Kulturkommentar

„Mehr Schein als Sein: Das Reisen allein“

Mehr Schein als Sein: Das Reisen allein

Mehr Schein als Sein: Das Reisen allein

Nina Stein
Nina Stein
Nordschleswig/Dänemark
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Der Autostrand auf Röm zählt zu beliebten Ausflugszielen in Nordschleswig. Foto: Nele Dauelsberg

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Während ihres dreimonatigen Praktikums beim „Nordschleswiger“ hat Nina Stein sich vorgenommen, Dänemark zu entdecken. Welche Probleme dabei auftreten können – und wieso allein Reisen nicht für jede Person das richtige ist, schreibt sie in einem Kulturkommentar.

Und nun stehe ich da: Vor mir liegt das weite Meer und hinter mir die Stadt. Mit meinen Armen fasse ich mir um den Oberkörper und versuche, mich zu wärmen. Ich betrachte die stürmischen Wellen. „Das muss es doch jetzt sein“, denke ich mir, nachdem ich ungefähr zehn Kilometer zu Fuß zurückgelegt und mein letztes Ziel des Städte-Trips in Aarhus erreicht habe. „Das muss doch jetzt der Moment sein, von dem alle immer sprechen.“ Doch ich fühle nichts außer dem eisigen Wind in meinem Gesicht. Ein Film auf Netflix hätte es für diesen Abend wahrscheinlich auch getan.

Ich bin nie eine große Weltenbummlerin gewesen. Doch als ich für drei Monate nach Nordschleswig gekommen bin, habe ich mir fest vorgenommen, an meinen freien Tagen das Land zu entdecken.

Die wachsende To-do-Liste

Schnell hat mich die sogenannte „Fear Of Missing Out“, kurz „FOMO“ (Deutsch: Angst, etwas zu verpassen) ereilt. Meine To-do-Liste an Reisezielen ist in kürzester Zeit gewachsen und ehe ich mich versah, hatte ich alle meine Wochenenden verplant. Dabei sind die entspannten Tage ohne Ziele doch gerade die Wochenenden, die ich am meisten schätze.

Soviel ich mir auch vorgenommen habe, ich verfalle während meiner Ausflüge immer wieder in gewohnte Muster. Ich schaue regelmäßig auf mein Handy, um die aktuellen Nachrichten zu lesen, ziehe bekannte Franchise den lokalen Restaurants vor – schließlich weiß ich, was ich dort bekomme – und greife, obwohl ich noch etwas entdecken könnte, zu meinem Buch. Vielleicht bin ich nicht dafür gemacht, allein zu reisen.

Und vielleicht muss ich das auch gar nicht sein.

Falsche Vorstellungen durch soziale Medien

Was Instagram und Co. mit ihren leuchtenden Filtern häufig verschweigen: Allein zu reisen ist nicht immer nur schön. Manchmal kann es auch sehr einsam machen. Storys und Reels vermitteln uns die „schönste und unbeschreiblich Zeit des Lebens“ – doch letztlich sehen wir nur Bruchteile einer Reise. Niemand zeigt uns die Schattenseiten vom Strandurlaub oder wie schwierig das Zurechtfinden in einem fremden Land sein kann. Ob diese Erzählungen nun in den sozialen Medien oder im echten Leben stattfinden: Auf den ersten Blick scheint alles zu funktionieren. Erst bei genauerem Hinschauen oder tieferen Gesprächen stellen wir fest, dass die Wirklichkeit anders aussieht.

Auch wenn beim Allein-Reisen die Verantwortung gegenüber anderen wegfällt, so bleibt sie für einen selbst nicht zu unterschätzen. Sei es die Organisation und der Druck, „den Augenblick festzuhalten“. Während meiner Ausflüge habe ich auf den Moment gewartet, an dem sich meine Anspannung löst. Meist kam dieser jedoch erst, wenn ich wieder zu Hause angekommen bin.

Auszeiten sind Ansichtssache 

So wie Geschmäcker unterschiedlich sind, so ist es auch mit Auszeiten. Für den einen ist es ein Roadtrip über die Westküste von Amerika, für den anderen ein Abend auf der Couch mit einem Buch. Jeder definiert „Wohlfühlen“ anders. Deswegen dürfen wir uns nicht die Erfahrungen anderer zum Vorbild nehmen. Wir müssen selbst herausfinden, womit es uns am besten geht.

Ich bin froh über das, was ich in den vergangenen Wochen in Dänemark, insbesondere Nordschleswig, erlebt habe. Ich habe Orte gesehen, deren Schönheit ich mir vorher nicht hätte ausmalen können und habe zugleich eine Menge über mich selbst gelernt. Eine dieser Erkenntnisse ist, dass ich diese Momente viel lieber mit jemanden währenddessen geteilt hätte – und nicht erst im Nachhinein.

Jedem, der verunsichert ist, etwas allein zu unternehmen, – sei es ein Kinobesuch oder ein zweiwöchiger Urlaub – würde ich dazu raten, es zu tun. Es gibt immer wieder Gelegenheiten, die sich nur einmal im Leben bieten und für die es sich nicht lohnt auf andere zu warten. Doch zugleich möchte ich nicht verschweigen, dass es zu zweit womöglich schöner wäre. Das Glück ist schließlich das Einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.

 

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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