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„Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser“

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Kontrolle ist gut – Vertrauen ist besser

Kopenhagen
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Das gegenseitige Vertrauen zwischen Bevölkerung und Staat ist mit das wichtigste Kapital der dänischen Wohlfahrtgesellschaft. Daher ist es besorgniserregend, dass es damit in die falsche Richtung geht, meint Walter Turnowsky.

Als sich die Maskenpflicht in Deutschland während der Pandemie in die Länge zog, blickten so einige Bundesbürgerinnen und -bürger ein wenig neidisch in Richtung Dänemark, wo sie bereits ein Jahr früher abgeschafft wurde.

Unter Zuzüglerinnen und Zuzüglern nach Nordschleswig hört man den Unterschied im Umgang mit Corona immer wieder als einen der Gründe für den Umzug. Eine kleine Gruppe geht noch weiter: Sie waren insgesamt gegen die Maskenpflicht und die Corona-Restriktionen; hinter den Impfungen vermuten sie eine bösartige Konspiration. Nun meinen sie, in Dänemark das Land der unbegrenzten Freiheiten gefunden zu haben.

Doch diese Menschen übersehen eines: Gerade das, was ihnen fehlt, hat das Königsreich so relativ glimpflich durch die Pandemie gebracht, nämlich das Vertrauen in die Behörden und den Staat.

Und das Vertrauen geht in beide Richtungen. Daher waren so einige der Restriktionen keine Regeln und Verordnungen, sondern Empfehlungen. Der Staat vertraute darauf, dass wir sie (weitgehend) befolgen würden, und die Bevölkerung, dass sie auf Grundlage des bestmöglichen Wissensstands ausgesprochen wurden. Überlegungen zu einer Impfpflicht gab es zu keinem Zeitpunkt: Wir haben uns auch ohne brav unseren Piks abgeholt.

Und dieses gegenseitige Vertrauen ist nicht nur in Krisenzeiten wichtig, es ist geradezu ein Grundpfeiler der dänischen Wohlfahrtsgesellschaft. Ohne es könnte sie in dieser Weise nicht funktionieren.

Umso besorgniserregender ist es, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat in diesen Jahren deutlich schwindet. Im jährlichen „Trust Barometer“ des Kommunikationsbureaus Edelsmanns ist das Vertrauen in die Behörden im dritten Jahr in Folge zurückgegangen.

Zwar liegt es mit 59 Prozent, die Vertrauen in die Behörden haben, immer noch relativ hoch. Doch waren es 2021 noch ganze 71 Prozent. Beim Vertrauen in Regierung und Parlament sieht es noch besorgniserregender aus. Nur noch 35 Prozent haben ein generelles Vertrauen in die Regierung. Lediglich 32 Prozent meinen, dass das Folketing die Beschlüsse fasst, die am besten für Dänemark sind. Vor zwei Jahren waren das noch 60 beziehungsweise 59 Prozent.

Eine Umfrage, die Voxmeter für „Politiken“ durchgeführt hat, zeigt ein ähnliches Bild. Mehr als die Hälfte der Befragten antwortet, ihr Vertrauen in die Institutionen sei geringer geworden.  

Das gegenseitige Misstrauen schlägt sich auch immer stärker in den politischen Diskussionen nieder. Die Opposition wirft der Regierung vor, zu vertuschen und zu lügen. Insbesondere sozialdemokratische Politikerinnen und Politiker schlagen zurück, indem sie von „Konspirationstheorien“ sprechen.

Derartige Totschlagargumente von beiden Seiten werden das Misstrauen in der Bevölkerung nur noch weiter befördern. International ist zu beobachten, dass sich die Politik allmählich weniger in links und rechts aufteilt und stärker in Vertrauen oder Misstrauen in das „System“.

In Deutschland laufen nicht zuletzt wegen des Misstrauens der AfD und zukünftig wahrscheinlich auch der Sahra-Wagenkecht-Partei die Wählerinnen und Wähler zu. Noch deutlicher ist diese Tendenz in den USA zu beobachten, wo Donald Trump genau dieses Misstrauen in die Institutionen instrumentalisiert. Er spricht von „Fake News“ in den „Mainstream Media“, die Reichs- und Wutbürger in Deutschland von der „Lügenpresse“.

Dort sind wir in Dänemark noch lange nicht angekommen, doch das sinkende Vertrauen kann einer solchen Entwicklung den Weg ebnen. Bevor sich Politikerinnen und Politiker auf X (Twitter) begeben, sollten sie sich fragen, ob ihre Kommentare zu dieser Tendenz beitragen, oder zu einer zwar harten, aber fruchtbaren demokratischen Auseinandersetzung .

Und übrigens, auch wir Journalistinnen und Journalisten sollten uns diese Fragen stellen. Im Vertrauensbarometer sind die Medien von 46 Prozent 2021 auf 32 Prozent runtergerutscht.

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Hannah Dobiaschowski
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