Krieg in Nahost

Hamas nach Gaza-Vorschlag noch unentschlossen

Hamas nach Gaza-Vorschlag noch unentschlossen

Hamas nach Gaza-Vorschlag noch unentschlossen

dpa
Gaza/Kairo/Tel Aviv
Zuletzt aktualisiert um:
Jihia al-Sinwar, Chef der Hamas im Gazastreifen will heute eine Entscheidung zum israelischen Geisel-Deal-Angebot treffen. Foto: Mohammed Talatene/dpa

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Israel gab der Hamas eine «letzte Chance», sich auf ein Geisel-Abkommen zu einigen. Sonst beginne der Angriff auf Rafah. Die Hamas signalisiert jedoch Ablehnung. Die News im Überblick.

Die islamistische Hamas schickt nach eigenen Angaben noch einmal eine Delegation nach Ägypten, um die laufenden, indirekten Verhandlungen mit Israel über ein Abkommen zur Freilassung von Geiseln und eine Waffenpause abzuschließen. Dies habe Auslandschef der Hamas, Ismail Hanija, dem ägyptischen Geheimdienstchef Abbas Kamel in einem Telefonat gesagt, teilte die Extremistenorganisation mit. Hanija betonte demnach den «positiven Geist» der Hamas bei der Prüfung des jüngsten Vorschlags für ein Abkommen. Die Hamas wolle einen Deal, der den Forderungen des palästinensischen Volkes entspreche.

Der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News meldete unter Berufung auf eine hochrangige ägyptische Quelle, eine Hamas-Delegation werde innerhalb der nächsten zwei Tagen in Kairo eintreffen, um die Verhandlungen fortzusetzen.

Hamas-Anführer im Gazastreifen sieht Angebot skeptisch

Im Rahmen von Vermittlungsbemühungen in Kairo war der Hamas ein Vorschlag für eine Feuerpause im Gegenzug für die Freilassung von Geiseln unterbreitet worden. Einem Medienbericht zufolge traut der Anführer der islamistischen Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, dem jüngsten Verhandlungsangebot nicht. Der Entwurf enthalte keine Garantie, dass der Krieg beendet werde, sagte eine dem Hamas-Anführer nahestehende Quelle dem israelischen Fernsehsender Channel 12 am Mittwochabend. Israel lehnt ein Ende des Kriegs ab.

Laut al-Sinwar enthält der Vorschlag eine Reihe von Fallstricken. So gebe es keine Garantie dafür, dass der Krieg beendet wird, sagte eine dem Hamas-Anführer nahestehende Quelle dem israelischen Fernsehsender Channel 12. Es handele sich nicht um ein Angebot der ägyptischen Vermittler, sondern um ein israelisches «in amerikanischem Gewand». Äußerungen von Hamas-Führern im Exil sollten nicht als offizielle Positionen der Hamas betrachtet werden, sagte der Vertraute Al-Sinwars dem israelischen TV-Sender.

Israel droht mit Bodenoffensive in Rafah

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe US-Außenminister Antony Blinken unter vier Augen gesagt, dass Israel mit einer Bodenoffensive in Rafah im Süden des Gazastreifens beginnen werde, sollte die Hamas weiterhin ein Geiselabkommen von der Beendigung des Krieges abhängig machen, berichtete das Nachrichtenportal «Axios» unter Berufung auf zwei israelische und amerikanische Beamte. Blinken hatte von einem «sehr, sehr großzügigen» Vorschlag Israels für einen Deal gesprochen. Die Hamas bestand bislang auf ein Ende des Krieges, was Israel aber ablehnt.

Die israelische Regierung hat einen raschen Beginn der umstrittenen Offensive in Rafah an der Grenze zu Ägypten angekündigt, sollte es nicht zur Einigung kommen. In der Stadt haben Hunderttausende Zivilisten Schutz gesucht. Blinken sagte in Tel Aviv: «Wir sind entschlossen, eine Waffenruhe zu erzielen, die die Geiseln nach Hause bringt, und zwar jetzt.

Und der einzige Grund, warum dies nicht erzielt werden könnte, ist wegen der Hamas.» Es liege ein Vorschlag auf dem Tisch. «Und wie wir gesagt haben, keine Verzögerungen, keine Ausreden.» Dem Sender Channel 12 zufolge zögert der Hamas-Anführer in Gaza, Al-Sinwar, jedoch. Laut seinem Vertrauten nehme er für sich in Anspruch, alle Entscheidungen zum Gaza-Krieg allein zu treffen.

Scholz telefoniert mit Netanjahu

Kanzler Olaf Scholz hat sich mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu erneut über die Lage und die weiteren Perspektiven in der Nahostregion ausgetauscht. Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Wolfgang Büchner, teilte in Berlin mit, Scholz und Netanjahu hätten in einem Telefonat zudem über die Bemühungen zur Freilassung aller Geiseln, die sich nach wie vor in den Händen der islamistischen Hamas befinden, sowie über einen Waffenstillstand ausgetauscht. Außerdem seien auch weitere Verbesserungen der humanitären Hilfe für die Menschen im Gazastreifen ein Thema gewesen. Details über Inhalte des Gesprächs wurden nicht mitgeteilt.

Kämpfe in Gaza dauern an

Die israelische Armee teilte mit, Kampfjets und Artillerie hätten am Vortag im zentralen Abschnitt des Gazastreifens «bewaffnete Terroristen, Terror-Infrastruktur und Tunneleingänge angegriffen». Zuvor sei es zu mehreren Angriffen auf israelische Soldaten gekommen. Ein Abschussgerät für Mörsergranaten sei zerstört worden. Mehrere bewaffnete Kämpfer seien getötet worden.

Al-Sinwar gilt als einer der Architekten des Massakers

Israel vermutet, dass sich Al-Sinwar im Tunnelnetzwerk der Hamas unter dem Gazastreifen aufhält und sich zu seinem eigenen Schutz mit Geiseln umgeben hat. Das unterirdische System stellt in dem seit rund sieben Monaten andauernden Gaza-Krieg eine enorme Herausforderung für Israels Armee dar.

Israel betrachtet Al-Sinwar als einen der Architekten des Massakers vom 7. Oktober vergangenen Jahres im israelischen Grenzgebiet. Es war der Auslöser des Krieges. Israel will nun in Rafah die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. «Die Idee, dass wir den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht infrage», sagte Regierungschef Netanjahu. Er steht unter starkem Druck seiner rechtsextremen Koalitionspartner, die jüngst mit einem Ende der Regierung gedroht hatten, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der geplante Einsatz in Rafah abgeblasen werden. Netanjahus politisches Überleben hängt von ihnen ab.

Kolumbien bricht wegen Gaza-Krieg Beziehungen zu Israel ab

Unterdessen kündigte Kolumbiens Präsident Gustavo Petro einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel an. Israel habe eine «völkermörderische» Regierung, sagte Petro zur Begründung bei einer Kundgebung zum Tag der Arbeit in Bogotá. «Wenn Palästina stirbt, stirbt die Menschheit, und wir werden sie nicht sterben lassen», sagte der Linkspolitiker vor Tausenden Menschen in Kolumbiens Hauptstadt. Der Abbruch der Beziehungen gelte von heute an.

Der israelische Außenminister Israel Katz bezeichnete Petro in einer Erklärung als «antisemitisch und hasserfüllt». Er habe beschlossen, «sich auf die Seite der verabscheuungswürdigsten Monster der Menschheit zu stellen, die Babys verbrannten, Kinder ermordeten, Frauen vergewaltigten und unschuldige Zivilisten entführten», schrieb Katz auf der Plattform X, vormals Twitter, auf Hebräisch und Spanisch. Der Präsident werde nichts daran ändern, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern immer herzlich gewesen seien. Petro hatte in den vergangenen Monaten Israel mehrmals scharf kritisiert und mit einem Abbruch der Beziehungen gedroht.

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