgesamt vier Regierungen vor, kein anderer war in der italienischen Nachkriegszeit länger Ministerpräsident. Er war Immobilienmogul, Medientycoon und führte den AC Mailand an die europäische Fußball-Spitze. Unzählige Justizermittlungen - darunter wegen Steuerhinterziehung, Betrug, Verbindungen zur Mafia und Begünstigung von Prostitution Minderjähriger - überstand der Selfmade-Milliardär unbeschadet.

«Berlusconi symbolisierte den italienischen Erfolg», sagt Daniele Valarani, der mit einer Flagge der Partei Forza Italia schon am Vormittag auf dem Domplatz wartete. Gaia Vettorato ist aus Monza angereist, dort spielte sie beim Fußballclub AC Monza, dessen Präsident Berlusconi bis zu seinem Tod am Montag war. «Ich hatte die Ehre, ihn kennenzulernen», schildert die junge Frau. «Ich habe es als Pflicht gesehen, hierherzukommen. Er war ein großer Pfeiler des Landes.» Sie hält zusammen mit Freunden ein großes, weißes Laken in die Kameras, auf dem ein Zitat Berlusconis geschrieben ist: «L'Italia è il paese che amo» - Italien ist das Land, das ich liebe.

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