Diese Woche in Kopenhagen

„Warum man die Bibel nicht mehr in Bacon einwickeln darf“

Warum man die Bibel nicht mehr in Bacon einwickeln darf

Warum man die Bibel nicht mehr in Bacon einwickeln darf

Kopenhagen
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Am Donnerstag beschloss das Folketing, dass wir nicht mehr „Gegenstände von wesentlicher religiöser Bedeutung für anerkannte Glaubensgemeinschaften ungebührlich behandeln“ dürfen. Walter Turnowsky erklärt, was jetzt verboten wird und was nicht.

Solltest du als Hobby haben, Bibeln, Korane oder Thoren zu verbrennen, dann habe ich schlechte Nachrichten für dich: Sobald der am Donnerstag vom Folketing beschlossene Gesetzesantrag L65 in Kraft tritt, droht dir ein Bußgeld, Haft und im Wiederholungsfall Gefängnis bis zu zwei Jahren.

L65 gilt ab dem Zeitpunkt, an dem er in der „Lovtidende“ veröffentlicht wird, was wir getrost mit „demnächst“ übersetzen können. Willst du dennoch unbedingt Thoren verbrennen, musst du nach Schweden oder in den eigenen Garten ausweichen.

Nur private Feuer sind erlaubt

Also ein nettes kleines Feuerchen aus Bibeln, über dem du gemütlich ein Stockbrot backst, ist okay – Hauptsache du befolgst die feuerpolizeilichen Bestimmungen. Wobei ich als ehemaliger Pfadfinder dann – des Geschmackes wegen – doch eher schön trockenes Laubholz empfehlen möchte.

Allerdings kann die Sache mit dem Lagerfeuer im Garten neben der möglichen Rauchbelastung bei den Nachbarn noch einen weiteren Haken haben. Findest du die Veranstaltung so nett, dass du sie filmst und das Video ins Netz stellst, kann es dir wiederum passieren, dass du vor den Kadi gestellt wirst.

Dasselbe geschieht, wenn du öffentlich die Seite aus der Bibel herausreißt, auf der steht: „Du sollst nicht einem Manne beiwohnen, wie man einer Frau beiwohnt; es ist ein Greuel“ oder jene, auf der es heißt: „Darum hat sie Gott in schändliche Leidenschaft dahingegeben; denn auch ihre weiblichen Personen haben den natürlichen Umgang mit dem widernatürlichen vertauscht.“

Regenbogenflaggen und Speck

Solltest du jedoch aufgrund der nicht mehr ganz zeitgemäßen Sicht auf die Homosexualität, den Koran, die Bibel oder Thora in eine Regenbogenflagge einwickeln, bleibt dir das gestattet. Solltest du allerdings Bacon als Verpackungsmaterial verwenden, ist es schon wieder verboten. Und das gilt interessanterweise nicht nur für die islamische und jüdische heilige Schrift, sondern auch für die christliche.

Wobei ich ohnehin lieber meinen Wildbraten als irgendein Buch in Speck einwickele. Ungeklärt ist noch, was passiert, wenn ich zum Heiligen-Buch-Verpacken Bacon verwende, das sich seinerseits noch in der Verpackung befindet. Das werden die Gerichte entscheiden müssen (An solchen Tagen freue ich mich, dass ich Journalist und nicht Richter bin).

Rasmus Paludan als Zuschauer

Einer von denen, die die Reichweite des Gesetzes mit Sicherheit austesten werden, saß übrigens während der Beratung im Folketing auf den Presserängen gleich neben mir: der Rechtsextremist und Islamhasser Rasmus Paludan. Man spürte fast, wie seine Fantasie angestachelt wurde. Und wenn es ums Anstiften von Unheil geht, scheint der menschlichen Fantasie keine Grenze gesetzt zu sein.

Er und seine Konsorten haben in diesem Jahr ihre Sommerferien, ihr Demonstrationsrecht dafür genutzt, in Dänemark und Schweden vor Botschaften von islamischen Staaten Korane anzuzünden. (Es waren vor allem die Konsorten – Paludan selbst hat in diesem Jahr „lediglich“ fünf Korane verbrannt). Das hat besagten Staaten so gar nicht gefallen, und sie protestierten immer lautstärker.

Verschärfte Grenzkontrollen

Von A wie Afghanistan bis U wie Usbekistan – und dazwischen I wie Iran und T wie Türkei – forderten sie, Dänemark und Schweden sollten gegen die Verbrennerei vorgehen. Außenminister Lars Løkke Rasmussen (Moderate) zog aus, um sie zu beruhigen. Wir machen das schon, dürfte er ihnen so ungefähr gesagt haben. Aus dem in Dänemark als Verbotsland verschrienen Schweden gab es keine entsprechende Initiative.

Auch islamistische Terrorgruppen fanden Gefallen an dem Konflikt und drohten mit Anschlägen. Ein erster Erfolg ihrer Initiative war, dass Dänemark für einige Wochen die soeben gelockerten Grenzkontrollen wieder verschärfte. Ein zweiter, dass ihre „heiligen“ Aktivitäten wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt wurden. Neben Putins Massenmorden in der Ukraine war es ihnen schwergefallen, sich zu behaupten.

Die iranische Künstlerin mit dem Reibeisen

Dem bereits erwähnten Paludan war es auch ein wenig so ergangen, zumindest in Dänemark. Auf seine Koranverbrennungen wurde zunehmend auf die einzig richtige Art reagiert: mit Schulterzucken. Am Donnerstag war dann sein großer Tag gekommen: Er konnte sich endlich wieder im gleißenden Licht der Scheinwerfer sonnen.

Eigentlich sollten er und der Islamische Staat sich gegenseitig Dankestelegramme zuschicken. Keinen Grund zum Danken hat dagegen die iranischstämmige Künstlerin Firoozeh Bazrafkan. Sie hatte im August vor der iranischen Botschaft in Kopenhagen einen Koran mit einem Reibeisen geschreddert – als Protest gegen die Unterdrückung von Frauen durch das Regime.

Obwohl es eine künstlerische Performance war, wird ihr das zukünftig verboten sein. Zwar darf man die heiligen Schriften als Teil eines Kunstwerkes schänden – aber nur, wenn es einen kleineren Teil des Kunstwerkes ausmacht. Quasi viel Straßentheater mit einem kleinen Koranfeuerchen nebenbei. Wiederum werden sich die Richterinnen und Richter die Köpfe darüber zerbrechen dürfen, wie groß ein kleiner Teil sein darf.

Regierung verweigert Debatte

Diesen Preis der (wenn auch eingeschränkten) künstlerischen Freiheit – der nicht gerade ein Wucherpreis ist – zahlte die SVM-Regierung der sozialliberalen Partei, Radikale Venstre, um sie zu überreden, dem Ungebührlichkeitsverbot zuzustimmen. Doch weder Vertreterinnen oder Vertreter dieser Partei noch der drei Regierungsparteien hatten den Bedarf, am Donnerstag im Folketingssaal ans Rednerpult zu gehen, um ihre Standpunkte darzulegen.

Und so blieb es dem in Ungnaden aus den Moderaten ausgeschlossenen oder ausgetretenen Parteilosen Jon Stephensen überlassen, L65 zu verteidigen. Sein zentrales Argument war, dass es nicht gerade ein Zeichen von demokratischer Gesinnung sei, Bücher zu verbrennen.

Der heilige Teppich des Jeff Lebowski

Das ist unfraglich korrekt, doch sei daran erinnert, dass nicht nur die Nazis, sondern auch Martin Luther Bücher verbrannt hat (nachdem seine eigenen Schriften verbrannt worden waren). Auch ist es weiterhin erlaubt, Schriften zu verbrennen, die mir persönlich heiliger sind als Koran, Bibel und Thora. Das wären zum Beispiel das Grundgesetz und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.

Nun gehöre ich allerdings auch keiner der drei Glaubensrichtungen an, sondern der nicht sonderlich ernst gemeinten Religion der Dudeisten, die vom Film „The Big Lebowski“ aus dem Jahr 1998 inspiriert ist. Dessen Hauptperson Jeff Lebowski, genannt der Dude (Typ), erlebt eine Schändung eines für ihn heiligen Gegenstands. Gangster pinkeln ihm ausgerechnet auf den Teppich, der „den Raum zusammenhält“.

Als der Dude, der ansonsten einen ausgesprochen entspannten Lebensstil pflegt, mit seinen beiden Kumpeln loszieht, um eine Entschädigung zu verlangen, löst er eine Kette von unüberschaubaren Ereignissen aus. Unterhaltsam für das Filmpublikum, fatal für den Freund des Dudes, Donny. Ein hoher Preis für den Streit um einen heiligen Gegenstand. 

Am Ende kehrt Lebowski zu seinem Leben mit Kegeln, „Erwachsenengetränken“ und Joints zurück. Die Sprecherstimme des Films meint, es sei für ihn beruhigend zu wissen, dass der Dude das Leben für uns Sünder locker nehmen würde. Vielleicht gibt es ihn ja noch, irgendwo da draußen, den Dude. 

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