Kultur

Brandaktuelle Fragen quälen die Bühnen-Familie des DGN

Brandaktuelle Fragen quälen die Bühnen-Familie des DGN

Brandaktuelle Fragen quälen die Bühnen-Familie des DGN

Apenrade/Aabenraa
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DGN Theater
Szene aus dem Theaterstück „Restleben“. Foto: Karin Riggelsen

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Die Theater-AG des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN) sorgt mit ihrer Inszenierung des Stückes „Restleben“ von Jörn Klare für große Begeisterung. Gekonnter Einsatz technischer Mittel, kreative und fein auf die Situation angepasste Musikeinlagen sowie überzeugende Darbietungskunst beeindrucken das Publikum. Die Autorin hat sich das Stück angesehen.

Die Stühle in der Aula sind fast bis auf den letzten Platz besetzt, als es plötzlich stockfinster wird. Während das Publikum versucht, auf der Bühne etwas zu erkennen, erscheinen die Darstellerinnen und Darsteller im Saal hinter dem Publikum. Mit Taschenlampen schleichen sie mitten durch die Menge und leuchten in die Reihen. Spannung überrollt die Aula.

Das Stück, das unter der Leitung von Josephine Lorenzon, Anne Lildholdt und Susanne Kirste entstanden ist, lässt sich als Science-Fiction-Tragikomödie beschreiben und behandelt hochaktuelle Themen. Das Publikum wird in eine Welt versetzt, in der Algorithmen längst der Grundstein jeder Entwicklung sind. Alles unterliegt dem Grundsatz: „Nur was sich messen lässt, das zählt, und das Wort Gerechtigkeit leitet sich von rechnen ab.“

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Großvater Rainer erzählt von früher. Foto: Karin Riggelsen

Diese Berechnungen haben nun dafür gesorgt, dass eine Familie – bestehend aus den Eltern Rosa und Pascale, ihren Kindern Oriana und Troy samt seiner Freundin Chatacka sowie dem Großvater Rainer – sich plötzlich in einem Raum wiederfindet, in dem ebendiese alles bestimmenden Algorithmen außer Kraft gesetzt sind.

Der Raum wird videoüberwacht. Die Kamera, die das Bild der Bühne auf eine Leinwand oberhalb der Bühne überträgt, ist auf einem Stativ befestigt. Essen wird den Insassen unregelmäßig in Form von grünen Würfeln durch eine Luke gereicht.

Radikale Wort-Ökonomistin

Im Gegensatz zu den anderen Charakteren ist Chatacka ein sogenanntes Glaskind. Ihre DNA wurde vor ihrer Geburt optimiert. Sie ist unter anderem auf Effizienz getrimmt und daher eine radikale Wort-Ökonomistin. Sie spricht nicht in ganzen Sätzen, diese werden schließlich ohnehin von einem Worterkennungsprogramm ergänzt. „KdK – Kraft durch Kürze“, ist ein frühes Zitat Chatackas. Auch Troy bedient sich dieser Sprache.

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Chatacka ist ein sogenanntes „Glaskind". Foto: Karin Riggelsen

Die Situation erfordert, dass die Generationen sich miteinander auseinandersetzen. Die unterschiedlichen Wertesysteme prallen aufeinander. Häufig im Mittelpunkt des Geschehens befindet sich der Großvater Rainer, ein alter Hippie, der die Entwicklungen in der heutigen Welt verurteilt. In seinem Versuch, die restlichen Familienmitglieder von den Vorzügen eines freien, selbstbestimmten Lebens zu überzeugen, fährt er auch mal gehörig aus der Haut. Diese wunderbar gespielte Szene ist ein absolutes Highlight des Theaterstücks.

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Alt-Hippie Rainer sorgt für einige Lacher. Foto: Karin Riggelsen

Es wird spekuliert, was der Grund dieses Zusammentreffens ist, aus dem sie nicht entkommen können, und ob es sich womöglich um ein Experiment handelt. 

Das Stück stellt aktuelle Fragen unserer Zeit: Wohin führt der immer weiter fortschreitende Optimierungswahn? Wie ist mit der drohenden Ressourcenknappheit umzugehen? Und werden wir Menschen immer stärker selektiert? Doch nach welchen Kriterien könnte das ablaufen? Nach der jeweiligen Gesundheit, der sozialen Vernetzung oder der allgemeinen Verdienste etwa? Würde Großvater Rainer dem Selektierungsprozess aufgrund seines fortgeschrittenen Alters zum Opfer fallen?
Unweigerlich stellt das Stück die Frage nach dem Wert des Lebens.

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Mutter Rosa (rechts) und Sohn Troy (links) Foto: Karin Riggelsen

Diese brandaktuellen Fragen quälen auch die Bühnen-Familie. Als die Idee entsteht, eine Person aus der Runde zu opfern, um das Experiment zu beenden, fällt die Wahl nach Abstimmung auf Großvater Rainer.

Technisch setzt das Bühnen-Team auf seltene Elemente. So wird jeder Charakter von zwei Schauspielenden dargestellt, weil das Stück für weniger Darstellerinnen und Darsteller ausgelegt ist, als es Mitglieder der Theater AG gibt. Der Wechsel wird von einem speziellen Ton angekündigt, der mithilfe eines Sägeblatts erzeugt wird, auf dem die Musikerin so tut, als handele es sich um ein Cello.

Trotz der Ernsthaftigkeit und Brisanz der Thematik kommt der Humor nicht zu kurz. Obwohl die Situation eine gewisse Tragik mitbringt, bricht das Publikum immer wieder in herzliches Lachen aus. Der von zwei Schauspielerinnen gespielte Rainer, der alte Hippie, ist häufig der Auslöser.

 

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Handelt es sich um ein Experiment? Foto: Karin Riggelsen

Die Musikerinnen und Musiker begleiten das Spiel auf der Bühne konsequent mit passenden musikalischen Einlagen, sowohl instrumental als auch vokal.

Das Stück endet mit einer Szene, in der die zwei Orianas im Mittelgang schwankend aufeinander zu balancieren und sich schlussendlich umarmen. Diese Szene wird von dem leise gesungenen Lied „I can see clearly now“ von Jimmy Cliff begleitet.

Beeindruckende Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler, passende, charakteristische Kostüme, perfekt abgestimmte musikalische Begleitung und einwandfrei funktionierende Technik sorgen für ein einzigartiges Theatererlebnis.

Die Vorstellungen des Stücks „Restleben" fanden am 6., 7. und 8. März jeweils in der Aula des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig in Apenrade statt.

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