Leitartikel

„Sexismus in der Minderheit: Menschen wie Maike Minor brauchen Rückhalt“

Sexismus in der Minderheit: Menschen wie Maike Minor brauchen Rückhalt

Sexismus: Menschen wie Maike Minor brauchen Rückhalt

Apenrade/Aabenraa
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Wer sich entscheidet, einen übergriffigen Vorfall zu melden, muss wissen, dass er oder sie nicht allein dasteht. Maike Minor hat im Interview über ihre Entscheidung gesprochen. Foto: Karin Riggelsen

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Wie reagieren, wenn jemand einen sexuellen Übergriff meldet? Die Minderheit als Gesellschaft braucht die Details nicht zu kennen, sondern sollte sich vielmehr darauf konzentrieren, der betroffenen Person Rückhalt zu geben, meint Journalistin Marle Liebelt.

Am Montag ist auf nordschleswiger.dk ein Interview mit Maike Minor erschienen. Sie ist die Betroffene in einem Sexismus-Fall, der sich im Vereins-Kontext beim MTV Apenrade („Mein Turnverein“; ehem. „Männerturnverein“) vor rund eineinhalb Jahren ereignet hat. 

Es galt zum einen herauszufinden, was grundsätzlich zu tun ist, wenn aus den eigenen Reihen ein Fall gemeldet wird, in dem sich jemand sexistischem oder sexuell übergriffigem Verhalten ausgesetzt sieht. Und es galt sicherzustellen, dass der Verein eine Struktur schafft, auf die die Mitglieder und der Vorstand zurückgreifen können, sollte dieser gemeldete Fall nicht der letzte sein.

Maike Minor stand dem „Nordschleswiger“ nun, wo der MTV zu einem Ergebnis gekommen ist, für ein Interview zur Verfügung. 

Viele aus der Minderheit wussten bereits von der Sexismus-Debatte beim MTV. Einige wussten auch, dass es sich bei der Betroffenen um Maike Minor handelt.

Einige unserer Leserinnen und Leser werden das Interview möglicherweise angeklickt haben, weil sie gehofft hatten zu erfahren, was genau denn eigentlich vorgefallen ist. 

Keine Antwort auf die Frage, die vielen unter den Nägeln brennt

Diesem Interesse wird das Interview nicht gerecht. Nicht nur haben die Beteiligten Stillschweigen zu dem Fall vereinbart. Es war auch eine redaktionelle Entscheidung, diese Frage nicht mit ins Interview aufzunehmen. 

Denn mit dieser Frage schwingt so viel mit, wie sie auch offenbart: Es herrscht eine gänzlich falsche Kultur in Sachen Sexismus. 

Was bezweckt die Frage nach dem, was genau vorgefallen ist? Die Antwort: Wir wollen uns selbst ein Urteil bilden, um bewerten zu können, ob das Anliegen der betroffenen Person gerechtfertigt ist oder nicht. 

Es obliegt aber nicht jedem selbst, darüber zu urteilen – das sollen diejenigen machen, die gegebenenfalls auch über Sanktionen entscheiden. 

Rückhalt für Betroffene

Wir als Gesellschaft sollten unsere Denkkraft vielmehr dafür aufbringen, uns zu fragen, wie wir eine Kultur stärken können, die Sexismus und sexuelle Übergriffe aus unseren Reihen verbannt.

Zu fragen, was Maike Minor denn genau passiert ist, und danach womöglich auch noch hinterfragen, was sie wohl gemacht hat, das das grenzüberschreitende Verhalten der beschuldigten Person erklären könnte, bringt niemanden weiter. Uns sollte doch vielmehr Folgendes interessieren: Wie können wir sicherstellen, dass sich alle Menschen, die die Angebote der Minderheit nutzen oder sich sogar für sie engagieren, wohl und sicher fühlen? 

Als nicht unmittelbar Betroffene müssen wir uns gegen unseren Impuls zu hinterfragen, was genau denn passiert ist, wehren. Wir müssen uns ganz ehrlich fragen: Stellen wir die Frage aus Anteilnahme? Oder stellen wir die Frage, um unsere Neugierde zu befriedigen? 

Fakt ist: Opfer von Sexismus und sexuellen Übergriffen sind diejenigen, die entscheiden, ob eine Grenze überschritten wurde. Fordern sie Konsequenzen, obliegt dies der Einschätzung von Expertinnen und Experten. 

Maike Minors Grenzen wurden bei einer Veranstaltung der Minderheit überschritten.  

Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie und andere Betroffene gesellschaftlichen Rückhalt erfahren. Mehr nicht.

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