Leitartikel

„Dank an DF!“

Dank an DF!

Dank an DF!

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Sollen die Rechte der vier nordatlantischen Folketingsabgeordneten künftig eingeschränkt werden, sodass allein die Wählerinnen und Wähler in Süddänemark darüber entscheiden, wer Staatsminister werden soll? Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok kommentiert diese Frage nach einer bemerkenswerten Diskussion auf Christiansborg.

Bevor Sie als Leserin oder Leser angesichts der Überschrift das Morgenfrühstück oder sonstiges in den falschen Hals bekommen, ist Aufmerksamkeit geboten für eine auch aus Minderheitensicht interessante und wichtige politische Tagesordnung, bei der es um die Möglichkeiten bzw. Begrenzungen der parlamentarischen Vertretung geht.

Tatort Christiansborg: Im Zentrum der großpolitischen Debatte vor den Sommerferien stand wieder einmal der Abgeordnete von den Färöern, der Journalist und Schauspieler Sjúrður Skaale von der sozialdemokratischen Partei Javnaðarflokkurin, der sich im Folketing längst einen Namen gemacht hat durch seine oft nachdenklich stimmenden und zugleich unterhaltsamen Redebeiträge, die leider von der Geschäftsordnung her erst zu später Stunde vor Mitternacht für ein hellhöriges Erwachen bei den müde gewordenen Parlamentsvertretern sorgen.  

Hintergrund für die interessante Diskussion ist die Tatsache, dass die nordatlantischen Inseln Grönland und die Färöer seit der Grundgesetzänderung 1953 jeweils zwei Abgeordnete nach Christiansborg entsenden können – also per Automatik ungeachtet der Stimmenzahlen bei der Verteilung der Mandate im übrigen Dänemark. Das hat schon oft Irritationen und Ärger hervorgerufen, weil diese vier nordatlantischen Mandate bei knappen Wahlergebnissen Zünglein an der Waage sind. Das beste Beispiel: Der Sozialdemokrat Poul Nyrup Rasmussen wurde 1998 Staatsminister, weil er mit einem Vorsprung von nur 176 Stimmen (!) auf den Färöern das entscheidende Mandat im Rennen um die Macht gegen den schon siegessicheren Uffe Ellemann-Jensen eroberte.

Die nordatlantischen Mandate könnten wieder den Ausgang der kommenden Folketingswahl bestimmen. Sicherlich dürfte der Abgeordnete Alex Vanopslagh (Liberale Allianz) dies im Hinterkopf gehabt haben, als er dem am Rednerpult stehenden Sjúrður Skaale den Vorschlag unterbreitete, die nordatlantischen Abgeordneten sollten sich künftig aus der Regierungs-Entscheidung völlig heraushalten und sozusagen vorab die Mehrheit in Süddänemark respektieren.

Vanopslaghs Berechnung enthielt einen (theoretischen) Wahlausgang mit 88:87-Mandaten in Süddänemark für den bürgerlich-blauen Block, doch könnten drei nordatlantische Mandate dann das Ergebnis zugunsten des roten Blocks (also 90:89) ändern. Theorie klar, aber sie könnte ja nach der Wahl durchaus politische Realität werden. Skaale stand diesem Diskussions-Vorschlag überraschend keineswegs völlig ablehnend gegenüber. Zwar betonte er seine sozialdemokratische Präferenz, andererseits sei er aber auch Demokrat und wolle durch sein nordatlantisches Mandat nicht den Wählerwillen in Süddänemark „verfälschen“.

Danach meldete sich der Abgeordnete der Dänischen Volkspartei (DF), Alex Ahrendtsen, zu Wort, der sich als kulturpolitischer Sprecher auf Christiansborg auch in anderen Parteien Respekt erworben hat. Dissens, lautete seine Stellungnahme, die er damit begründete, dass durch eine solche Änderung die Reichsgemeinschaft zwischen Dänemark, Grönland und den Färöern nicht mehr ernst genommen werde und dass die nordatlantischen Wähler als dänische Staatsbürger dann nicht mehr die gleichen Rechte hätten wie etwa die Wähler in Kopenhagen oder Tingleff.  Er wäre „traurig“, wenn die Wähler in Grönland und auf den Färöern nicht den Staatsminister wählen könnten wie alle anderen, denn ihre Mandate seien doch genauso viel wert wie die übrigen in Süddänemark.

Skaale – seit 2011 im Folketing – antwortete, die Einschätzung des DF-Kollegen sei zwar formell korrekt, doch habe sich die Situation im Nordatlantik inzwischen geändert, weil das eigene Parlament in Thorshavn im Zuge der stetig ausgebauten Selbstverwaltung in wichtigen autonomen Bereichen selbst über ihre Belange entscheiden kann.  Zugleich verwies er auf das Dilemma, dass er als Abgeordneter von den Färöern durch seine Stimmabgabe auf Christiansborg den Süddänen zum Beispiel steuerliche Belastungen auferlegen könne, die jedoch dann auf den eigenen Schafsinseln keine Gültigkeit hätten. Grundlegend gelte jedoch das Prinzip, dass der Steuerzahler als Wähler mit seinem Abgeordneten gleichgestellt sein müsse, so Skaale. Ahrendsen hingegen betonte, dass trotz der neuen Insel-Rechte die Entscheidungen eines dänischen Staatsministers ja auch künftig für Grönland und die Färöer von großer Bedeutung seien.

Eine politische und staatsrechtliche Diskussion, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Dänemark und Grönland und die Färöer in der Reichsgemeinschaft bisher kommunizierende Röhren sind. Dies würde sich natürlich erübrigen, falls sich Grönland und die Färöer eines Tages als selbstständiger Staat ausrufen würden. Diese Entscheidung treffen allein die Bürger im Nordatlantik, aber solange die Reichsgemeinschaft besteht, sollte doch niemand – schon gar nicht aus taktisch-durchschaubaren Gründen – am Status der nordatlantischen Abgeordneten rütteln. Eine historische Änderung dieser Sonderregelung im Rahmen der jetzigen Gesetzgebung würde im Folketing künftig Mandate mit zweierlei Rechten ausstatten, und es wäre nur der erste Schritt zur Trennung.

Deshalb – ganz ausnahmsweise – ein Dank an den DF-Politiker.

Und guten Appetit!

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