Diese Woche in Kopenhagen

„Die Nato-Katze will nicht wieder in den Sack“

Die Nato-Katze will nicht wieder in den Sack

Die Nato-Katze will nicht wieder in den Sack

Kopenhagen
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Es ist eine persönliche Anerkennung für Staatsministerin Mette Frederiksen, dass sie als mögliche Nato-Generalsekretärin gehandelt wird. Zu Hause haben ihr die Gerüchte jedoch Probleme beschert. Probleme, die nicht so einfach verschwinden werden, meint Walter Turnowsky.

Am Montag, dem dänischen „Constitution Day“, wie Onkel Joe es formulierte, war Mette in Washington zu Gast. Scharf verfolgt von einem ganzen Tross von politischen Teesatzleserinnen und -lesern. Und was sie aus dem Treffen zwischen Onkel Joe und Mette herausgelesen haben, ist, dass die dänische Regierungschefin ein ganz heißer Tipp für den Posten als Nato-Generalsekretärin ist – wenn nicht der heißeste überhaupt.

Doch ganz egal, wie viel oder wenig an der Sache dran ist, steht eines fest: Die Katze ist schon lange aus dem Sack, denn die Gerüchte kursieren seit einigen Wochen. Dabei wäre es für den inneren Frieden in der Sozialdemokratie und der Regierung viel besser – wenn auch aus Tierschutzgründen bedenklich –, wenn die Katze wieder im Sack wäre. 

Sommerloch ist verschoben

Doch Katzen sind nun mal wahre Meisterinnen darin, sich gegen etwas zu sträuben, das sie nicht möchten. Wer jemals versucht hat, eine Katze gegen ihren Willen in eine Transportbox zu stecken, der weiß, wovon ich rede. Und Säcke, nehme ich mal an, mögen Katzen noch weniger als Transportboxen.

Dass die Katze also nun aus dem Sack ist und bleibt, hat gleich mehrere Folgen. Die erste ist, zumindest aus Blick der politischen Berichterstattung, eine von der positiven Sorte: Jetzt, wo das Folketingsjahr beendet ist und wir allmählich den Abgrund des Sommerloches erspähen können, liefert die Sache noch reichlich Stoff – mit etwas Glück bis zum Nato-Gipfel in Vilnius am 11. und 12. Juli.

Die Teeblätter, in denen die politischen Beobachterinnen und Beobachter gelesen haben, waren die Dauer des Treffens zwischen Onkel Joe und Mette (es war etwas länger als geplant) und die Worte danach (sie waren nett). 

Oder doch Ben Wallace?

Doch nur drei Tage später hat auch der britische Premierminister, Rishi Sunak, Onkel Joe besucht. Dessen Verteidigungsminister, Ben Wallace, wird auf der internationalen Gerüchtebörse ebenfalls als Anwärter auf den Posten als Nato-Generalsekretär gehandelt. Er sei ein äußerst qualifizierter Kandidat, meinte Biden. Die Buchmacherinnen und Buchmacher sehen den Briten als Favoriten. 

Und so sind wir heute eigentlich nicht viel schlauer als vor einer Woche. Daher werden die politischen Berichterstatterinnen und Berichterstatter der streunenden Katze weiterhin auf und um Christiansborg sowie in der weiten Welt nachstellen.

Die Sache mit der Erbfolge

Derweilen hat sie im Fraktionszimmer der Sozialdemokratie schon ziemliche Unruhe gestiftet. Katzen sind ja berüchtigt dafür, dass sie Dinge auf den Boden schubsen, und dabei kann schon mal etwas zu Bruch gehen – in diesem Fall der Burgfrieden in der Partei.

Egal, ob Frederiksen nun in einem Monat zur Nato zieht oder nicht, wird da nicht so schnell wieder Ruhe einkehren.

Denn wer soll Mette werden, wenn Mette nicht mehr Mette, sondern Nato-General ist? Finanzminister Nicolai Wammen, meinen die einen. Justizminister Peter Hummelgaard, die anderen. Wammen gilt als Favorit, aber wenn er es werden sollte, wer wird dann die Nummer zwei und übernimmt das Finanzministerium?

Die Sozialdemokratie war jahrelang, ja jahrzehntelang, von erbitterten Flügelkämpfen geplagt. Die gibt es, seit Mette Frederiksen den Vorsitz übernommen hat, nicht mehr. Sie und die Leute um sie würden das nicht tolerieren. Außerdem liefert Frederiksen das, was im Selbstverständnis der Sozialdemokratie das Wichtigste ist: die Regierungsmacht. Und dann wird nicht mehr viel nachgefragt.

Unruhige Kaffeekränzchen

Was allerdings von den Flügelkämpfen übrig geblieben ist, sind die sogenannten Kaffeeklubs der Fraktion, vier an der Zahl. Heute sind es nicht so sehr die politischen Unterschiede, die sie definieren, sondern sie funktionieren eher als Netzwerke.

Doch Netzwerke sind nun einmal (auch) dafür da, um attraktive Jobs und Posten zu erhaschen. Daher werden die Kaffeeklubs jetzt allmählich unruhig. Nicolai Wammen ist Chef des Frokostklubben, Wirtschaftsminister Morten Bødskov des Morgenmadsklubben. Letzterer wäre (gegebenfalls) ein Kandidat für das Finanzministerium. 

Damit wäre aber Netværket nicht zufrieden, denn dem gehört Peter Hummelgaard an, der, wenn er nicht Chef werden sollte, zumindest den Status der Nummer zwei beansprucht. Der Kaffeeklub namens Kaffeklubben überlegt, ob nicht eine dritte Kandidatin oder ein dritter Kandidat für den Vorsitz infrage käme. 

Egal, ob Frederiksen nun in einem Monat zur Nato zieht oder nicht, wird da nicht so schnell wieder Ruhe einkehren. Wie gesagt, das mit dem Katze-wieder-in-den-Sack-stopfen ist so eine Sache.

Løkkes Wortschöpfung 

Und auch in den Büros der SVM-Regierung hat die Katze bereits einigen Wirbel verursacht. Der Chef und Gründer der Moderaten, Außenminister Lars Løkke Rasmussen, sagte am Grundgesetztag, das Regierungsprojekt müsse „wiederbestätigt“ (genbekræftet) werden – was immer das auch bedeuten mag.

Troels Lund Poulsen, politischer Chef von Venstre in Vertretung, legte sogar noch eines drauf: Er forderte, das Regierungsprogramm solle überprüft werden, sollte Frederiksen nicht mehr Staatsministerin sein. Angesichts der verbesserten Wirtschaftslage müsse über Steuererleichterungen verhandelt werden.

Und mit Letzterem ist gleich eine zweite Katze aus dem Sack gehüpft. Das Thema wird die Regierung auch nicht so ohne Weiteres wieder verlassen. Und wenn, würden die Konservativen und die Liberale Allianz sie liebend gern daran erinnern.

Es ist ohne Frage eine große Anerkennung für Dänemark und für Mette Frederiksen persönlich, dass sie auch international als Kandidatin für den Generalsekretär gehandelt wird. Doch zu Hause erwartet sie (laut Buchmacher ist das immer noch die wahrscheinlichere Variante) oder ihre Nachfolgerin beziehungsweise ihren Nachfolger ein tierisches Gewusel, das erst einmal beruhigt werden will. 

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