Partei-Neugründung

Lars Løkke Rasmussen hat womöglich den richtigen Zeitpunkt verpasst

Lars Løkke Rasmussen hat womöglich den richtigen Zeitpunkt verpasst

Løkke hat womöglich den richtigen Zeitpunkt verpasst

Ritzau/nb
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
Lars Løkke Rasmussens kommende Partei, die Moderaten, ist noch nicht offiziell gegründet worden. Das soll auf einer konstituierenden Generalversammlung am 5. Juni in Vejle geschehen. (Archivfoto) Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Lars Løkke Rasmussens kommende Partei, Die Moderaten, will mit der bisherigen Blockpolitik brechen. Doch das Folketing arbeitet bereits auf breiter Basis zusammen, weshalb der ehemalige Staatsminister nach Auffassung mehrerer Beobachter bereits zu lange gezögert hat, um seiner Partei zur notwendigen Popularität zu verhelfen.

Mit einem maximalen Abstand von eineinhalb Jahren bis zur nächsten Folketingswahl hat Lars Løkke Rasmussen am vergangenen Wochenende Teile der Politik, mit der sich seine kommende Partei zur Wahl aufstellen will, vorgestellt.

Für manchen Beobachter geschah dies auffallend spät.

Denn es ist mehr als ein Jahr her, dass der ehemalige Regierungschef am Neujahrstag auf Facebook verkündete, dass er „sich selbst befreit“ habe und nach 40 Jahren Mitgliedschaft aus der Partei Venstre ausgetreten sei.

Präsentation am Grundgesetztag

Noch ein wenig länger ist es her, dass er in seinem Buch „Über die Meisten und das Häufigste“ („Om de fleste og det meste“) angedeutet hatte, dass er sich vorstellen könne, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine neue Partei zu gründen.

Aus dieser Prophezeiung wurde am Grundgesetztag im vergangenen Jahr Wirklichkeit, als er die Moderaten präsentierte.

Auf die lange Bank geschoben

Doch nach Ansicht zweier politischer Kommentatoren hat Lars Løkke Rasmussen den richtigen Moment verpasst, indem er die Angelegenheit auf die lange Bank geschoben hat.

Er hat ganz einfach zu lange gewartet. Die politische Debatte heutzutage dreht sich um etwas ganz anderes.

Hans Engell, politischer Kommentator

„Er hat ganz einfach zu lange gewartet. Die politische Debatte heutzutage dreht sich um etwas ganz anderes. Dabei geht es um den Nerz-Fall, um Corona, den Spionageskandal und den Arbeitskräftemangel“, sagt der politische Beobachter Hans Engell.

Løkke kündigte seinerzeit für viele überraschend Kurswechsel an

Die Moderaten entspringen den Gedanken, in die Lars Løkke Rasmussen die Wählerinnen und Wähler ganz überraschend mitten im vergangenen Wahlkampf einweihte.

Das Buch „Augenblick der Befreiung“ erschien nur etwa eine Woche vor dem Wahltag. Hier versuchte Løkke, mit der Blockpolitik abzurechnen und verkündete, dass Venstre auf eine Zusammenarbeit über die Mitte hinwegsetzen solle, anstatt sich auf den blauen Block zu konzentrieren.

Kein besonderer Bedarf mehr

Erik Holstein, politischer Kommentator bei „Altinget“, fällt es schwer, heute noch den besonderen Bedarf für Løkkes Partei zu erkennen.
Die Parteien im Folketing arbeiten bereits auf breiter Basis zusammen. Das gilt beispielsweise für Vereinbarungen zu mehr Nachhaltigkeit. Ein anderes Beispiel ist die Polizeivereinbarung, die sowohl von der Neuen Bürgerlichen als auch der Einheitsliste mitgetragen wurde, zwei Parteien am jeweiligen Ende der politischen Skala.

Es gibt eine wesentlich breitere Zusammenarbeit, als das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Erik Holstein, politischer Kommentator bei „Altinget“

„Es gibt eine wesentlich breitere Zusammenarbeit, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Und eine wesentlich breitere Zusammenarbeit als zu der Zeit, als Løkke selbst Staatsminister war“, sagt Erik Holstein.

 

„Es ist nicht das Folketing, das komplett in zwei Blöcke gespalten ist. Dem war ein klein wenig so während des Wahlkampfes, als Rasmus Paludan (seinerzeit Leiter von „Stram Kurs“, Red.) einige ganz extreme Standpunkte vertrat. Aber er ist von der Bühne verschwunden“, so Holstein weiter.

Neun konkrete politische Initiativen

Momentan gehen aus der Internetseite der Moderaten neun konkrete politische Initiativen hervor. Hierunter ein Vorschlag für Reformen des Gesundheits-, SU- (Bafög) und Steuersystems; abgespeckte Sozialleistungen für Personen, die als nicht wieder integrierbar in den Arbeitsmarkt gelten sowie eine Bürgerpflicht, die darauf abzielt, dass alle jungen Menschen ein halbes Jahr für die Gemeinschaft arbeiten sollen.

Die politischen Zielmarken, wie Løkke sie selbst bezeichnet, entspringen mehr als 200 Stunden digitaler Debatten im Rahmen des sogenannten „Politischen Treffpunktes“ (Det Politiske Mødested). Gut 15.000 Personen haben sich ihm angeschlossen, um Reformen für Dänemark zu diskutieren.

Einzug der Moderaten ins Folketing dennoch wahrscheinlich

Doch selbst wenn Engell und Holstein der Auffassung sind, dass Løkke den richtigen Moment verpasst hat, glauben beide daran, dass die Moderaten nach der nächsten Wahl ins Folketing einziehen werden.

Dies jedoch nicht aufgrund der skizzierten Politik, sondern vielmehr wegen Løkke als Person.

Die Parteigründung ist für den Grundgesetztag am 5. Juni im DGI-Haus in Vejle geplant.

Mehr lesen

Diese Woche In Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Das Meer verwischt (nicht) alle Spuren – oder warum Umweltminister Heunicke endlich in die Puschen kommen sollte“