Grenzhandel

Teurer deutscher Diesel gefährdet dänische Klimaziele

Teurer deutscher Diesel gefährdet dänische Klimaziele

Teurer deutscher Diesel gefährdet dänische Klimaziele

Apenrade
Zuletzt aktualisiert um:
Vor allem Speditionen werden ihre Fahrerinnen und Fahrer künftig wohl häufiger in Dänemark günstigen Diesel tanken lassen. Foto: ITD

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Die deutsche CO₂-Abgabe könnte die für 2025 angepeilten dänischen Klimaziele torpedieren. Das sorgt für Kritik bei Umweltexpertinnen und -experten, die eine höhere Dieselsteuer in Dänemark fordern. Doch vom Grenzhandel mit Diesel profitiert das Land. In der Transportbranche hält man es daher für sinnvoller, das Geld in die Verkehrswende zu stecken.

Die von Dänemark für 2025 angestrebten Klimaziele drohen nicht erreicht zu werden. Das zeigt die erst kürzlich veröffentlichte Analyse der grünen Denkfabrik „Concito“. Dabei spielt auch der zunehmende Grenzhandel mit Diesel eine Rolle. Ursache ist die 2021 eingeführte CO2-Abgabe in Deutschland. Dabei handelt es sich eigentlich nicht um eine Steuer, sondern um einen nationalen Emissionsrechtehandel für die Sektoren Wärme und Verkehr.

Die dänischen Treibhausgasemissionen sollen nach dem Willen der Regierung in zwei Jahren im Vergleich zum Jahr 1990 um 50 bis 54 Prozent niedriger sein. Laut „Concito“ fehlen aber Vereinbarungen über die Reduzierung von mindestens 1,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das entspricht dem jährlichen Ausstoß von 550.000 Pkw. Zum Vergleich: In den Kommunen Hadersleben (Haderslev), Sonderburg (Sønderborg), Tondern (Tønder) und Apenrade (Aabenraa) waren zu Beginn des Jahres 2022 laut Danmarks Statistik knapp 128.000 Pkw registriert.

Die Vorgänger-Regierung war von einer Reduzierung von 0,4 Millionen Tonnen ausgegangen, um das Mindestziel von 50 Prozent zu erreichen.

Deutsche CO2-Abgabe verschlechtert dänische Klimabilanz

„Concito“ sieht nicht nur verschleppte CCS-Projekte, also die Speicherung von Kohlenstoffdioxid im Untergrund, dafür als ursächlich an, sondern auch die deutsche CO2-Steuer, die wahrscheinlich für einen größeren CO2-Eintrag aus Deutschland nach Dänemark sorgen wird.

Das dänische Finanzministerium rechnet mit 1,55 Millionen Tonnen, die der Grenzhandel mit Diesel zusätzlich verursachen wird. Nach Berechnungen des Branchenportals „Energie Watch“ könnte dadurch ein zusätzlicher Ausstoß etwa 1,86 Millionen Tonnen im Jahr 2026 entstehen.

In einer Antwort auf eine schriftliche Nachfrage von Ruben Kidde (Radikale Venstre) hatte das dänische Finanzministerium 2020 noch geantwortet, dass die Auswirkungen vermutlich eher geringerer Natur sein werden. Auf der anderen Seite ging man von staatlichen Mehreinnahmen durch den steigenden Grenzhandel aus. Für 2021 rechnete man mit 400 Millionen Kronen. Dennoch gab das Finanzministerium auch zu, dass große Unsicherheit herrsche, welche Folgen die deutsche CO2-Abgabe am Ende wirklich habe.

Speditionen profitieren von größerer Preisdifferenz 

Zwar nehmen deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher nicht direkt am nationalen Emissionshandel teil, werden aber an den Mehrkosten über den Endpreis, beispielsweise an der Zapfsäule, beteiligt. Und das wird bis 2026 für schrittweise steigende Dieselpreise sorgen. In diesem Jahr ist die ursprünglich geplante Preissteigerung aufgrund der Energiekrise ausgesetzt, 2024 wird der Preis für die Tonne CO2 von derzeit 223,11 Kronen (30 Euro) auf 260 Kronen (35 Euro) angehoben. 2026 soll die Tonne CO2 dann voraussichtlich 409 Kronen (55 Euro) kosten.

Der Automobilclub ADAC geht davon aus, dass sich der Literpreis für Benzin um 1,19 Kronen (16 Cent) erhöht, der Liter Diesel um 1,26 Kronen (17 Cent). War es in der Vergangenheit immer eher teurer, in Dänemark zu tanken, beträgt die Differenz schon heute nur noch wenige Öre − besonders beim Diesel.

Von der künftig größeren Preisdifferenz zwischen Deutschland und Dänemark besonderen Nutzen ziehen könnten dann Speditionen oder Unternehmen, die ihre Lastwagen und Busse betanken wollen. Thomas Rackow vom Unternehmensverband Logistik Schleswig-Holstein geht davon aus, dass Speditionen weiterhin in Dänemark tanken werden, wenn die Möglichkeit besteht. Auch das dänische Finanzministerium rechnet bereits mit einem höheren Tankaufkommen an den grenznahen dänischen Tankstellen.

Tatsächlich waren 2021 etwa 95 der 435 Millionen Liter Diesel im Nettogrenzhandel laut Finanzministerium bereits den neuen deutschen Steuern zuzuschreiben.

Deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen sollen durch die steigenden Preise animiert werden, weniger zu verbrauchen oder auf günstigere und vor allem umweltschonendere Alternativen umzusatteln − zum Beispiel auf ein Elektrofahrzeug. Gibt es jetzt eine größere Preisdifferenz an den Tankstellen diesseits und jenseits der Grenze, verpufft der gewünschte Effekt.  

So wie es heute ist, trägt Dänemark nun dazu bei, dass sich der Klimaeffekt der deutschen Steuer verringert. Das ergibt keinen Sinn, wenn man ein grünes Pionierland sein will.

Jeppe Juul, Seniorberater bei der unabhängigen Klimaorganisation Rat für Grüne Umstellung

Kritik an Passivität der Regierung

Jeppe Juul, Seniorberater bei der unabhängigen Klimaorganisation Rat für Grüne Umstellung (Rådet for Grøn Omstilling), nannte Dänemark im Frühjahr 2021 gegenüber „Energie Watch“ eine „Kohlenstoffleckage“. Er warf der damaligen Regierung Passivität und zynisches Kalkül vor. „Es ist klar, dass der Klimaeffekt durch Deutschlands Einsatz deutlich größer wäre, wenn es keine Leckagen in kleine ‚Parasitenländer', wie es Dänemark jetzt leider ist, geben würde“, sagte Juul damals.

Auf eine neuerliche Anfrage des „Nordschleswigers“ sagt Juul am Mittwoch: „Ein Land wie Dänemark sollte nicht mit seinen Nachbarn um den Verkauf möglichst billiger fossiler Brennstoffe konkurrieren. So wie es heute ist, trägt Dänemark nun dazu bei, dass sich der Klimaeffekt der deutschen Steuer verringert. Das macht keinen Sinn, wenn man ein grünes Pionierland sein will.“

Forderung nach höherer Dieselsteuer auch in Dänemark

„Concito“ befürwortet daher unter anderem eine höhere Dieselabgabe in Dänemark, um das Tanken in Dänemark weniger attraktiv für ausländische Autofahrerinnen und Autofahrer zu machen. Gegenüber „Flensborg Avis“ sagte Concito-Chefökonom Torsten Hasforth, man habe nichts gegen den Grenzhandel per se. Doch seit 2021 sei es attraktiver geworden, nördlich der Grenze zu tanken. Man solle jedoch prüfen, ob man durch eine höhere Steuer nicht wieder eine bessere Preisbalance erreichen würde. „Wir denken, es ist etwas albern, dass wir ein Land sind, wo man Diesel tanken fährt. Dann ist es ein bisschen so, als ob wir damit Geld verdienen würden.“

Die Einnahmen durch den Grenzhandel mit Diesel sollten wir lieber hier für die Verkehrswende nutzen, anstatt sie nach Deutschland zu verlieren. Das bedeutet für uns mehr Geld für die Verkehrswende.

Jesper Schimann Hansen, Direktor des Pattburger Transportzentrums

Mehreinnahmen für die Verkehrswende

Jesper Schimann Hansen, Direktor des Pattburger Transportzentrums, lehnt den Steuervorschlag von „Concito“ entschieden ab. Deutsche und andere ausländische Speditionen tankten schon seit Ende der 1990er-Jahre nördlich der Grenze, sagt er. Mittlerweile hätten sich die Preise zwar dem deutschen Niveau angeglichen, aber Speditionen bekommen bei den dänischen Ölgesellschaften weiterhin gute Rabatte.

Der Grenzhandel habe für viele Arbeitsplätze und für zusätzliche Einnahmen in die Staatskasse gesorgt. Allein in Pattburg sei das jährlich eine halbe Milliarde Kronen. „Eine dänische Steuer würde in Pattburg zu Arbeitsplatzverlusten bei Tankstellen, aber wahrscheinlich auch bei Dienstleistungsunternehmen wie Autowaschanlagen und Werkstätten führen“, sagt Schimann Hansen. „Die Einnahmen durch den Grenzhandel mit Diesel sollten wir lieber hier für die Verkehrswende nutzen, anstatt sie nach Deutschland zu verlieren.“

Die Umstellung koste die Spediteure eine Menge Geld. „Wir brauchen also die ‚schwarzen' Steuern, damit grüne Kraftstoffe billiger werden.“ Je mehr ausländische Speditionen in Dänemark tanken würden, desto besser sei das, sagt Schimann Hansen. „Das bedeutet für uns mehr Geld für die Verkehrswende.“

Dänische Spediteure blicken auf geplante Maut 

Und noch eins kommt hinzu. In Dänemark gibt es Pläne, ab 2025 eine Maut für Lastwagen einzuführen. Die dänische Branchenorganisation der Spediteure ITD glaubt daher nicht an eine dänische Steuer nach deutschem Vorbild. So ein Vorhaben würde es für dänische Lkw-Fahrer nur noch teurer machen, erwarte man doch ohnehin schon die neue Maut. Henriette Kjær, Chefin der politischen Abteilung beim ITD, sagte „Flensborg Avis“: „Diesel wird in Zukunft ohnehin teurer. Es gibt daher keinen Bedarf für eine zusätzliche Dieselabgabe, um deutsche Dieseltouristen zu verhindern.“

Im Juni 2022 hatte die Regierung Pläne für eine kilometerbasierte Maut für Lastwagen ab zwölf Tonnen Gewicht präsentiert, die sich am CO2-Ausstoß der Fahrzeuge orientiert. Die Hoffnung der Politik: Durch die Maut sollen Diesel-Lkw unattraktiver werden und schnell mehr grüne Lastwagen auf dänischen Straßen rollen. Stefan K. Schou, administrativer Direktor der ITD, nannte die Pläne im Oktober eine bürokratische Steuer mit hohem Verwaltungsaufwand und einem bescheidenen CO2-Effekt. 

„Die Regierung weiß genauso gut wie wir, dass 99 Prozent der dänischen Lkw mit Diesel betrieben werden, und dass dies auch bei Einführung der Maut im Jahr 2025 der Fall sein wird. Daher haben praktisch alle Spediteure nur eine Möglichkeit, nämlich die Steuer zu zahlen und weiterhin Dieselfahrzeuge einzusetzen. Die einzige Auswirkung auf die Verkehrswende besteht also darin, sie zu verzögern. Weil es bedeutet, dass die Spediteure weniger finanziellen Spielraum haben, um in Elektro-Lkw zu investieren.“ Er forderte die neue Regierung auf, sich die Einwände der Speditionsbranche genau anzusehen und die geplante Maut noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. 

Ähnlich sieht das Thomas Rackow. Er fordert auf deutscher Seite einen steuerbegünstigten Truck-Diesel. In der jetzigen Krise koste Diesel mehr als Superbenzin, was eine zusätzliche Belastung für Logistik und Wirtschaft sei. Der Literpreis für Diesel müsse eigentlich mindestens 30 Prozent niedriger liegen. Investitionen in alternative Technologien seien daher vor allem für kleine Unternehmen kaum möglich.

Mehr lesen