Minderheitenpolitik

Haus Nordschleswig lädt zur Diskussion ein

Haus Nordschleswig lädt zur Diskussion ein

Haus Nordschleswig lädt zur Diskussion ein

Nele Dauelsberg
Apenrade/Aabenraa
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Bei Wein und Wasser warten die Gäste darauf, dass das Politische Forum beginnt. Foto: Nele Dauelsberg

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Was ist Minderheitenschutz? Warum ist das wichtig? Und wie können Minderheitenrechte im nationalen Parlament vertreten werden? Diese und viele weitere Fragen wurden am Montag beim Politischen Forum im Haus Nordschleswig beantwortet.

Die Mitglieder sowohl der deutschen als auch der dänischen Minderheit sind eine Gemeinschaft. Sie leben frei in den Staaten. Was viele Menschen bereits als Selbstverständlichkeit ansehen, war nicht immer so.

„Minderheitenschutz gibt es schon sehr lange“, erklärte die Lektorin des juristischen Instituts der Syddansk Universitet, Ulrike Fleth-Barten, bei ihrem einleitenden Fachvortrag im Rahmen des politischen Forums am Montagabend.

Schon vor der Veranstaltung mischt sich Harro Hallmann unter die Besucher im Vorraum und unterhält sich mit ihnen über Politik. Foto: Nele Dauelsberg

„Doch das ist nicht das Gleiche wie Minderheitenrechte. Die wurden erst nach dem Ersten Weltkrieg niedergeschrieben und sorgen im Wesentlichen dafür, dass wir hier deutsche Schulen haben, uns treffen können und es beispielsweise den Südschleswigschen Wählerverband gibt.“

Nach ihrem Vortrag äußerten sich auch der Spitzenkandidat des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) für die deutsche Bundestagswahl, Stefan Seidler, und der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit, Harro Hallmann.

Bevor eine spannende Diskussion beginnen konnte, berichteten beide von ihrer Arbeit. Sie erklärten, wie sie die Minderheit vertreten, was daran wichtig ist und sprachen von ihren Plänen in der Zukunft.

Ein politischer Abend mit Wein und Orangensaft

Die Wolken ziehen sich zusammen, der Himmel verdüstert sich und Regentropfen färben den Asphalt. Doch obwohl es vor der Tür des Hauses Nordschleswig immer dunkler zu werden scheint, strömen die Leute gut gelaunt herein.

Bei kühlen Getränken stimmen sich die ersten Gäste auf den Abend ein. Foto: Nele Dauelsberg

In kleinen Gruppen zusammenstehend unterhalten sie sich vor allem über Politik. „Das wird eine spannende Bundestagswahl“, erzählt eine Frau eifrig den um sie herumstehenden Menschen. „Zum ersten Mal seit Langem kann die Kanzlerin nicht wiedergewählt werden.“

An einem kleinen Getränkewagen bedienen sie sich mit Wein, Wasser und Orangensaft. Die Stimmung ist ausgelassen.

Einige Minuten vor 19 Uhr schlendern die Gäste nach und nach in den Vortragsraum und füllen die Stühle. Gespannt auf die nächsten Stunden, kehrt im Haus Nordschleswig erwartungsvolle Stille ein.

Büchereidirektorin Claudia Knauer freut sich, dass nach der langen Corona-Pause endlich wieder so zahlreiche Menschen in das Haus Nordschleswig gehen können. Foto: Nele Dauelsberg

Minderheiten aus Sicht der Wissenschaft

Nach ein paar einleitenden Worten der Büchereidirektorin Claudia Knauer, übernimmt Ulrike Fleth-Barten das Wort. „Minderheiten ernst nehmen“, ist nicht nur der Titel ihres Vortrags, sondern auch die Einleitung der Wissenschaftlerin in den Abend.

Sie erklärt innerhalb von 30 Minuten historische Hintergründe sowie komplexe wissenschaftliche Theorien rund um Minderheiten interessant und leicht verständlich.

Ulrike Fleth-Barten ist selbst früh zur Deutschen Schule Tingleff und danach auf das Deutsche Gymnasium für Nordschleswig gegangen. Foto: Nele Dauelsberg

„In der Vergangenheit sehen wir den Minderheitenschutz oft bei Religionen. Damit erhoffte man sich meistens eine Prävention von Aufständen oder Ähnlichem“, erklärt Fleth-Barten unter anderem. Sie spricht von mehreren Schritten der Minderheitsrechte, von der Relevanz schriftlich festgehaltener Rechte und vielem mehr.

Das Publikum hört ihr dabei aufmerksam zu. Von einigen ist leises Kratzen von Stiften auf Papier oder ein zustimmendes „Ja“ und „Hm“ zu hören. Die meisten nicken hin und wieder oder schauen nachdenklich auf die von Fleth-Barten vorbereiteten Folien.

Politische Arbeit für die Minderheiten

„Realitätsnah“ ist ein Wort, was im Laufe des Abends noch häufiger Fallen wird. So beschreibt es die Arbeit des Politikers Stefan Seidler und des Leiters des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit, Harro Hallmann.

Angefangen mit Seidler, berichtet dieser von dem nächsten großen Herausforderung seiner Partei: die Bundestagswahl. „Minderheiten sind in Berlin nicht stark genug vertreten“, beklagt der Schleswig-Holsteiner. Deshalb möchte er als Spitzenkandidat über das Mandat in den Bundestag einziehen.

Er wolle Skandinavien als Vorbild für die Entscheidungen nehmen und endlich dafür sorgen, dass die dänischen Südschleswiger gesehen werden. Doch nicht nur für die eigene Minderheit möchte er sich einsetzen, sondern für alle in Deutschland.

Stefan Seidler geht in seiner kurzen Rede auch auf Punkte seiner Vorrednerin ein. Foto: Nele Dauelsberg

Nach kurzem Applaus und sichtbarer Anerkennung durch das Publikum setzt sich Seidler und macht Platz für den letzten Redner des Abends. Harro Hallmann ist ein bekanntes Gesicht im Haus Nordschleswig.

Der Leiter der Sekretariats geht auf eine andere Schiene als Seidler. Es sei wichtig, Präsenz zu zeigen, ein Teil des politischen Geschehens zu sein. „Wenn man zu sehr mitspielen möchte, macht man sich viele Feinde!“, schließt er seine kurze Rede ab.

Das stärker werdende Kratzen der Stifte der Zuhörer signalisiert, dass er mit diesem Schlusssatz eine gute Grundlage für die Diskussion geliefert hat.

Angeregte Diskussion und kritische Fragen

Kaum ein Moment vergeht, nachdem sich Hallmann gesetzt hat, bis der erste Finger nach oben schnellt. Frage um Frage werfen Besucher und Vortragende den imaginären Gesprächsball hin und her.

Während sich einige dabei möglichst kurzfassen, scheinen andere die Welt um sich herum zu vergessen. Sie stehen auf, wenden sich dem Publikum zu und schweifen in Erörterungen und Reden ab.

Trotzdem verlieren weder die Besucher noch die Vortragenden den Faden. So erklärt Seidler, dass der SSW nicht mit der AfD zusammenarbeiten wird, Ulrike Fleth-Barten erzählt von Grönland und deren Abneigung, eine Minderheit zu werden, und Hallmann kritisiert, dass wissenschaftliche Arbeit oft realitätsfern sei.

Immer wieder ergänzt das Publikum mit eigenem Wissen und treibt so die Diskussion voran.

Das Haus Nordschleswig ist der Sitz zahlreicher Einrichtungen für viele Mitglieder der deutschen Minderheit in Dänemark. Foto: Nele Dauelsberg

Am Ende noch ein Schlückchen Wein

Nachdem die letzten Fragen geklärt und alle Anmerkungen ausgesprochen wurden, bedankt sich die Büchereidirektorin der Deutschen Büchereien Nordschleswig bei den Gästen und den Vortragenden. „Wer möchte, kann gerne noch bleiben und bei einem Schlückchen Wein den Abend ausklingen lassen“, lädt Knauer ein.

Das Geräusch rückender Stühle und wildes Geplauder erfüllen den Raum. In Ruhe gehen die Ersten in den Vorraum, um sich über die Vorträge und die neuen interessanten Dinge, die sie gelernt haben, zu unterhalten.

Mit Saft oder Wein in der Hand bleiben die meisten noch eine Weile, bevor sie sich voneinander verabschieden. Mittlerweile hat sich der Himmel aufgeklart, und die trockene Abendluft ist nun bereit für die Heimreise.

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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