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Eigener Ausschuss: Deutsche Minderheit mit einem Bein im Folketing

Eigener Ausschuss: Deutsche Minderheit mit einem Bein im Folketing

Eigener Ausschuss: Minderheit mit einem Bein im Folketing

Kopenhagen/Apenrade
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Der BDN hat sich dafür eingesetzt, dass der Vorsitz des neuen Ausschusses von einem oder einer Abgeordneten statt vom Kulturminister übernommen wird. Foto: Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix

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Der Kontaktausschuss als Gremium im Kulturministerium wird abgeschafft. Dafür kommt ein Ausschuss für die deutsche Minderheit, der direkt im Folketing beheimatet sein wird. Damit ist die Minderheit so nah am dänischen Parlament wie seit den 1960er- und 1970er-Jahren nicht.

Das Bindeglied zwischen der deutschen Minderheit und dem Folketing ist der Kontaktausschuss. Er ist seit 1965 der wichtigste Draht, den die Minderheit ins dänische Parlament hat. Dieser wird künftig noch kürzer, der Rahmen dafür ist gesetzt. Das geht aus einem aktuellen Bericht des Folketing-Vorsitzenden Søren Gade hervor. 

Denn der Kontaktausschuss wird abgeschafft. Stattdessen wird ein eigener Ausschuss für die deutsche Minderheit eingerichtet, der direkt im Folketing angesiedelt ist. 

Die Lobby der Minderheit zieht vom Kulturministerium direkt ins Folketing

Der Kontaktausschuss wurde 1965 ins Leben gerufen, nachdem die Schleswigsche Partei nicht mehr ausreichend Stimmen generieren konnte, um ein Mandat im Folketing zu besetzen. Danach gab es noch ein letztes Folketingsmandat für Jes Schmidt (1973 bis 1979) in einem Huckepackverfahren mit den Zentrumdemokraten (CD).

„Aus meiner Sicht kommt nichts an einen eigenen Abgeordneten bzw. eine eigene Abgeordnete heran“, betonte der Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen, Harro Hallmann, bereits mehrere Male in Gesprächen mit dem „Nordschleswiger“. Vor dem Hintergrund, dass das jedoch ein derzeit unrealistisches Szenario ist, sei die Lösung mit einem eigenen Sekretariat und dem Kontaktausschuss der Plan B.

Als Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen hat Harro Hallmann maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Minderheit jetzt einen eigenen Ausschuss im Folketing bekommt. Foto: Karin Riggelsen

Sie zusammen bildeten seit den 60er-Jahren die Lobby der Minderheit. Dass der Kontaktausschuss nun durch einen eigenen Ausschuss im Folketing ersetzt wird, ist eine sehr bedeutende Neuigkeit für die Minderheit und den Bund Deutscher Nordschleswiger (BDN) als ihr Dachverband. Denn die Volksgruppe rückt damit so nah ans Folketing wie seit den 60ern nicht.

„Dieser Ausschuss ist genau das, was wir uns gewünscht haben“, sagt Harro Hallmann. Es ist jetzt fast genau drei Jahre her, dass der Hauptvorstand des BDN beschlossen hat, sich in Kopenhagen für eine Stärkung des Kontaktausschusses einzusetzen.

Drei Jahre – das klingt viel. „Es gab viele Hürden, die genommen werden mussten.“ Das erfordere viel Ausdauer, „aber umso mehr freut es mich, dass unser Anliegen jetzt durch ist.“ 

Aber was genau wird sich ändern?

Erst einmal klingt es komisch: Eine der Änderungen wird sein, dass die Minderheit jetzt keine eigenen Vertreter oder Vertreterinnen im neuen Ausschuss haben wird. Im Kontaktausschuss wurden immerhin drei der Mitglieder vom BDN gestellt. 

Das sei eine der Hürden gewesen, die Harro Hallmann meinte. Ein Ausschuss im Folketing kann nur aus gewählten Abgeordneten bestehen. „Die Lösung, die wir jetzt gefunden haben, ist aber gut und in unserem Sinne, denn wir können trotzdem an den Sitzungen teilnehmen.“ Und das ist auch dringend erforderlich, denn die Aufgabe des Ausschusses ist, sich im Parlament für die Interessen der Minderheit einzusetzen – ohne Vertreterinnen und Vertreter der Volksgruppe sähe die Tagesordnung der Ausschuss-Sitzungen also leer aus. 

„Ein ganz entscheidender Unterschied“, so erklärt es Harro Hallmann dem „Nordschleswiger“, „ist, dass künftig ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete den Ausschussvorsitz innehaben wird und nicht der Kulturminister.“ Das ist kein Affront Hallmanns gegen den Kulturminister – derzeit Jakob Engel-Schmidt (Moderate), sondern spielt auf die Tatsache an, dass Abgeordnete deutlich mehr Kapazitäten hätten, sich um die Inhalte des Ausschusses zu kümmern, als ein Minister oder eine Ministerin.     

Wie kam es überhaupt dazu, am Status quo zu rütteln?

In der Vergangenheit hatte die Minderheit immer wieder moniert, dass der Kontaktausschuss als Bindeglied zwischen Folketing und der Volksgruppe zu schwach sei. Das betrifft zum einen die mangelnde Sichtbarkeit der Minderheiten-Interessen in der dänischen Politik. Zum anderen schwächelte aber auch das Gremium selbst. Teilweise verstrich mehr als ein Jahr zwischen den Treffen der Mitglieder, und dann war die Teilnahme der Abgeordneten oft mau.   

Ein aus Hallmanns Sicht ganz entscheidender Punkt ist daher: Als Gremium des Kulturministeriums ist der Kontaktausschuss erstens weniger sichtbar und erscheint damit auch weniger wichtig. „Der Ausschuss für die deutsche Minderheit als eigener Ausschuss im Folketing wird sehr viel mehr Aufmerksamkeit genießen“, lautet die Prognose von Harro Hallmann – und damit auch die Anliegen der deutschen Minderheit in Nordschleswig.

Wann kommt der neue Ausschuss für die deutsche Minderheit?

Aus dem Bericht des Folketings-Vorsitzenden geht hervor, dass der neue Ausschuss im neuen Folketingsjahr – also im Oktober dieses Jahres – einberufen wird. „Das ist schön, dann haben wir im Sommer vielleicht noch einmal die Gelegenheit, im Kontaktausschuss zusammenzukommen und uns gebührend selbst aufzulösen“, hofft Hallmann. Denn nach fast 60-jährigem Bestehen wäre es schade, wenn der Kontaktausschuss einfach so und ohne ein Wort verschwinden würde.

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