Kulturkommentar

„Als Dänemark entschied, dass ich ehetauglich bin“

Als Dänemark entschied, dass ich ehetauglich bin

Als Dänemark entschied, dass ich ehetauglich bin

Kopenhagen/Odense
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Hochzeit
In Dänemark ist es möglich, innerhalb von nur drei Wochen zu heiraten (Symbolbild). Foto: Marc A. Sporys/Unsplash

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Trauungen in Dänemark sind beliebt. Dennoch muss man sich als ausländische Staatsbürgerin einiges an Fragen gefallen lassen, bevor einem die nötige „Ehetauglichkeit“ attestiert wird. Anna-Lena Holm hat sich dieser Prozedur gestellt.

Eine ganz spontane Eheschließung – das war der Plan von meinem Partner und mir. Er ist Däne, ich bin Deutsche, und seit knapp fünf Jahren in Dänemark – wo wir gemeinsam leben. Für diesen Erfahrungsbericht wichtig: Ich komme ursprünglich nicht aus der Minderheit. Wäre es so, würden andere Regelungen greifen.

In Dänemark ist eine Trauung ein unkomplizierter, recht unbürokratischer Akt. Auch ausländische Heiratswillige entscheiden sich, aus eben jenen Gründen, für das Ja-Wort in Dänemark. Anstatt Monate zu warten, bekommt man hier schon in drei Wochen einen Termin für die Eheschließung.

Nicht so einfach wie gedacht 

Die Internetseite Bürgerservice (borgerservice) aufgerufen, die sehr wenigen Felder des Ehetauglichkeitsattestes (prøvelsesattest) schnell ausgefüllt, und schon war der Antrag in Nullkommanix fertig. Damit sollte dem Ganzen nichts mehr im Wege stehen – dachte ich. Bis zum nächsten Tag, als eine Mitteilung vom Bürgerservice in Odense in meinem digitalen Postkasten landete.

In dieser hieß es also, dass ich, da ich ja nun mal deutsche Staatsbürgerin sei, um einen Dänen heiraten zu können, entweder eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis beantragen müsse, die mir den Weg über den Bürgerservice zu meiner Eheschließung ebnet, oder aber wir könnten auch eine Ehe-Erklärung (ægteskabserklæring) bei der Agentur für Familienrecht (familieretshuset) beantragen.

Keine uneingeschränkte Aufenthaltserlaubnis 

An diesem Punkt angelangt, hatte ich dann erst einmal genug. Ich habe keine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis? Das registrierte ich zum ersten Mal.

Eine unbegrenzte Aufenthaltserlaubnis kann bei der Ausländerbehörde beantragt werden, sobald man mindestens fünf Jahre in Dänemark gemeldet ist. Diese Einschränkung gilt nicht für Deutsche aus der Minderheit. 

Aber das geht mit einer Wartezeit von bis zu zehn Monaten einher, und offizielle fünf Jahre in Dänemark würde ich erst im November sein. 

Ich konnte mich gerade noch besinnen und online dazu recherchieren, bevor ich mich impulsgesteuert in die Telefon-Warteschlange des Bürgerservices begab, um mich entrüstet darüber zu beschweren, dass ich so etwas doch gar nicht bräuchte, denn ich sei schließlich EU-Bürgerin und habe damit das Recht auf die freie Bestimmung meines Wohnortes. 

Nein, das war gelogen – um ehrlich zu sein: So besonnen war ich nicht. Ich habe angerufen – außerhalb der Öffnungszeiten. Auf die hatte ich in meiner Empörung keine Rücksicht genommen.

Dies sollte nicht der einzige Moment dieser Art bleiben.

Die Agentur für Familienrecht will es ganz genau wissen

Für mich als recht ungeduldige Person kam also nur die zweite Möglichkeit infrage: der Weg über die Agentur für Familienrecht.

Der Antrag war online leicht zu finden. Aber die Bezeichnung „Eheeignungsattest“ entfachte bereits den nächsten Funken Wut in mir. Wer maßt sich an, das beurteilen zu dürfen? Abgesehen natürlich von den nachvollziehbaren Faktoren wie der Volljährigkeit. Ich kam mir also von Bearbeitungsbeginn an blöd vor. Aber das Gefühl sollte noch Steigerungspotenzial haben. 

Mein Mobiltelefon ist auf Deutsch eingestellt, die Internetseite öffnete also ganz natürlich ihre deutsche Fassung. Bedarf scheint es zu geben.

„Seit wann kennt ihr euch? Wo habt ihr euch kennengelernt, oder: Wie häufig habt ihr Kontakt?“ waren einige der distanzlosen Fragen, die ich zu beantworten hatte.

Jetzt brannte die Wut in mir. Es kann doch nicht sein, dass ich als EU-Bürgerin in einem EU-Land solche Fragen beantworten, ja, mir gefallen lassen muss. Ich war drauf und dran, ein Plädoyer über die Unverhältnismäßigkeit solcher Fragen in die Antwort-Kästchen zu hämmern – jedenfalls im Rahmen der Kapazität.

Ich besann mich: Ich wollte ja schließlich als „ehetauglich“ bewertet werden. Also beantwortete ich fast jede, in meinen Augen unverschämte Frage, mit „DURCHGEHEND“. Nur einmal, bei der Frage, wann mein jetziger Mann und ich uns kennengelernt hätten, antwortete ich wahrheitsgemäß „Odense 2018“. 

„Übertreibe es besser nicht“, dachte ich mir. Ich hatte nämlich soeben herausgefunden, dass für diesen Antrag 1.800 Kronen zu berappen waren.

Juhu, wir dürfen uns trauen!

Aber frei nach dem Motto: Wenn’s kostet, geht’s schneller: Nur zwei Tage später hatte ich die Bescheinigung in meinem digitalen Postkasten, und ich kann freudig mitteilen: Wir sind ehetauglich!

Ich kann mir vorstellen, dass sich auch nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ähnlich fühlen, wenn sie vor diesem oder ähnlichen Anträgen mit derartig persönlichen Fragen sitzen. Sicher kann man diese rechtfertigen – blöd anfühlen tun sie sich dennoch. Und überflüssig sind sie auch. Wer will recherchieren, ob ich meinen Partner in Odense oder in Apenrade kennengelernt habe? 

Ich bin jetzt verheiratet, und ob mein Mann und ich wirklich „DURCHGEHEND“ Kontakt hatten oder haben, bleibt mein Geheimnis. Wen sollte das auch ernsthaft interessieren?

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