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Zahnarzt aus SH berichtet: So läuft die Behandlung von Flüchtlingen wirklich ab

Zahnarzt aus SH berichtet: So läuft die Behandlung von Flüchtlingen wirklich ab

Zahnarzt: So läuft die Behandlung von Flüchtlingen ab

Dirk Fisser/shz.de
Bad Segeberg
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Flüchtlinge haben das Recht auf eine gesundheitliche Versorgung – beim Zahnarzt gibt es Einschränkungen. Foto: www.imago-images.de/shz.de

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CDU-Chef Friedrich Merz sagt, abgelehnte Asylbewerber würden sich in Deutschland beim Zahnarzt die Zähne machen lassen, während deutsche Patienten auf Termine warten. Was ist dran? Ein Zahnarzt, der Flüchtlinge in Bad Segeberg behandelt, bringt Ordnung in die aufgeregte Diskussion.

Derzeit stellen jeden Monat mehr als 20.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag, mehr als 200.000 sind es im laufenden Jahr bereits. Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, hat Anspruch auf zahnmedizinische Behandlung. Aber wie läuft das in der Praxis ab?

In Schleswig-Holstein betreibt das Bundesland sechs Unterkünfte. Sie sind die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge, die im Norden untergebracht werden. Mehr als 7000 Menschen leben an den unterschiedlichen Standorten, pro Standort also mehrere Hundert.

Wie werden Flüchtlinge medizinisch versorgt?

Die medizinische Betreuung hat das Land an einen Dienstleister vergeben: Das Unternehmen „Notarzt Börse” betreibt pro Standort eine Art Hausarztpraxis mit einem oder mehreren Medizinern. „Das ist die Anlaufstelle bei medizinischen Problemen für die Bewohner”, sagt Unternehmenssprecherin Berit Crawford. 

Der Betrieb sei vergleichbar mit jeder anderen Hausarztpraxis, nur dass häufig Dolmetscher zwischen Patient und Mediziner vermittelten. Die Kosten für die Behandlung trägt das Land Schleswig-Holstein. Zahnmedizinisch seien die Praxen allerdings nicht ausgestattet, so Crawford. Asylbewerber mit Zahnproblemen müssen mit einem Behandlungsschein außerhalb der Landesunterkünfte in regulären Praxen behandelt werden. 

Zahnarzt erklärt: Diese Leistungen erhalten Flüchtlinge

Eine Anlaufstelle ist dann die Praxis von Joachim Hüttmann in Bad Segeberg. In unmittelbarer Nähe zu seiner Praxis befindet sich eine der sechs großen Landesunterkünfte. Dementsprechend häufig behandelt der Mediziner, der auch im Freien Verband Deutscher Zahnärzte aktiv ist, Flüchtlinge.

Hüttmann sagt: „Man muss unterscheiden zwischen Asylbewerbern und Geflüchteten in Landesunterkünften, die erst seit Kurzem in Deutschland sind, und Personen, die bereits vom Land auf Kommunen verteilt worden sind.” Je nach Lebenssituation und verlebter Zeit in Deutschland variieren die Ansprüche der Migranten.

CDU-Chef Merz kritisiert Leistungen für Flüchtlinge

Ein Asylbewerber aus einer Landesunterkunft fällt demnach unter das Asylbewerberleistungsgesetz, das die Ansprüche auf zahnmedizinische Notfälle einschränkt. Hüttmann formuliert es so: „Wer Schmerzen hat, oder wer eine unaufschiebbare Behandlung benötigt, dem helfen wir.“ Auch die Wiederherstellung von defektem Zahnersatz sei denkbar. Für die Kosten käme das Land auf. Es werde niemand abgewiesen, der Schmerzen habe.

In seinem umstrittenen Talkshow-Beitrag bezog sich CDU-Chef Friedrich Merz allerdings explizit nicht auf diese Gruppe. Merz verwies auf 300.000 abgelehnte Asylbewerber, die trotzdem vollen Leistungsanspruch hätten. „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.” 

Welche Ansprüche haben Asylbewerber und Geduldete?

Zahnarzt Hüttmann behandelt auch Personen aus diesem Kreis. Sie haben die Landesunterkünfte verlassen und leben in kommunalen Unterkünften, etwa in Bad Segeberg. Trotz negativer Asylentscheidung sind viele von ihnen in Deutschland geduldet. Sie dürfen sich so lange im Land aufhalten, bis die Duldung ausläuft oder erneuert wird. 

Generell gilt: Hält sich der Asylbewerber oder Geduldeter länger als 18 Monate in Deutschland auf, ist die sogenannte Wartezeit verstrichen. Im Falle einer medizinischen Behandlung greifen dann nicht mehr die Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Versorgung gleich dann der eines Kassenpatienten. 

Behandlung lohnt sich für Ärzte nicht sonderlich

Geduldete hätten einen weitergehenden Anspruch als Asylbewerber, bestätigt auch Zahnarzt Hüttmann. „Ob das sinnvoll ist oder nicht, ist eine politische Frage. Das hat der Arzt nicht zu entscheiden. Wir haben Menschen zu helfen“, sagt Hüttmann. 

Es sei jedenfalls nicht so, dass sich die Behandlung von Asylbewerbern oder Geduldeten für Ärzte sonderlich lohne. Wie bei Kassenpatienten auch, seien die „kostenlosen” Behandlungsoptionen überschaubar. Für alles Weitere müsse dazu bezahlt werden. „Über das Geld verfügen diese Menschen aber nicht.“ Sich „kostenlos” die Zähne machen zu lassen, wie Merz es formulierte, beschränkt sich also auf notwendige Standardbehandlungen.

Keine Probleme mit Terminen

Hüttmann sagt: „Ob die zahnmedizinische Behandlung ein Pull-Faktor für Migranten ist, kann ich nicht beurteilen. Aber es liegt wohl nahe, dass sich in einer vernetzten Welt, in der fast jeder ein Smartphone hat, schnell herumspricht, dass die medizinische Versorgung in Deutschland besser und günstiger ist als andernorts.“

In seiner Praxis gebe es auch keine Probleme mit Terminen, sagt Hüttmann: „Wir kriegen das hin, obwohl die Behandlungen oft mühsam und sehr zeitintensiv sind.” Die Sprachbarriere sei ein Problem, auch wenn oft ein Dolmetscher dabei sei. „Das kann den Terminplan schon mal gehörig durcheinander bringen.“

Was für seine Praxis in einer Stadt gelte, sei auf dem Land aber möglicherweise ganz anders. „Gerade in kleinen Orten mit höchstens einer Zahnarztpraxis, aber mit großer Flüchtlingsunterkunft können die zusätzlichen Patienten die Terminsituation verschärfen.”

In der Zahnarztpraxis Simon in Bramsche-Hesepe, unweit der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsens, kommen regelmäßig Migranten. „Aber hier nimmt niemand jemand den Termin weg”, heißt es aus der Praxis. Ähnliches ist auch aus der mecklenburg-vorpommerischen Zahnarztpraxis von Maria Reich zu hören. Sie liegt nur wenige Kilometer entfernt von der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes. Es gebe ein ganz normales Patientenaufkommen.  

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