Kultur

H.C.-Andersen-Preis: Russin soll Jury vorstehen – Empörung in der dänischen Heimat des Märchenkönigs

Umstrittene Russin soll H.C.-Andersen-Preis vergeben – Empörung in Dänemark

Empörung: Russin soll Jury bei H.C.-Andersen-Preis vorstehen

Odense
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Hans Christian Andersen gilt bis heute als bekanntester Schriftsteller Dänemarks. Unter anderem schuf er Werke wie „Des Kaisers neue Kleider“, „Die kleine Meerjungfrau“, „Der standhafte Zinnsoldat“ oder „Die Prinzessin auf der Erbse“. Andersen wurde 1805 in Odense geboren und starb 70 Jahre später in Kopenhagen. Foto: Georg E Hansen/Ritzau Scanpix

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Kinderbücher, Kriegspropaganda und das Königshaus: Eine renommierte Auszeichnung steht im Kreuzfeuer der Kritik. Der internationale Preis trägt einen dänischen Namen –und Odenses Bürgermeister fordert schnell Klarheit.

Odenses Bürgermeister will verhindern, dass eine russische Professorin Vorsitzende der Jury des nach H.C. Andersen benannten internationalen Kinder- und Jugendbuchpreises wird. Das berichtet „Danmarks Radio“.

Deshalb hat die Kommune Odense nun eine Beschwerde beim Internationalen Kuratorium für das Jugendbuch (Ibby) in Basel eingereicht, das den Preis jährlich vergibt.  

Der Preis, der den Namen des wohl berühmtesten Sohnes Odenses trägt, soll kommendes Jahr erneut vergeben werden. Der internationalen Jury vorstehen soll die russische Zeichnerin und Kunstprofessorin Anastasia Archipowa.

Russin ist Vorstandsmitglied in Verein, der Kriegspropaganda betreibt

Stein des Anstoßes: Archipowa ist zugleich Vorstandsmitglied beim Moskauer Verband für Künstlerinnen und Künstler, MOCX, der unter anderem durch einen Plakat-Wettbewerb aktiv Propaganda für den russischen Angriff auf die Ukraine betreibt.  

Der Preis dürfe nicht „auf diese Weise durch Kriegspropaganda besudelt werden“, heißt es in der Beschwerde aus Odense laut „DR“.

Peter Rahbæk Juel
Peter Rahbæk Juel Foto: Odense Kommune

Odenses Bürgermeister sieht Andersens Namen „besudelt“

„Wir sind der Meinung, dass das Verhalten, das die Juryvorsitzende dadurch an den Tag gelegt hat, ein Teil des Vorstandes der Moskauer Künstlerinnen- und Künstlervereinigung zu sein, mit den Wertegrundlagen vereinbar ist, für die H.C. Andersen und unsere Sicht auf ihn stehen“, sagt Peter Rahbæk Juel, sozialdemokratischer Bürgermeister in Odense.

Odense hat kein Mitspracherecht bei Ibby, dem Verband, der hinter der Preisvergabe steht. Doch der Bürgermeister meint, dass es wichtig sei, als mit dem Schriftsteller „unlöslich verbundene Stadt“ für dessen Werte einzustehen.

Archipowa hatte bereits zuvor zurückgewiesen, mit der Kriegspropaganda durch MOCX etwas zu tun zu haben. Sie wurde im September 2022 als Juryvorsitzende gewählt, doch mehrere nationale Mitgliedsverbände haben sich bereits dafür ausgesprochen, dass sie ihre Rolle aufgibt.

Anastasia Archipowa

Anastasia Archipowa

• seit 1986 Mitglied des Moskauer Künstlerverbandes
• Professorin an der Moskauer Akademie für Kunst und Industrie Stroganoff
• Preisgekrönte Illustratorin vieler Klassiker, unter anderem von den Brüdern Grimm, H.C. Andersen, Oscar Wilde und Charles Dickens. Ihre Werke wurden international veröffentlicht.
• 2006 bis 2020 ins Exekutivkomitee des Ibby gewählt
• Von 2010 bis 2020 war sie Mitglied der H. C. Andersen-Preis-Jury, für 2024 ist sie als Vorsitzende der Jury gewählt.
Quelle und Foto: Ibby.org

 

Königin Margrethe II.
Königin Margrethe II. bei der Neujahrsansprache am 31. Dezember 2022. Wenige Tage später verkündet das Königshaus ihren Ausstieg als Schirmherrin des Hans-Christian-Andersen-Preises. Foto: Keld Navntoft/Ritzau Scanpix

Königin Margrethe hat Ibby den Rücken gekehrt

Dänemarks Königin Margrethe II. war lange Schirmherrin des Preises. Diese Rolle hat sie jedoch aufgegeben, wie das Königshaus erst kürzlich mitteilte. „Der Grund ist, dass es derzeit in der Organisation einen Konflikt gibt, an dem sich die Königin natürlich nicht beteiligen kann“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Mittwoch.

Die schwedische Ibby-Präsidentin Margaretha Ullström hat „DR“ unterdessen mitgeteilt, dass es eine außerordentliche Vorstandssitzung des Weltverbandes am Dienstag geben werde.

Die Preisträgerinnen und Preisträger sollen bereits am 6. März 2023 auf der Kinder- und Jugendbuchmesse in Bologna bekannt gegeben werden.
 

 

Hans-Christian-Andersen Preis

  • Der H.C.-Andersen-Preis wurde erstmals 1956 vergeben und gilt als Äquivalent zum Nobelpreis im Bereich Kinder- und Jugendliteratur.
  • Der Preis wird in den Bereichen Literatur und Illustration vergeben.
  • Als einzige Dänin wurde Cecil Bødker 1976 mit dem Literaturpreis ausgezeichnet, 1972 bekam Ib Spang Olsen den Illustrationspreis, 1978 wurde Svend Otto S. damit ausgezeichnet.
  • Die Organisation Ibby, die hinter dem Preis steht, wurde 1953 unter anderem von Erich Kästner und Astrid Lindgren in Zürich gegründet und hat nationale Mitgliedsverbände rund um die Welt.
  • Bekannte Preisträgerinnen und Preisträger waren unter anderem Erich Kästner, Tove Jansson, James Krüss, Astrid Lindgren, Christine Nöstlinger und Tomi Ungerer.
  • Nicht zu verwechseln ist der alle zwei Jahre vergebene H.C.-Andersen-Preis mit dem Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis, der ebenfalls alle zwei Jahre zu Andersens Geburtstag am 2. April in Odense an Schriftstellerinnen und Schriftsteller vergeben wird. Dabei handelt es sich nicht um einen Preis speziell für Kinder- und Jugendliteratur.
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