Diese Woche in Kopenhagen

„Das Schreckgespenst von Wuhan“

Das Schreckgespenst von Wuhan

Das Schreckgespenst von Wuhan

Kopenhagen
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Die Sorge, Dänemark könnte zu einer neuen Brutstätte für eine Pandemie werden, hat die Regierung veranlasst, die Nerzbranche zu schließen. Die Frage ist jedoch, ob Mette Frederiksen und Co. zunächst zu schleppend reagiert haben, meint Walter Turnowsky.

Seit die Corona-Pandemie im März nach Dänemark kam, haben wir laufend neue Ausdrücke lernen müssen. Mittwoch kam ein weiterer hinzu: „Cluster 5“.

Der Ausdruck klingt schon ein wenig wie etwas aus einem bedrohlichen Science-Fiction-Film. Er bezeichnet jene Mutation des Coronavirus, die sich als widerstandsfähiger gegen Antistoffe herausgestellt hat.

Als die Regierung und die Behörden auf einer Pressekonferenz die Tötung sämtlicher Nerze bekannt gaben, wurde die chinesische Provinz Wuhan zwar nicht genannt, aber sie geisterte unsichtbar durch den Raum. Worst-Case-Szenarium sei, dass von den nordjütischen Nerzen eine neue Pandemie ausgehen könnte. Nur zur Erinnerung, auch in Wuhan war vermutlich eine mutierte Variante des Coronavirus von Tieren auf den Menschen übergesprungen.

Daher ist es nicht nur folgerichtig, sondern die Regierung hatte keine andere Wahl, als zu den angekündigten drastischen Maßnahme zu greifen, als das Serum Institut (SSI) sie Montagabend darüber informierte, dass kommende Impfstoffe gegen Cluster 5 möglicherweise weniger wirksam seien oder die Wirkung sogar ganz verlieren könnten.

Was passieren würde, sollte von Dänemark eine neue Pandemie ausgehen, möchte man sich gar nicht ausmalen.

Bislang hat Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) während der Corona-Pandemie immer schnell und entschieden reagiert. Rückblickend sieht das bei den Nerzen ein wenig anders aus.

Bereits Mitte Juni wurde auf einer Nerzfarm in Nordjütland Covid-19 festgestellt. Schnell war auch klar, dass es der gleiche Stamm wie bei Menschen war, dass Menschen ihn also wohl auf die Tiere übertragen hatten. Die Tiere wurden getötet. Doch so richtig schien die Sache die Regierung noch nicht zu beschäftigen. Auch nicht, als sich das Virus längst auf immer mehr Farmen in Nordjütland verbreitete.

Als ein Journalist des Online-Mediums „Nordtinget“ auf einer Pressekonferenz am 18. September die Staatsministerin zu den Nerzfarmen befragte, verweigerte sie die Antwort und verwies auf SSI-Direktor Kaare Mølbach. Zu unwichtig erschien ihr das Problem zu sein.

Dabei gab es zu dem Zeitpunkt bereits deutliche Hinweise darauf, dass Mutationen des Virus bei Nerzen zu einem ernsthaften Problem werden könnten.

Wie Recherchen von „Information“ ergeben haben, hat das SSI bereits am 4. September darauf hingewiesen, dass zwei Corona-Varianten bei Nerzen genau an dem Protein Veränderungen aufweisen, das sämtliche mögliche Impfstoffe angreifen sollen.

Am 16. September verschärfte das SSI dann die Risikoeinschätzung, und am Tag der erwähnten Pressekonferenz spricht das SSI dann erstmalig von einer „möglichen Bedrohung der Volksgesundheit“ und von einem Risiko für die „Wirksamkeit von Impfstoffen“.

Erst am 8. Oktober begann man damit, systematisch Nerze auf infizierten und benachbarten Farmen zu töten. Doch auch zu diesem Zeitpunkt hatte man es noch nicht unbedingt eilig. Am 20. Oktober waren lediglich die Tiere auf 12 von zu dem Zeitpunkt 134 betroffenen Farmen getötet worden, schreibt „Nordtinget“.

Als die Regierung am Mittwoch die Tötung sämtlicher Nerz bekannt gab, war die Tötung auf infizierten und benachbarten Farmen bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Hinzu kamen Ende vergangener Woche die Berichte, dass die Behörden noch nicht einmal genug Container für die getöteten Nerz bereitgestellt hatten.

Von einem Gespür für die Dringlichkeit zeugt das nicht gerade.

Dabei geht es nicht nur um den Impfstoff. Die Hälfte der aktuell infizierten Personen in Nordjütland sind mit einem Virus angesteckt, das vom Nerz stammt. Der Infektionherd Nerzfarmen hat also in dem Landesteil die aktuelle Welle deutlich mitverursacht. 

Der sozialdemokratische Bürgermeister von Hjørring, Arne Boelt, hat bereits von Anfang an die Tötung der kranken Nerze gefordert.

Nun werden alle Nerze getötet, und das ist zugleich das Ende der Nerzbranche in Dänemark. Den betroffenen Nerzzüchtern muss zu einem Lebensunterhalt weitergeholfen werden.

Artikel am 10. November korrigiert. Arne Boelt hat zunächst nur die Tötung der kranken Nerze gefordet.

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