Kulturkommentar

„Die Macht der aufrichtigen Entschuldigung“

„Die Macht der aufrichtigen Entschuldigung“

„Die Macht der aufrichtigen Entschuldigung“

Apenrade/Aabenraa
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Entschuldigung
Mit Sprache und Künstlicher Intelligenz können wir nicht nur Illustrationen wie diese zum Thema Entschuldigung erstellen. Foto: Midjourney

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Technologie revolutioniert, wie wir kommunizieren, aber die wahre Macht bleibt in der Sprache verankert. Cornelius von Tiedemann analysiert, wie Rhetorik genutzt wird, um sich aus der Verantwortung zu ziehen – und warum es in unserer digitalen Ära wichtig ist, zwischen authentischen Botschaften und leeren Worten unterscheiden zu können.

Technik verändert unsere Welt rasend schnell. Doch die wahre Macht liegt heute, wie eh und je, bei Sprache und Rhetorik. Die neue Technik, zum Beispiel Künstliche-Intelligenz-Sprachmodelle, nutzen wir in hohem Grad dazu, um unsere Botschaften zu formulieren.

Sprache und Rhetorik können zum Beispiel dazu gebraucht werden, um Verantwortung zu übernehmen, Fehler einzugestehen und auf Bedenken und Kritik einzugehen.

Leider werden sie jedoch oft missbraucht, um genau das Gegenteil zu tun.

Die trügerische Macht der Pseudo-Entschuldigungen

Die meisten von uns besitzen einen recht zuverlässigen „Bullshit-Detektor“, wenn es um Entschuldigungen geht, schrieb zum Thema kürzlich die Rhetorik-Professorin Lisa S. Villadsen in „Videnskab.dk“.

Wir können schnell erkennen, ob jemand wirklich bedauert, was passiert ist, oder ob es nur eine oberflächliche Geste ist. Dennoch erleben wir oft, wie sich Politikerinnen und Politiker und öffentliche Figuren durch halbherzige Entschuldigungen winden. Statt ein klares „Es tut mir leid“ zu sagen, hören wir Phrasen wie „Ich bedauere, dass du dich so gefühlt hast“.

Solche Formulierungen sollen wie eine Entschuldigung klingen, sind aber eigentlich das Gegenteil – sie schieben die Verantwortung auf diejenigen, die verletzt wurden. Oder es wird einfach ein allgemeines „Bedauern“ ausgesprochen, anstatt um Entschuldigung zu bitten.

Apropos: Auch dies ist so ein Detail, das für viele Sprachen gilt. Wenn wir es genau nehmen, können wir uns nicht einfach selbst entschuldigen – wir müssen immer um Entschuldigung bitten. Ansonsten würde das Opfer unserer Fehlhandlung bei dem Deal ja schlicht übergangen werden.

Den Worten Taten folgen lassen – das gehört zur Entschuldigung dazu (Symbolbild). Foto: Midjourney

Die Macht der Sprache: Denken, Fühlen, Handeln

Hinter dem, was wir sagen und wie wir es sagen, steckt also eine gewaltige Kraft. Sprache formt nicht nur, wie wir über die Welt denken, sondern auch, wie wir uns in ihr fühlen und in ihr handeln. Hier im deutsch-dänischen Grenzland, wo neben Deutsch und Dänisch bei vielen noch andere Sprachen und Dialekte hinzukommen, spüren wir das besonders.

Und weil Sprache diese Kraft hat, benutzt Politik Sprache auch, um unser Denken und Handeln zu beeinflussen.

Etwa dann, wenn ganz selbstverständlich vom „Steuerdruck“ in Dänemark die Rede ist – und nicht, nur mal so als Idee, vom „großen Beitrag für die Gemeinschaft“, den hier die meisten Steuerzahlenden leisten.

Das negativ geladene Wort „Steuerdruck“ wurde schlicht so häufig von Politikerinnen und Politikern und anderen Steuersenkungs-Lobbyistinnen und Lobbyisten gestreut, dass es in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist. Auch Journalistinnen und Journalisten nutzen es, ohne darüber nachzudenken, dass es ein stark wertender Begriff ist.

Ähnlich werden zum Beispiel klar ausländerfeindliche Positionen in Dänemark regelmäßig als „einwanderungskritisch“ verharmlost. Beispiele für solche Sprachprogrammierung und ihre Macht gibt es wie Sand an Nord- und Ostsee.

Wenn wir Fehler machen, sollten wir den Mut haben, dies klar und unmissverständlich zuzugeben.

Cornelius von Tiedemann

Zurück zum Entschuldigen: Wenn eine öffentliche Figur sich nicht eindeutig entschuldigt, sendet sie uns die Botschaft, dass sie die volle Verantwortung nicht übernehmen will.

Ehrlichkeit erkennen wir entweder daran, dass die Person sagt, dass sie sich nicht schuldig fühlt und deshalb auch keinen Grund sieht, sich zu entschuldigen – oder daran, dass sie die Verantwortung für ihr Handeln übernimmt, genau erklärt, was sie falsch gemacht hat, und zeigt, dass sie versteht, warum es falsch war.

Und hier kommen dann Sprache und Handeln zusammen. Denn es geht nicht nur um Worte, sondern auch um Taten. Ein „Es tut mir leid“ muss durch Aktionen gestützt werden, die zeigen, dass die Person aus den Fehlern gelernt hat und sich bemüht, sie in Zukunft zu vermeiden.

Der sprachlichen Finte auf der Spur (Symbolbild) Foto: Midjourney

Ehrlichkeit einfordern

Sosehr sich manche Journalistinnen und Journalisten dann ärgern, wenn öffentliche Personen mit schonungsloser Offenheit einen Eklat deeskalieren: Wenn wir Fehler machen, sollten wir den Mut haben, dies klar und unmissverständlich zuzugeben. Es ist der einzige Weg, Vertrauen in die handelnden Personen und Institutionen aufzubauen und zu rechtfertigen.

Machen öffentliche Figuren folgenschwere Fehler, ist es gleichwohl – und gerade deshalb – unser aller Verantwortung, sie dafür zur Rechenschaft zu ziehen und nicht zuzulassen, dass sie sich durch rhetorische Kniffe aus der Verantwortung ziehen. Wer auf das Vertrauen der Öffentlichkeit setzt, sollte sich dieses durch Ehrlichkeit verdienen, nicht durch sprachliche Spitzfindigkeit, wie es leider zu oft der Fall ist.

Wir alle sollten unsere Worte sorgfältig wählen, damit sie unsere wahren Absichten und Gefühle widerspiegeln, nicht, um Menschen hinters Licht zu führen. Deshalb sollten wir stets auf der Hut vor jenen sein, die die Sprache spitzfindig missbrauchen.

In Zeiten, in denen ihnen Künstliche Intelligenz dabei hilft, ist es umso wichtiger, dass wir nicht nur neue Techniken, sondern auch die Sprache und ihre Macht lernen, erforschen – und lehren. Um in einer Welt voller „Bullshit“ auch in Zukunft den richtigen Riecher zu haben.

 

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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