Arbeiten ja, bleiben nein

Dänemark schafft die Integration ab

Dänemark schafft die Integration ab

Dänemark schafft die Integration ab

Kopenhagen
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Regierungs Lars Løkke Rasmussen (Venstre) und DF-Vorsitzender Kristian Thulesen Dahl sind in Sachen Asylpolitik auf einer Wellenlänge. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau-Scanpix

Regierungschef Lars Løkke Rasmussen will den „Gordischen Knoten“ der Asylpolitik durchtrennen: Egal, wie eng ihre Anbindung an Land und Leute in den Jahren ihres Aufenthaltes in Dänemark ist, Flüchtlinge sollen künftig kein Bleiberecht mehr in Dänemark haben.

Dieser Tage beginnen die Haushaltsverhandlungen auf Christians-borg. Hunderte Milliarden Kronen werden verteilt. Um ihre Vorhaben umsetzen zu können, ist die rechtsliberal-konservative Minderheitsregierung auf zusätzliche Stimmen angewiesen.

Die liefert schon traditionell die nationalkonservative Dänische Volkspartei (DF) – und verlangt im Gegenzug, dass ihre eigenen Pläne so weit wie möglich umgesetzt werden.

Dem DF-Vorsitzenden Kristian Thulesen Dahl und seinen Mitstreitern geht es dabei, neben sicherheits- und seniorenpolitischen Fragen, vor allem um Verschärfungen in der Ausländerpolitik. So auch in diesem Jahr. 

Neu ist allerdings, dass Dänemarks Regierungschef, Staatsminister Lars Løkke Rasmussen (Venstre), das Zepter auf diesem Feld schon vor Beginn der Verhandlungen in die eigene Hand genommen hat.

Bei der Eröffnungsdebatte des Folketings am Donnerstag umriss er einen radikalen Wandel in der dänischen Asylpolitik. Nach Jahren der Verschärfungen im bestehenden System sollen nun ganz neue Grundzüge ausgehandelt werden. Damit kommt Løkke dem „Paradigmenwechsel“, den DF immer gefordert hatte, nach, geht bei den letzten Haushaltsverhandlungen vor den nächsten Wahlen mit offenen Armen auf die Nationalisten zu. 

Løkke und Thulesen auf Tuchfühlung

Schon während der Eröffnungsdebatte zeigte dieses Manöver Wirkung.  Thulesen Dahl zeigte sich bereit, es zu akzeptieren, dass die wenigen Flüchtlinge, die in Zukunft überhaupt noch aufgenommen werden sollen, arbeiten und sich fortbilden – weil nach den Løkke-Plänen ja sichergestellt wäre, dass sie, sobald möglich, Dänemark wieder verlassen. Egal, wie eng ihre Anbindung an Land und Leute in den Jahren ihres Aufenthaltes in Dänemark ist. 

„Unser Bestreben ist es nicht, dass man nichts machen darf, während man hier ist, darum geht es nicht“, so Thulesen Dahl. Es gehe, ganz wie Løkke es vom Rednerpult aus verkündete, darum, den Grundsatz der Anbindung aus der Gleichung zu nehmen.

Noch bei den letzten Haushaltsverhandlungen 2017 hatte DF gefordert, dass Flüchtlinge in der Regel weder arbeiten dürfen noch eine Ausbildung durchlaufen können sollten.

Der Augenöffner, der Auslöser für seinen Politikwandel sei gewesen, so stellte es Løkke im Folketing dar, dass in den Jahren 1997 bis 2017 105.000 Flüchtlinge und sogenannte Familienzusammengeführte, also die nächsten Angehörigen von Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus, nach Dänemark gekommen seien. Von ihnen seien 95.000 noch im Lande. 

Flüchtlinge sollen sich selbst finanzieren

„Auch wenn das logisch klingt, ist die Lage so, dass neun von zehn Flüchtlingen am Ende dauerhaft hierbleiben. Und das taugt auf lange Sicht nicht, und das aus vielerlei Gründen“, so Løkke. 

Wer als Kriegsflüchtling nach Dänemark komme, müsse unter der Prämisse aufgenommen werden, dass der Aufenthalt vorübergehend ist und man wieder heimkehren muss. Um die Heimat wieder aufzubauen. 
„Und zweitens ist es meine Ansicht, die ich ebenso stark empfinde, dass man, wenn man hier ist, man sich selbst versorgen sollte, wenn man kann, denn das tun die dänischen Steuerzahler auch“, so der Regierungschef. 

Løkke nannte drei Säulen, auf die die neue dänische Asylpolitik aufgebaut sein soll: Erstens sollen abgewiesene Asylbewerber schneller abgeschoben und Flüchtlinge, deren Heimatländer als sicher eingestuft werden, konsequenter rückgeführt werden. Zweitens soll ein „juristischer Weg“ gefunden werden, dass es keine Auswirkungen auf die Anbindung an Dänemark hat, wenn man in Dänemark arbeitet. Und drittens soll man sein eigenes Geld verdienen, wenn man in Dänemark ist.

Internationale Konventionen stehen im Weg

Diese Punkte umzusetzen dürfte allerdings schwierig werden, wenn man sich zugleich an internationale Konventionen, die Dänemark ratifiziert hat, halten will. Das räumte Løkke ein. Erneut eine Debatte darüber, die Europäische Menschenrechtskonvention  zu ändern, will Løkke nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres aber nicht anstoßen. Das sagte er auf Nachfrage   Thulesen Dahls am Donnerstagabend. 

Dänemark war als Vorsitz-Land im Europarat als Tiger gestartet und wollte die Europäische Menschenrechtskonvention neu verhandeln und den Bedürfnissen jener Länder anpassen, die möglichst wenig Zuwanderung wollen. Doch Løkke landete, von den heimischen Medien weitgehend unbeachtet, als Bettvorleger.  

Von seinem Vorstoß blieb am Ende der Verhandlungen nicht viel übrig. Dieses heiße Eisen will Løkke also nicht erneut anpacken. Stattdessen kündigte er an, weiter daran arbeiten zu wollen, dass die einzelnen Staaten die Charta möglichst frei interpretieren können. 

Das könnte den Weg für eine Asylpolitik ohne Integration öffnen. Wer in Dänemark Zuflucht sucht, soll seinen Aufenthalt selbst finanzieren und schnellstmöglich wieder gehen.

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