Diese Woche in Kopenhagen

„Die angeschlagene Ritterin auf dem weißen Ross“

Die angeschlagene Ritterin auf dem weißen Ross

Die angeschlagene Ritterin auf dem weißen Ross

Kopenhagen
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Inger Støjberg vor dem Reichsgericht am letzten Verhandlungstag Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

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Inger Støjberg wäre die ideale Vorsitzende, um die Dänische Volkspartei aus der Existenzkrise herauszuholen. Sie ist sowohl an der Basis als auch bei den unterschiedlichen Flügeln der Partei gleichermaßen populär. Wäre da nicht das lästige Reichsgericht, würde ihrem Triumphzug an die Parteispitze nichts im Weg stehen, meint Walter Turnowsky.  

Zwei Frauen werden besonders gespannt auf den 13. Dezember warten: Die eine saß am Donnerstag auf der Anklage- die andere auf der Zuschauerbank im Reichsgericht.

Erstere, Inger Støjberg, weil zu dem Datum das Reichsgericht bekannt gibt, ob sie schuldig oder unschuldig ist und falls schuldig, welche Strafe es verhängen wird. Die Zweite, Pia Kjærsgaard, interessiert sich vor allem für Letzteres.

Die Ursache für das Interesse der DF-Gründerin: Das eventuelle Strafmaß für Inger Støjberg kann über die Zukunft von Kjærsgaards Lebenswerk entscheiden. Die Dänische Volkspartei steckt in einer existenziellen Krise, und Pia sieht Inger als die Person, die es richten soll.

Es geht um die Existenz

Allein die Tatsache, dass die ehemalige Venstre-Ministerin von Kjærsgaard, und vielen mit ihr, als die Ritterin auf dem weißen Ross gesehen wird, sagt so einiges darüber aus, wie tief die einst so machtvolle Partei nach vier verlorenen Wahlen und dem Rücktritt von Partei-Chef Kristian Thulesen Dahl im Schlamassel steckt. Denn es ist doch eher ungewöhnlich, dass eine Person, die noch nicht einmal Parteimitglied ist, so heiß als kommende Vorsitzende umworben wird.

 

Pia Kjærsgaard unterstützte am letzten Verhandlungstag demonstrativ Inger Støjberg. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

Kjærsgaard machte aus ihren Anwerbeversuchen mit ihrer Anwesenheit im Reichsgericht keinen Hehl. Ihr Problem ist nämlich, dass ihr bevorzugter parteiinterner Kandidat sich derzeit auch mit Anklagen rumschlägt. Parteivize Morten Messerschmidt muss sich vor dem Landesgericht im Hinterziehungsfall Feld/Meld verantworten.

Unterstützung von Pia, Kristian und Morten

Das Landesgericht fällt das Urteil erst im Februar, also nach dem außerordentlichen Parteitag am 23. Januar. Und es wäre schon ein wenig ärgerlich, sollte das Landesgericht zum selben Ergebnis wie das Gericht in Lyngby kommen, und den frisch gewählten Vorsitzenden für sechs Monate hinter schwedischen Gardinen verschwinden lassen.

Er selbst hat dann auch diese Woche zu „TV2“ gesagt, er werde nicht gegen Støjberg antreten. Ein deutliches Signal, dass die  Altvorsitzende Kjærsgaard die Fäden wieder ziemlich fest in der Hand hält.   

Dabei kommt ihr zugute, dass ihr ehemaliger Adlatus Kristian Thulesen Dahl dieselbe Wunschkandidatin für seine Nachfolge hat wie sie. Er ist nämlich von ihrem jetzigen Adlatus Messerschmidt alles andere als begeistert.

Mildes Urteil = kein Problem

Damit wäre der Weg für Støjberg nicht nur geebnet, sondern bereits zu einer sechsspurigen Autobahn ausgebaut, wäre da nicht das Reichsgericht.

Inhaltlich haben weder die DF-Parteispitze noch die Basis ein Problem mit dem Fall zur Trennung der Asylpaare. Im Gegenteil: Støjbergs Feldzug gegen „Kinderbräute“ kommt bei den einen wie den anderen gut an.

Daher kommt es auf das Urteil an. Wird die ehemalige Ausländer- und Integrationsministerin freigesprochen, sind sie selbst und die Dänische Volkspartei selbstverständlich aus dem Schneider. Doch auch mit einem Bußgeld oder einer bedingten Strafe (bei der Støjberg nicht ins Gefängnis müsste) ließe sich leben – wie gesagt kämpft DF ums Überleben.

Die Frage ist, ob DF nicht sogar eine kurze Haftstrafe hinnehmen würde. Bei vier Monaten Haft, wie es die Staatsanwaltschaft fordert, würde das ein wenig anders aussehen. 

Da wäre natürlich noch das kleine Aber dabei, dass eine Mehrheit des Folketings auch bei einer geringfügigen Strafe entscheiden kann, dass Støjberg nicht würdig ist, im Parlament zu sitzen, und sie damit rausfliegt. Doch auch das Problemchen ließe sich wohl zurechtbiegen.

Zu Tode gesiegt

Die Tiefe der Krise der einstigen Volkspartei wird nur noch deutlicher, wenn man bedenkt, dass DF das erfolgreichste politische Projekt der vergangenen 20 Jahre ist. Keine Partei hat wie sie die Politik des Landes geprägt.

Während der bürgerlichen Regierungen von zunächst Anders Fogh Rasmussen und dann Lars Løkke Rasmussen konnte sie in der bequemen Rolle als Unterstützerpartei in immer höherem Maße die Regierungspolitik diktieren. Immerhin hat sie eine bürgerliche Mehrheit überhaupt erst möglich gemacht, indem sie ehemalige sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler über die Mitte gezogen hat.

Traumvorsitzende Inger Støjberg – oder nur ein Traum? Das Urteil wird es entscheiden. Foto: Liselotte Sabroe/Ritzau Scanpix

Bei den Folketingswahlen 2015 wurde DF zweitgrößte Partei, und sogar die Sozialdemokraten mussten um ihren ersten Platz bangen. Nordschleswig wurde DF-Land, fast jede dritte Stimme ging an Thulesen Dahls Truppe.

Man sprach von „König Kristian“. Doch auf dem Höhepunkt seiner Macht fehlte dem König dann der Mut, endgültig nach ihr zu greifen. Er ging nicht mit Løkke Rasmussen in die Regierung, sondern verharrte in der bequemen Unterstützerrolle.

Und somit wurde der Erfolg der Dänischen Volkspartei auch ihr Niedergang. Ihr Einfluss auf den politischen Diskurs im Lande war so groß, dass zunächst die Bürgerlichen und dann auch die Sozialdemokraten in weiten Teilen ihre ausländerpolitischen Porgrammpunkte übernahmen.

Reiche Auswahl

Wer eine sogenannte „straffe Ausländerpolitik“ und eine regierungswillige Partei möchte, hat heutzutage die Qual der Wahl – DF hat nur eines von beidem im Angebot.

Daher benötigt die Partei so dringlich ein Profil wie Inger Støjberg. Denn selbst wenn Messerschmidt nicht den Betrugsfall am Hals hätte, ist die Frage, ob er den Karren aus dem Dreck ziehen könnte.

Støjberg sagte in ihren Schlussworten vor dem Reichsgericht, sie werde sich nicht entschuldigen, denn sie habe nichts Falsches getan. Das war kein juridisches Plädoyer, sondern ein politisches Statement. Sie möchte in der Politik weitermachen. Doch dafür braucht sie ein politisches Projekt.

Noch dringender braucht die Dänische Volkspartei jedoch sie. Ob aus der Traumehe etwas werden kann, wissen wir am 13. Dezember.

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