Weltklimagipfel

Boris Johnson: COP26 muss Bombe des Klimawandels entschärfen

Boris Johnson: COP26 muss Bombe des Klimawandels entschärfen

Boris Johnson: COP26 muss Bombe des Klimawandels entschärfen

dpa
Glasgow
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Delegierte nehmen an der verfahrensmäßigen Eröffnung des UN-Klimagipfels COP26 teil. Das Treffen im schottischen Glasgow geht mit Ansprachen Dutzender Staats- und Regierungschefs in seinen zweiten Tag. Foto: Alberto Pezzali/AP POOL/dpa

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Das erhoffte starke Signal von der G20-Konferenz blieb aus. Kann sich der Klimagipfel in Glasgow davon freimachen? Der britische Premier Johnson erhofft sich den Anfang vom Ende der Klimakrise.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat als Gastgeber des Klimagipfels COP26 die Weltgemeinschaft auf schnelles und ehrgeiziges Handeln gegen die drohende Klimakatastrophe eingeschworen.

Das Treffen müsse «diese Bombe» entschärfen und «der Anfang vom Ende» des zerstörerischen Klimawandels werden, sagte Johnson zu Beginn der feierlichen Eröffnungszeremonie am Montag in Glasgow. «COP26 kann und darf nicht das Ende der Geschichte sein.» Man habe mit dem Pariser Klimaabkommen ein Rettungsboot geschaffen, dem man nun einen Schubs in die Richtung einer grüneren, saubereren Zukunft geben müsse.

«Es ist eine Minute vor Mitternacht auf der Uhr des Weltuntergangs», sagte Johnson. «Wir fühlen uns vielleicht nicht wie James Bond und sehen vielleicht auch nicht so aus.» Aber mit Blick auf den Film-Geheimagenten und die Gefahr der Erderhitzung sagte er: «Lasst uns diese Bombe entschärfen.» Man habe nun die einmalige Chance, das Ruder herumzureißen und dafür zu sorgen, dass kommende Generationen die heutigen Mächtigen nicht verurteilen würden, sagte der Premier zu seinen Amtskolleginnen und -kollegen.

«Moment der Wahrheit»

Zuvor sprach EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen von einem «Moment der Wahrheit». Das globale Rennen für Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts sei eröffnet, schrieb die deutsche Politikerin am Montag auf Twitter. Europa habe sich dazu verpflichtet, als erster Kontinent in der Welt klimaneutral zu sein und sich für einen ehrgeizigeren Klimaschutz mit seinen Partnern zusammenzutun. «COP26 ist ein Moment der Wahrheit für unsere Pläne, den Klimawandel zu stoppen», schrieb von der Leyen.

Die von den Staaten weltweit versprochenen Anstrengungen beim Klimaschutz reichen nach Worten von UN-Generalsekretär Antonio Guterres hinten und vorne nicht aus, um eine Katastrophe abzuwenden. Er rief die Regierungsvertreter auf der Weltklimakonferenz auf, mehr zu tun. «Wir graben unser eigenes Grab», warnte Guterres bei der feierlichen Auftaktveranstaltung mit Dutzenden Staats- und Regierungschefs. Regierungen müssten Subventionen für fossile Brennstoffe beenden, aus der Kohle aussteigen und einen Preis für sämtliche Emissionen festlegen, verlangte er.

«Es ist an der Zeit, zu sagen: Genug», sagte Guterres. «Genug brutale Angriffe auf die Artenvielfalt. Genug Selbstzerstörung durch Kohlenstoff. Genug davon, dass die Natur wie eine Toilette behandelt wird. Genug Brände, Bohrungen und Bergbau in immer tiefere Lagen.»

Drei Minuten Redezeit pro Staatschef

Angekündigt für je dreiminütige Beiträge wurden in Glasgow neben dem britischen Thronfolger Prinz Charles auch die Präsidenten der USA und Frankreichs, Joe Biden und Emmanuel Macron. Weiter auf der Rednerliste stehen die Präsidenten der Türkei, Spaniens, Ägyptens, Indonesiens sowie die Spitzen der EU. Dazu kommen ferner die Regierungschefs von Kanada, Italien, Australien, Indien und Pakistan sowie etliche weitere Spitzenpolitiker aus aller Welt.

Auf Einladung der Vereinten Nationen beraten in Glasgow Regierungsvertreter aus rund 200 Staaten zwei Wochen lang, wie die Menschheit die beschleunigte Erderhitzung noch auf ein erträgliches Maß eindämmen kann.

Ein Dämpfer kam aber am Sonntag vom G20-Gipfel aus Rom: Die großen Wirtschaftsmächte scheiterten daran, ein starkes Signal für mehr Klimaschutz nach Glasgow zu senden. UN-Generalsekretär Guterres äußerte sich deshalb enttäuscht: «Ich verlasse Rom mit unerfüllten Hoffnungen - aber wenigstens sind sie nicht beerdigt», schrieb er auf Twitter. Nun gehe es in Glasgow darum, das «1,5-Grad-Ziel am Leben zu halten».

G20 in der Kritik

Umweltverbände hatten zuletzt ebenfalls kritisiert, dass viele Staaten, und vor allem die G20, seit der letzten UN-Konferenz 2019 ihre Pläne zum Klimaschutz nicht ausreichend verschärft und den notwendigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas verschleppt haben.

Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Niveau schon jetzt um etwa 1,1 Grad erwärmt; in Deutschland sind es bereits 1,6 Grad. In Paris hatte sich die Staatengemeinschaft vor sechs Jahren darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf maximal zwei Grad, besser 1,5 Grad, zu begrenzen. Bislang reichen die eingereichten Pläne der Staaten dazu aber bei weitem nicht aus.

Klimafinanzierung an Bedingungen geknüpft

Weitere wichtige Themen in Glasgow sind der Handel zwischen Staaten mit Fortschritten im Klimaschutz sowie die Finanzierung von Schäden und Verlusten durch die Erderwärmung vor allem in ärmeren Ländern. Der britische Gastgeber Johnson kündigte zum Start der COP weitere Ausgaben für die Klimafinanzierung an, machte diese allerdings abhängig davon, dass die Wirtschaft seines Landes wächst wie erwartet. Er rief seine Kollegen auf, ambitionierter zu werden. «Wenn wir jetzt nicht ernsthaft gegen den Klimawandel kämpfen, wird es für unsere Kinder zu spät sein, das morgen zu tun», sagte er.

Die geschäftsführende Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte der «Rheinischen Post» (Montag), Deutschland komme mit einem starken Klimaziel nach Glasgow. «Wir werden 2045 klimaneutral, das sind fünf Jahre früher als die EU.» Die deutsche Delegation sei daher in der Lage, Brücken zu bauen zwischen einzelnen Lagern.

Treibhausgase «Investition in eigene Auslöschung»

Zum Start der Konferenz am Sonntag hatte UN-Klimachefin Patricia Espinosa gewarnt, ein Weiter-so beim Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase komme einer «Investition in unsere eigene Auslöschung» gleich. Und der britische Präsident der COP26, Alok Sharma, sagte, das Fenster, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, schließe sich. Glasgow müsse halten, was Paris versprochen hat. «Diese internationale Konferenz muss liefern.»

Unter den rund 25.000 Menschen, die in Glasgow erwartet werden, sind auch zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die auf den Straßen für eine ehrgeizigere Klimapolitik protestieren wollen - darunter die weltweit prominenteste Aktivistin, die 18-jährige Schwedin Greta Thunberg.

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