Kriminalität

Bandidos-Verbot angestrebt: Darum ist es in Dänemark so schwer, Vereine aufzulösen

Darum ist es in Dänemark so schwer, Vereine aufzulösen

Darum ist es in Dänemark so schwer, Vereine aufzulösen

Kopenhagen
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Justizminister Peter Hummelgaard möchte Bandidos verbieten. Die Anforderungen für die Beweise für so ein Verfahren sind hoch. Foto: Bjarke Bo Olsen/Ritzau Scanpix

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Seit dem Zweiten Weltkrieg ist in Dänemark nur eine einzige Vereinigung verboten worden. In Deutschland sind es in den vergangenen 60 Jahren 55 gewesen. Walter Turnowsky erklärt, warum dies in Dänemark so selten geschieht.

Der Rockerklub Bandidos MC soll in Dänemark verboten werden, meint Justizminister Peter Hummelgaard (Soz.).

Doch obwohl die Polizei umfassendes Material gesammelt hat und die Anklagebehörde ein Verbot empfiehlt, ist dies damit noch lange nicht beschlossene Sache. Die oberste Anklagebehörde, der Reichsanwalt (Rigsadvokaten), wird jedoch zeitnah ein vorläufiges Verbot auf der Verwaltungsebene aussprechen.

Bislang ist seit dem Zweiten Weltkrieg nur eine einzige Vereinigung verboten worden, und das auch erst in der jüngsten Vergangenheit. Am 1. September 2021 entschied der Oberste Gerichtshof, dass die kriminelle Bande Loyal to Familia (LTF) aufgelöst werden muss. Mehr als drei Jahre hatte es gedauert, und wir können eine ähnliche Zeitspanne erwarten, bis ein endgültiges Urteil im Fall der Bandidos gefällt wird.

Zum Vergleich hat das Bundesinnenministerium in Deutschland seit Bestehen des Vereinsrechts 1964 55 Verbote ausgesprochen (Stand Juni 2020), die sich zusätzlich auf insgesamt 109 Teil- und Ersatzorganisationen erstrecken. 33 der Verbote richten sich gegen Rockergruppen und organisierte Kriminalität, hierunter auch gegen Bandidos.

Wer entscheidet über ein Verbot?

Hier sind wir beim ersten – nicht unwesentlichen – Unterschied. Wie erwähnt, ist in der Bundesrepublik das Innenministerium dafür zuständig. In Dänemark können das laut Grundgesetz nur die Gerichte entscheiden. Die Regierung kann lediglich ein vorläufiges Verbot aussprechen. Das Verfahren im Fall Loyal to Familia hat sämtliche drei Rechtsinstanzen bis zum Obersten Gerichtshof durchlaufen.

Was besagen die Grundgesetze und was bedeutet das?

Das dänische Grundgesetz besagt seit 1849, dass „jeder Bürger (und jede Bürgerin) das Recht hat, ohne vorherige Genehmigung, eine Vereinigung mit jeglichem legalen Anliegen zu gründen“ (Übersetzung des „Nordschleswigers“).

Es gilt also eine sehr weitreichende Vereinigungsfreiheit. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus jedoch auch, dass eine Vereinigung mit einer illegalen, also kriminellen, Zielsetzung nicht zulässig ist. Es war auf der Grundlage dieses Paragrafen, dass das Oberste Gericht anordnete, dass Loyal to Familia aufgelöst werden muss.

Die Gerichte und die Anklagebehörde definieren die Möglichkeit eines solchen Verbotes sehr eng. So reicht es zum Beispiel nicht aus, dass auffällig viele Mitglieder einer Vereinigung kriminellen Aktivitäten nachgehen.

Als Reaktion auf die Zeit der deutschen Besatzung wurde bei der Grundgesetzänderung 1953 eine weitere Einschränkung der Versammlungsfreiheit hinzugefügt. Sinngemäß heißt es dort, dass Vereine, die ihre Ziele mithilfe von Gewalt verfolgen (virker ved vold) oder auf „ähnliche strafbare Weise Andersdenkende zu beeinflussen versuchen“, per Urteil aufgelöst werden müssen. Das Oberste Gericht sah diesen Paragrafen im Fall LTF nicht gegeben. Das hat mit der Formulierung mit den Andersdenkenden zu tun, worauf wir noch zurückkommen werden.

Im deutschen Grundgesetz ist die Vereinigungsfreiheit auch festgeschrieben. Hier lautet die Einschränkung: „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“

Die Verbots-Bestimmung ist also deutlich weiter gefasst als in Dänemark, da auch von Tätigkeiten die Rede ist. Auch ist es in Dänemark nicht verboten, Vereine zu gründen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die Völkerverständigung richten – solange sie nicht zu Gewalt oder anderen illegalen Methoden greifen.

Hat man in Dänemark versucht, vor dem Verbot von LTF Vereine zu verbieten?

Ja. Wechselnde Regierungen haben seit Ende der 90er-Jahre mehrfach untersucht, ob man die Rockerklubs Hells Angels und Bandidos verbieten könne. Der Reichsanwalt kam jedoch zu dem Ergebnis, dass es nicht für ein Verbot reicht.

Entscheidend für diese Einschätzung war hier (wie oben bereits erwähnt), dass die Anklagebehörde nicht meinte, beweisen zu können, dass die Klubs als solche Kriminalität zum Ziel haben. Es reichte nicht, dass ein sehr großer Teil der Mitglieder wegen Gewalt, Drogenhandel, Erpressung und anderen Verbrechen verurteilt waren.

Was besagt das Urteil über LTF?

Das Oberste Gericht kommt zu dem Ergebnis, „dass Loyal to Familia, als Teil seiner normalen Tätigkeit, umfassende und schwere Kriminalität begeht“. Es war also der Anklagebehörde gelungen, zu beweisen, dass die Kriminalität im Namen der Bande ausgeführt wird.

Wie eingangs erwähnt, meinte das Oberste Gericht nicht, dass der Absatz mit dem Verfolgen von Zielen durch Gewalt greift. In seiner Begründung hierfür schreibt es, dass die Formulierung bezüglich der Beeinflussung von Andersdenkenden sich auf Vereine bezieht, die mithilfe von Gewalt politische, ideologische und andere Ziele verfolgen. Der Absatz war eine direkte Reaktion auf die Umtriebe von Nazigruppierungen während der Besatzungszeit.

Daher ist auch nicht anzunehmen, dass Bandidos nach diesem Paragrafen verboten werden kann.

Werden Verbotsverfahren gegen andere Vereinigungen eingeleitet?

Justizminister Peter Hummelgaard (Soz.) hat dies zu seinem politischen Ziel erklärt. Konkret wurden bei der Pressekonferenz am Mittwoch die Hells Angels und die dritte Rockerguppe Comanches genannt.

Ebenso deutlich wurde jedoch, dass die Polizei gegen diese beiden Gruppierungen bei Weitem noch nicht genug Beweise gesammelt hat, um ein Verbotsverfahren einzuleiten. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass die Anklagebehörde das Urteil im Fall Bandidos abwarten wird. Dann weiß sie, wie der Oberste Gerichtshof die Beweise in diesem Fall einschätzt.

Ein weiterer Kandidat wäre die islamistische Vereinigung Hizb-ut-Tahrir, die bereits in Deutschland und anderen Ländern verboten ist. Sie strebt die Errichtung eines Kalifats an und hat somit ein politisch-ideologisches Ziel, das sich gegen die freiheitliche Grundordnung richtet.

Hier ist die Herausforderung nachzuweisen, dass sie Gewalt oder andere illegale Methoden einsetzt, um diese Ziele zu erreichen. 2002 kam der Reichsanwalt zu dem Ergebnis, dass die Beweise hierfür nicht ausreichen.

In seiner Begründung betont er auch die unterschiedlichen Rechtsregeln in Deutschland und Dänemark, wenn es um das Verbot von Vereinigungen geht. 
 

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