Studentenmützen

„Studenterhue“: Regeln und Traditionen

„Studenterhue“: Regeln und Traditionen

„Studenterhue“: Regeln und Traditionen

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Apenrade/Aabenraa
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Der Abiturjahrgang 2022 am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig (Archivfoto). Foto: Karin Riggelsen

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Wer in Dänemark die Hochschulreife erlangt, feiert das mit einer Studentenmütze auf dem Kopf. Dabei gibt es zahlreiche Regeln für die Gestaltung der Mütze – und inzwischen feiern auch Azubis ihren Abschluss mit Kappe. Besondere Abzeichen gibt es unter anderem für Trinkfestigkeit.

In Deutschland haben Studentenmützen einen zweifelhaften Ruf – werden sie doch hauptsächlich von Mitgliedern studentischer Verbindungen getragen und gelten vielen als Ausdruck reaktionärer Weltanschauungen. In Dänemark wurde die deutsche Tradition vor langer Zeit übernommen – und abgewandelt. Wer hier einen Abschluss macht, setzt sich eine Schirmmütze auf. Zur Freude der Mützenfabrikanten breitet sich der Brauch inzwischen in allen Bildungs- und Ausbildungsbereichen aus. Vom Standardmodell bis zur Exklusivmütze variieren denn auch die Preise, die Schüler oder Eltern für die Hauben hinlegen müssen. Beim Branchenprimus Seifert zwischen etwa 600 und 1.200 Kronen, also 80 bis 160 Euro, bei anderen Anbietern gibt es auch günstigere Modelle.

Die Regeln, die für die Detail-Gestaltung der Mützen gelten, sind dabei hoch komplex – und dennoch irgendwie ernüchternd: Es geht vor allem um Prahlerei. Wer verträgt am meisten Alkohol, wer hat durchgefeiert, wer hat die besten Noten, wem musste der Magen wegen einer Alkoholvergiftung ausgepumpt werden, wer hatte ein Techtelmechtel mit einer Lehrkraft?

Der Abiturjahrgang 1990 am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig: Wer kein Grufti war, hatte eine Mütze auf. Foto: DN-Archiv

Die deutsche Minderheit war ein Spätentwickler in Sachen Studentenmütze

Bei der deutschen Minderheit in Nordschleswig haben sich die Mützen übrigens erst vor rund 30 Jahren durchgesetzt, berichtet Hauke Grella, Leiter des Deutschen Museums in Sonderburg. Anfang der 1960er Jahre sei das Thema im Deutschen Schul- und Sprachverein debattiert worden – und befunden, dass es sich um eine dänische Tradition handele, deren Übernahme einen schleichenden Prozess weg vom Deutschen hin zum Dänischen einleiten könne.

Ein Ausdruck des damaligen Geistes in der Minderheit – der jedoch längst verweht ist.

Schon Ende der Siebziger Jahre tauche die Mütze immer häufiger auf offiziellen Abiturfotos auf – wenn auch nicht auf dem Kopf getragen, sondern in den Händen oder auf dem Schoße liegend.

Hans Thomas Lorenzen, Absolvent des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN)  erinnert sich an die frühen 1970er Jahre: „Die ,Studentenmütze' haben sich bereits anfangs der 70er die meisten am DGN besorgt; mit Ausnahme derer, die gegen den überzogenen Kommerzpreis protestierten. Zu den Klassenfotos haben wir sie allerdings nicht getragen.“

Ende der 1980er Jahre dann, berichtet Grella, begann die Mütze ihren Siegeszug auch auf den Abschlussfotos des DGN. Zunächst noch vereinzelt auf den Köpfen zu sehen, ist sie heute fester Bestandteil des Abiturienten-Outfits auch in der deutschen Minderheit.

Die Geschichte der Mütze

In Dänemark wurde die Mütze nach deutschem Vorbild in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär. Bekannt ist besonders die Firma C. L. Seifert, benannt nach ihrem Gründer Carl Ludwig Seifert, einem deutschen Einwanderer. Er machte die weiße Mütze mit schwarzem Schirm 1865 populär. Dass Abiturfeiern mit Mütze begangen werden, ist allerdings eine jüngere Tradition, ursprünglich waren die Mützen ein Wiedererkennungssymbol für Universitätsstudenten. Vollständig durchgesetzt hat sich der Brauch der Abiturs-Mütze erst in den 1970er und 1980er Jahren, also deutlich später als zum Beispiel in Schweden. Hersteller wie ABC oder Wiberg haben später die Verbreitung individualisierter Mützen forciert.

Studentenmützen
Verschiedene Studentenmützen und ihre Abzeichen. Foto: CLSeifert.com

Das bedeuten die Farben

Die Studentenmützen in Dänemark haben zwei wesentliche Merkmale: die Farbe und das Abzeichen auf der Mütze.

Die klassischen Abschlüsse:

  • Abitur (STX, nach drei Jahren Oberstufe): Bordeauxrot mit Dannebrog-Kreuz
  • Höheres Vorbereitungsexamen (HF, nach zwei Jahren): Wasserblau mit Dannebrog-Kreuz
  • Höheres Handelsexamen (HHX, nach drei Jahren): Kobaltblau mit Merkurstab
  • Höheres Technisches Examen (HTX, nach drei Jahren): Grün mit Silberbuchstaben „HTX“
  • Abschluss der 10. Klasse (selten): Grün mit Dannebrog-Kreuz
  • Handelsschule Grundausbildung (HG): Lila mit Merkurstab

In jüngerer Zeit hinzugekommen:

  • EUD (Berufsschule): Lila mit Silberbuchstaben „EUD“
  • EUX (Berufsschule): Grau mit Silberbuchstaben „EUX“
  • STU (Ausbildung für Schüler mit besonderen Bedürfnissen): Gestreift rosa bis blau mit Dannebrog-Kreuz
  • Friseur-Ausbildung: Rosa mit Schere
  • Erzieher (PAU, Pädagogischer Assistent): Orange mit orangenen Buchstaben „PAU“
  • Altenpfleger-Gehilfe (SOSU-Hjælper): Helllila mit Ausbildungssymbol
  • Altenpfleger (SOSU-Assistent): Dunkellila mit Ausbildungssymbol
  • Ernährungsberater (Ernæringsassistent): Gelb mit Dannebrog
  • Landwirt: Vollständig braune Mütze mit Traktor-Symbol oder grün mit Traktor-Symbol
  • Gärtner: Vollständig grüne Mütze mit Gärtner-Symbol
  • Maurer: Vollständig beige mit Maurer-Symbol
  • Pädagoge: Vollständig lila mit Pädagogie-Symbol

Abiturienten, die fünf oder mehr Fächer im Leistungskurs abgeschlossen haben, tragen eine komplett schwarze Mütze mit Dannebrog-Kreuz.

 

Das sind die Regeln für die Mützen

Auf der Internetseite studenterhueregler.dk sind die meisten der Regeln aufgelistet, die es heute für Studentenmützen in Dänemark gibt. Hier einige Beispiele:

Glück und Unglück:

  • Die Mütze darf nicht aufgesetzt werden, bevor das letzte Examen bestanden wurde.
  • Der Kopfteil der Mütze muss mit den Unterschriften aller Klassenkameraden versehen sein.
  • Es bringt Glück, wenn Freunde Grüße auf die Mütze schreiben.
  • Es bringt Glück, wenn Freunde einen Beißabdruck auf dem Schirm hinterlassen.

Bier und Trinkfestigkeit:

  • Wer den größten Kopfumfang hat, muss der Klasse eine Kiste Bier ausgeben – ebenso der, der den kleinsten Kopfumfang hat, wer den besten oder den schlechtesten Notenschnitt hat.
  • Wer innerhalb von 24 Stunden eine Kiste Bier geleert hat, darf einen Kronkorken an seiner Mütze anbringen und/oder ein Viereck am Schweißband tragen.
  • Wer nach dem Trinken einer Kiste Bier einen Sonnenaufgang erlebt hat, darf ein Haus-Symbol am Schweißband der Mütze tragen.
  • Wer sich betrunken eingenässt hat, muss seine Mütze als Bierkrug benutzen.
  • Wem der Magen wegen einer Alkoholvergiftung ausgepumpt wurde, der muss den Schirm der Mütze abschneiden.

Sex und Liebe:

  • Wer mehr als fünf Telefonnummern an einem Abend einsammelt, wendet den Bezug der Mütze, so dass das Symbol nach hinten zeigt.
  • Wer eine gleichgeschlechtliche Person küsst, trägt das Kreuz umgekehrt.
  • Wer ein Techtelmechtel mit einer Lehrkraft hatte, entfernt den weißen Überbezug der Mütze.
  • Wer mit einer Krankenschwester oder einem Arzt anbandelt, der reißt den Kinnriemen ab.

Weitere Regeln:

  • Für jede durchgemachte Nacht gibt es einen Schnitt ins Schweißband der Mütze.
  • Wer im Abschlusszeugnis eine Note unter 02 hat, muss den Kinnriemen tragen.

Anmerkung der Redaktion: Der Artikel ist zum ersten Mal am 22. Juni 2017 im „Nordschleswiger“ erschienen.

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