Kulturkommentar

„Wer bremst, verliert“

„Wer bremst, verliert“

„Wer bremst, verliert“

Lukas Scherz
Lukas Scherz
Apenrade/Aabenraa
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Die meisten von uns wurden von unserer Gesellschaft so stark auf Leistung und Erfolg getrimmt, dass sie gar nicht anders können, als immer weiter nach dem nächsten beruflichen Ziel zu jagen. Die Gesundheit und das, was man sich eigentlich wünscht, gerät dabei oft in den Hintergrund, findet „Nordschleswiger“-Praktikant Lukas Scherz.

Unsere Leistungsgesellschaft wird immer kompetitiver. Jeden Tag muss noch ein bisschen mehr optimiert werden und das Gaspedal noch ein bisschen tiefer in den Boden gepresst werden. Die Frage, wo das Ganze noch hingehen soll, stellt sich dabei schon gar keiner mehr – Hauptsache weiter.

 

Höher, steiler, geiler ist das Motto der heutigen Arbeitswelt. Dass wir dabei eigentlich schon selbst kaum noch mitkommen und sich viele von uns jeden Tag aufs Neue an die körperliche und/oder seelische Belastungsgrenze bringen, gilt dabei schon als normal.

 

Wie Michael Schumacher zu seinen besten Zeiten bei Ferrari jagen wir über die Rennbahn des Lebens, bis wir es zu weit treiben. Nur bauen wir nicht wie ein Rennfahrer einen Unfall, sondern werden krank und leiden an Burnout oder gar Schlimmerem.

 

Zu oft fiel schon der Satz „Dein Körper ist krank geworden, weil du eine Pause brauchst“. Allein der Fakt, dass wir in unseren Köpfen so auf Leistung getrimmt sind, dass uns erst der Körper zur Pause zwingen muss, bevor der Verstand es einsieht, ist schlichtweg erschreckend.

 

Doch können einige gar nicht anders. Es gibt genug Menschen, die so sehr an Stress gewöhnt sind, dass ihnen, ohne die nervliche Belastung, das eigene Leben völlig aus den Fugen gerät.

 

Hierzu braucht man sich nur die Folgen der Corona-Pandemie anzusehen. Auf einmal hatten die Menschen nichts mehr zu tun. Auf einmal stellte man fest, wie leer das eigene Leben ohne die Arbeit sein kann. Man konnte sich nicht mehr hinter ihr, vor seinen eigenen Problemen verstecken. Bei wem kam denn der Alltag nicht auf einmal zum Erliegen und Zeit wurde nur noch zu einem Konstrukt?

 

Da fragt man sich natürlich, wie es dazu kommen konnte. Die Antwort auf diese Frage liegt schlichtweg darin, dass unsere Leben so sehr auf Arbeit, Leistung und Erfolg ausgelegt sind, dass die meisten sich selbst dabei völlig vergessen.

 

Brauche ich diese Beförderung wirklich oder lässt mich die Gesellschaft glauben, dass ich immer nach dem nächsten Level greifen muss? Möchte ich nicht lieber mal ein paar Monate die Welt bereisen und habe nur zu viel Angst davor, zurückzufallen und meine gesellschaftlich akzeptierte Zukunft zu riskieren?

 

Fragen, die sich der ein oder andere vielleicht abends im Bett stellt, aber bis zum ersten Kaffee im Büro schon wieder vergessen hat. Denn Weitermachen lautet die Devise in unserer Gesellschaft. Meistens nicht mal, weil wir es wollen oder können, sondern weil wir uns schon seit Jahrzehnten selbst einreden, dass wir es müssen.

 

Dabei müsste man sich nur mal trauen, die Bremse zu betätigen. Vielleicht ist man dann in den Augen der anderen ein Verlierer. Dass das jedoch nicht stimmen muss, merkt man spätestens dann, wenn man zwar etwas weniger verdient, aber dafür eben nicht die letzte Gehaltserhöhung für fragwürdige Anti-Stress-Mittelchen aus dem Netz verpulvert.

 

Wäre es doch nur nicht so verdammt schwer, sich von der Sucht nach Erfolg und Leistung zu lösen und den Sprung in das kalte Wasser der Veränderung zu wagen.

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