Interview

Wie Lars Friis Cornett am Fehmarnbelt Grenzen überwindet

Wie Lars Friis Cornett am Fehmarnbelt Grenzen überwindet

Wie Lars Friis Cornett am Fehmarnbelt Grenzen überwindet

Apenrade/Berlin
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Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen lässt sich von Lars Cornett den Baufortschritt zeigen
Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen lässt sich von Lars Cornett den Baufortschritt zeigen. Foto: Femern A/S

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Der Deutschland-Direktor bei Femern A/S ist ein Kind der deutschen Minderheit. Im Interview mit dem „Nordschleswiger“ spricht der gebürtige Apenrader darüber, wie ihm die beiden Kulturen bei seiner Arbeit helfen, was ihm Nordschleswig bedeutet und warum der Fehmarnbelttunnel keine Gefahr für Jütland ist.

„Der Nordschleswiger“ titelte im August 2017: „Nordschleswiger wird neuer Botschafter für das Fehmarnbelt-Projekt“. Sieben Jahre ist Lars Friis Cornett inzwischen als Deutschland-Direktor von Femern A/S Bindeglied zwischen Deutschland und Dänemark – hauptsächlich um zu informieren und zu vermitteln. Dabei ist der gebürtige Nordschleswiger so eingebunden, dass das Interview mit dem „Nordschleswiger“ schriftlich geführt werden musste. 

Enges Band nach Nordschleswig

Der Sohn von Andreas Cornett und Ilse Friis lebt heute in Berlin, ist aber regelmäßig im Grenzland. Dafür gebe es viele Gründe, sagt der 47-Jährige. „Meine Familie lebt größtenteils in Apenrade, und auch viele meiner besten Freunde sind Nordschleswig treu geblieben.“ 

Doch egal, ob er in Kopenhagen, Berlin oder sonst wo lebe, er sei durch und durch Nordschleswiger und Sønderjyde. „Das ist meine Identität. Wenn ich gefragt werde, was meine Muttersprache ist, sage ich immer Deutsch und Dänisch.“ Aber eigentlich sei seine Muttersprache „synnejysk“, verrät er. „Das ist die Sprache, in der ich mit mir selbst spreche – und das sind ja schließlich die wichtigsten Gespräche…“

Was er im Vergleich zu Berlin am meisten vermisst? „Die kurzen Wege und die Ruhe. Was vermisse ich am wenigsten? Die manchmal zu kurzen Wege und die manchmal zu große Ruhe.“

Lars Cornett ist Abiturient des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, studierte Politikwissenschaften und internationale Beziehungen u.a. in Aarhus und Berlin, trat 2006 in den Dienst des dänischen Außenministeriums und war seit 2008 an der dänischen Botschaft Berlin tätig, in den letzten Jahren als leitender Mitarbeiter in der Wirtschaftsabteilung.

Lars Friis Cornett
Lars Friis Cornett (rechts) mit seinen Eltern Andreas Peter Cornett und Ilse Friis anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an seine Mutter. Foto: Privat

Zwei Kulturen sind ein klarer Vorteil

Sein Minderheiten-Background hilft Lars Friis Cornett heute bei seinen Aufgaben als Deutschland-Direktor bei Femern A/S. Seine wichtigste Aufgabe: Den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels zu unterstützen. Gemeinsam mit seinem Team informiert und vermittelt er rund um das Bauprojekt. „Das betrifft eine große Bandbreite – von höchster politischer Ebene bis zu den Anwohnern der deutschen Baustelle. Mein Fokus liegt dabei vor allem auf dem Vermitteln zwischen Deutschland und Dänemark: Das können beispielsweise Fragestellungen im politischen Bereich oder behördliche Herausforderungen sein, die es zu regeln gilt.“

Beide Sprachen, Kulturen und Gesellschaften gut zu kennen, helfe ihm natürlich sehr bei der Arbeit, wie er sagt. „Einerseits bin ich in Nordschleswig von klein auf regional verankert, aber von meinem Mindset bin ich schon immer europäisch und international ausgerichtet gewesen. Das spiegelt sich auch in meinem internationalen Werdegang im dänischen Außenministerium und in meinen Interessen wider.“

Synnejysk ist die Sprache, in der ich mit mir selbst spreche – und das sind ja schließlich die wichtigsten Gespräche …

Lars Friis Cornett

Vermittler zwischen Deutschland und Dänemark

Das Fehmarnbelt-Projekt passe für ihn daher wie die Faust aufs Auge, weil es einerseits ein regionales, andererseits aber auch ein zutiefst europäisches Projekt sei. „Ich verstehe mich als Vermittler zwischen Dänemark und Deutschland. Ich bin eine Art Tunnel-Botschafter.“

Ob er Unterschiede zwischen Deutschen und Dänen ausmachen kann? Ja, kann er. „Ich bin mit einer Deutschen verheiratet und lebe schon lange in Deutschland. Ich mag die Deutschen also schon sehr. Dennoch denke ich, vor allem bei Infrastrukturprojekten sind die Dänen manchmal etwas pragmatischer und konsensorientierter.“ 

Warum das so ist, darüber kann Lars Cornett nur mutmaßen. „Vielleicht haben die Dänen ein etwas größeres Vertrauen in den Staat. Oder der Grund liegt in den guten Erfahrungen, die man in Dänemark mit großen Infrastrukturprojekten gemacht hat. Im Umkehrschluss ist das vielleicht auch einer der Gründe, warum in Deutschland so häufig gegen Infrastrukturprojekte geklagt wird.“

Ein Ereignis in seiner Zeit als Deutschland-Direktor ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: der 3. November 2020. „An dem Tag hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig alle Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss abgewiesen. Das war ein großartiger Tag, denn von da an hatten wir nicht nur in Dänemark, sondern auch in Deutschland Baurecht für den Fehmarnbelt-Tunnel.“

Ich bin mit einer Deutschen verheiratet und lebe schon lange in Deutschland. Ich mag die Deutschen also schon sehr. Dennoch denke ich, vor allem bei Infrastrukturprojekten sind die Dänen manchmal etwas pragmatischer und konsensorientierter.

Lars Friis Cornett

Deutliche Baufortschritte in Puttgarden

Bis dato war der Widerstand gegen das Projekt vor allem auf der Insel Fehmarn groß. Seither liest man viel über den Baubeginn auf dänischer Seite und hört häufig, auf deutscher Seite gehe es nur schleppend voran – etwa bei der Hinterlandanbindung der Bahn. 

Lars Cornett kann das offenbar nicht mehr hören. „Es glauben immer alle, dass es auf der deutschen Seite so schleppend läuft. In Wirklichkeit ist der Fortschritt auf der deutschen Tunnelbaustelle ebenfalls beachtlich“, sagt der 47-Jährige. So habe er kürzlich Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen die Baustelle in Puttgarden zeigen dürfen. Dieser sei ganz begeistert von dem gewesen, was er dort gesehen hat. „Die deutsche Tunneleinfahrt nimmt hier ganz sichtbar Gestalt an – der Tunnel nach Dänemark wird ja schließlich von beiden Seiten gebaut“, so Cornett. 

Fehmarnbeltquerung
Die Tunnelbaustelle auf deutscher Seite in Puttgarden. Rechts ist das Fährterminal zusehen. Foto: Femern A/S

Chancen eines zweiten Grenzlandes am Belt

Dass nach der Fertigstellung beide Länder noch etwas näher aneinander rücken und ein zweites Grenzland entstehen kann, daran glaubt Lars Cornett fest. „Wenn man künftig durch den Fehmarnbelt-Tunnel in sieben Minuten mit dem Zug oder in zehn mit dem Auto auf der jeweils anderen Seite sein kann, verändert das die Ausgangsbedingungen fundamental. Die physische Barriere in der Region spielt dann eine viel geringere Rolle, und es eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten – für den Tourismus, die individuelle Mobilität, den Handel mit Dänemark und ganz Skandinavien, aber auch für kleine und mittelständische Betriebe auf beiden Seiten des Belts.“

Auch im Bildungsbereich werde es beim Thema Ausbildung und Studium neue Chancen für junge Menschen geben, ist der Nordschleswiger überzeugt. „Wer auf Lolland und Falster wohnt, für den wird Lübeck der nächstgelegene Hochschulstandort sein. Das geht also in beide Richtungen und die Potenziale sind vielfältig.“ 

Zwei Länder, zwei Systeme, unterschiedliche Anforderungen

Lars Cornett gibt jedoch auch zu bedenken, dass es nicht nur 18 Kilometer Wasser sind, die es zu überbrücken gilt. „Das kennen wir ja auch aus dem ‚alten‘ Grenzland. Es bleiben zwei verschiedene Länder, mit ihren ganz eigenen Systemen, Traditionen und Anforderungen.“ 

Besonders wichtig seien daher die vielen Projekte aus dem Interreg-Programm der EU – etwa um Verbindungen zu schaffen, Kooperationen anzustoßen und zu vertiefen sowie Kenntnisse zu mehren. Am Ende sollen diese „auch Mut und Lust auf Aktivitäten mit Partnern in den Nachbarregionen machen“. 

 

Ich bin fest davon überzeugt, dass durch ein engeres Zusammenwachsen von Deutschland und Dänemark – und im Übrigen auch Schweden – der ganze Norden profitieren wird.

Lars Friis Cornett

Bestehendes Grenzland ist Vorbild 

Vorbild für das Zusammenwachsen sei vielen das deutsch-dänische Grenzland, sagt Cornett. Dabei werde die deutsche Minderheit in Dänemark im Speziellen aus seiner Sicht nicht so sehr wahrgenommen, wohl aber das Grenzland im Allgemeinen. „Hier haben die nationalen Minderheiten eben eine besondere Rolle. Sie helfen auch zu verstehen, wie man ein gut funktionierendes Grenzland organisiert und an welchen Stellschrauben man drehen muss“, sagt Cornett auf die Frage, inwieweit die Minderheit beim Entwickeln von Strukturen beratend tätig werden könnte. 

Lars Friis Cornett
Lars Friis Cornett bei einem Vortrag auf einer Konferenz in Lübeck Foto: Femern A/S

Nordschleswig wird nicht abgehängt

Wenn der Tunnel 2029 fertig ist, gibt es nicht wenige, die befürchten, dass die deutsch-dänische Grenzregion wirtschaftlich und verkehrstechnisch abgehängt wird. Erste Lücken im grenzüberschreitenden Bahnverkehr tun sich bereits auf. Lars Friis Cornett sieht in dem Tunnel keine Probleme für die Region. „Ehrlich gesagt sehe ich es nicht als Wettbewerb ‚Fehmarnbelt gegen Jütland‘. Ich bin fest davon überzeugt, dass durch ein engeres Zusammenwachsen von Deutschland und Dänemark – und im Übrigen auch Schweden – der ganze Norden profitieren wird.“ 

Durch den Fehmarnbelt-Tunnel entstünden neue Märkte und Synergien. Das sei aber kein Nullsummenspiel, wo eine Region verliert, was die andere gewinnt. „Es ist ein Wachstumsmotor und eine Zukunftssicherung für uns alle. Es geht hier nicht nur um die Metropolregionen, sondern insbesondere und vor allem um die Regionen dazwischen – hierzu zählt auch Nordschleswig.“ 

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