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Das Schmerzcafé: „Hier müssen wir nicht viel erklären“

Das Schmerzcafé: „Hier müssen wir nicht viel erklären“

Das Schmerzcafé: „Hier müssen wir nicht viel erklären“

Sonderburg/Sønderborg
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Zum „Smerte Café“ kommen mal viele, mal wenige Menschen. Foto: Ilse Marie Jacobsen

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Am ersten Dienstag im Monat trifft sich eine Gruppe von chronisch kranken Menschen im Freiwilligenhaus in der Perlegade. Was dieses von einer Betroffenen arrangierte Angebot den Frauen und Männern bedeutet und ihnen bringt, das erzählten sie dem „Nordschleswiger“.

„Alles, was hier angesprochen wird, bleibt hier. Hier werden Dinge gesagt, die wir nicht einmal unserer Familie erzählen. Das brauchen wir einfach“, meint Karl Andersen aus Schmöl (Smøl). 

Er sitzt beim ersten „Smerte Café“ im Freiwilligenhaus im Lokal 1 an einem Tisch. Beim Café tauschen sich chronisch kranke Frauen und Männer am ersten Dienstag des Monats untereinander aus. Sie sprechen über die Behörden, was besser gemacht werden könne, was gut für sie ist und was überhaupt nicht geht. Zwischendurch wird ausgelassen gelacht und es werden Witze gerissen.

Treffen im Freiwilligen-Haus

Helle Rosendahl, die selbst ein Dasein mit vielen Schmerzen hat, hat die Initiative des Sonderburger Gesundheitszentrums aufgegriffen und nun ein Angebot für alle geschaffen. „Sie wollten etwas Gemeinsames schaffen, mit Vorträgen und einem Austausch“, meint sie lächelnd. Bislang hat sie 17 Mitglieder auf ihrer Teilnehmendenliste.

„Das Freiwilligenhaus ist ein sehr guter Rahmen für unsere Gruppe. Hier haben wir jetzt einen gemeinsamen Treffpunkt, der uns auch genug Platz für einen Rollator oder einen Rollstuhl bietet“, meint Helle Rosendahl. Zu den Café-Veranstaltungen kommen manchmal viel, manchmal etwas weniger. Es kommt darauf an, ob die chronisch belasteten Menschen Kraft genug haben. Zwischendurch dürfen die Teilnehmenden auch eine Pause einlegen oder bei Problemen nach Hause fahren. Alles ist erlaubt.

Die Schmerzen-Gruppe ist kein Verein. Deshalb nennt Helle Rosendahl sich auch nicht Vorsitzende, sondern „tovholder“, eine Managerin, die die Zügel in der Hand hält.

Frische Kommentare und gute Laune

„Oder ein sjakbajs“, kommt es von einem keck vom anderen Tisch zu Helle Rosendahl hinüber lächelnden Karl Andersen. Ein „sjakbajs“ ist der umgangssprachliche Ausdruck für einen Vorarbeiter.

Helle Rosendahl (r.) mit einigen Teilnehmerinnen Foto: Ilse Marie Jacobsen

Damit ist die bei einer fremden Journalistin zwischen ihnen anfangs doch recht vorsichtige Stille gebrochen. 

Karl Andersen ist 63 Jahre alt. Der langjährige Lasterfahrer und Mechaniker stürzte vor zwei Jahren zwei Meter tief von einem hohen Lkw. Beim Aufprall wurden sein Nackenwirbel und sein Rücken verletzt. „Ich bekomme Seniorpension, und ich werde den Rest meines Lebens Morphium nehmen müssen. Ich ging von voll aktiv zu einem völlig anderen Dasein. Von einem Tag auf den anderen war alles komplett anders“, meint er. 

Trotz Schmerzen dankbar

Karl Andersen ist traurig gewesen. Er hat mit den Schmerzen gekämpft. Sein Schicksal zu akzeptieren, das fällt ihm schwer. „Aber ich habe eine Freundin und eine Familie, die mich verstehen. Ich muss einfach akzeptieren, dass ich manchmal einige Tage aus dem Kalender reißen muss. Ich habe von morgens bis abends höllische Kopfschmerzen“, erzählt er. Hinzu kommen die stechenden Schmerzen im Rücken.

Arbeitet er 15 bis 20 Minuten lang, dann muss er sich ausruhen. Pausen braucht der 63-Jährige ebenfalls bei Festen oder beim Spielen mit den Enkeln. „Ich muss zwischendurch immer wieder Luft holen“, meint er: „Man muss um Hilfe bitten können. Man ist abhängig von anderen“.

Trotz seiner Begrenzungen ist er ein sehr dankbarer Mensch. Dankbar, weil er nicht im Rollstuhl sitzen muss. „Ich schätze heute alle Dinge und freu mich über vieles. Man wird so dankbar, obwohl es weh tut. Wenn ich morgens wach werde, dann weiß ich, was mich erwartet“, so der 63-Jährige. Das Schmerzcafé ist für ihn wichtig: „Hier ist man nicht alleine. Ich war ja lange schon der einzige Mann. Es ist aber überhaupt keine Schande. Hier trifft man keine traurigen oder schlecht gelaunten Menschen. Und wenn es einigen nicht gut geht, dann verschwinden sie einfach“, so Karl Andersen. Er hat einen wichtigen Rat: „Du musst etwas tun, um weiterzukommen.“

Ich schätze heute alle Dinge und freu mich über vieles. Man wird so dankbar, obwohl es weh tut. Wenn ich morgens wach werde, dann weiß ich, was mich erwartet.

Karl Andersen

Im Café wissen alle, was los ist

Hanne Lykke (57) hat ebenfalls chronische Kopfschmerzen und Arthrose in der einen linken Schulter. Nach 26 Jahren bei Linak erhielt sie 2016 ihre Diagnose: vier Bandscheibenvorfälle im Nacken. Sie hilft ihrem Körper mit Medizin, hat diverse den Schmerz begrenzende Kurse durchlaufen, ist seit Dezember 2022 aber pensioniert. 

Hanne Lykke findet es anstrengend, anderen Menschen ihre Einschränkungen beschreiben zu müssen. Das braucht sie nicht beim Schmerzcafé. „Hier wissen alle, wie es einem geht“, meint die 57-Jährige, die sich trotz ihrer Schmerzen ein normales Dasein wünscht. „Ich tanze zum Beispiel seit Kurzem Salsa im Sønderborghus. Das sind alles gut gelaunte Menschen. Salsa ist für mich ja eigentlich unmöglich, aber ich mache das trotzdem. Vielleicht muss ich dann zwei Tage im Bett bleiben. Das ist mir egal“, erzählt sie. 

Baden ist für sie ein Kick

Sie hat Schmerzen, hält aber nichts von Selbstmitleid. Sie geht jeden Tag bei der schwarzen Badeanstalt ins Wasser. „Das tut mir richtig gut. Es gibt mir einen Kick und ich kann den Körper spüren. Das ist ein tolles Gefühl – und es ist kostenlos“, so Hanne Lykke. Sie will gern einmal bei einem ehrenamtlichen Projekt mithelfen: „Dann habe ich auch etwas Soziales und ich brauch' meinen Kopf. Aber ich muss erst herausfinden, wofür ich brenne. Und die Energie muss natürlich auch dort sein“, meint sie. 

Sie will nicht in einer Gruppe sein, wo nur über Krankheit geredet wird: „Davon hat man genug. Ich will lieber darüber sprechen, wie ich meine Energie am besten nutze.“

Komm einfach vorbei

Die Schmerz-Gruppe hat gemeinsam ein Ideen-Buch angelegt. Ob gute Ratschläge von Ergotherapeuten oder Physiotherapeuten, eine Hilfe beim Entspannen, ein Treffen mit den Angehörigen, ein Besuch im Hilfsmittelzentrum oder Kunst, Kultur und Kochen. 

Wer an einer chronischen Krankheit leidet und sich mit gemeinsamer Kraft inspirieren lassen möchte, der sollte am ersten Dienstag des Monats von 14 bis 17.30 Uhr ins Schmerzcafé im Freiwilligenhaus in der Perlegade 50 kommen. „Komm einfach vorbei“, so die Aufforderung von Helle Rosendahl. 

In dem einen Fenster des Freiwilligenhauses wird auf das neue Angebot hingewiesen. Foto: Ilse Marie Jacobsen
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