Vom Kreistag auf die Regierungsbank
Robert Habecks Weggefährten sprechen über Lernprozesse, Skepsis und frischen Wind
Habecks Weggefährten sprechen über Lernprozesse, Skepsis und frischen Wind
Habecks Weggefährten über Lernprozesse und Skepsis
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Seine politische Karriere begann Vizekanzler Robert Habeck im Schleswiger Kreistag. Einige seiner Weggefährten berichten über dessen erste Gehversuche, Stärken und Schwächen.
Als Robert Habeck am 8. Dezember zum Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und zudem noch als erster Grüner zum Vizekanzler ernannt wurde, haben im Norden viele Weggefährten aus dem Kreis Schleswig-Flensburg besonders genau hingeschaut. Sie kennen ihn schon relativ lange, schließlich hat er hier seine steile politische Karriere begonnen. Von seinem ersten Auftritt bei einem Kreisparteitag der siechenden Partie 2002 in Tarp über den Einzug in den Kreistag 2008 bis zum Termin beim Bundespräsidenten mit Krawatte in Berlin haben viele Menschen aus dem Kreisgebiet Habecks Karriere verfolgt. Wir haben einige von ihnen befragt: War Robert Habecks Weg in die Bundesregierung schon damals abzusehen, was musste er im Kreistag noch lernen, welche Stärken und Schwächen hat er gezeigt?
Manfred „John“ Wilner-Höfer, der den Grünen 1982 beigetreten war und jahrelang im Kreistag gesessen hat, kann sich gut daran erinnern, dass Robert Habeck zum Parteitag in Tarp auftauchte: „Wir waren nur ein kleiner Haufen und froh über jeden, der sich für uns interessierte. Mit ihm kam sofort frischer Wind in den Laden, er wollte etwas bewegen und wurde sofort zum Vorsitzenden gewählt.“
Sich informiert und Stellung bezogen
Für Wilner-Höfer stach Habeck gleich heraus: „Er konnte reden, aber auch zuhören, er hatte eine gute Auffassungsgabe, hat sich informiert und sofort Positionen bezogen. Und er konnte Menschen für sich gewinnen. Wir waren regelrecht begeistert.“ 2008 wurde Robert Habeck dann in den Schleswiger Kreistag gewählt. „Er war nicht mit allen Dingen in der Kommunalpolitik vertraut, ich habe ihn dann ein wenig unter meine Fittiche genommen“, so Wilner-Höfer, „und er hat sehr schnell gelernt, dass man auch Mehrheiten braucht, um Dinge durchzusetzen.“
Es sei allerdings schon bei dem Einzug in den Kreistag klar gewesen, dass die politische Karriere von Robert Habeck dort nicht enden würde. Der Karriereplan habe Größeres vorgesehen. Wilner-Höfer: „Das war schon vorher bekannt und besprochen.“ Und es klappte: Und schon nach knapp zwei Jahren wechselte Robert Habeck für die Grünen in den Landtag.
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Als besonders sieht der Alt-Grüne die Rhetorik von Robert Habeck an. „Ihm wird ja gelegentlich vorgeworfen, dass er herumschwurbelt, aber er benutzt keine Floskeln wie andere, sondern wird immer auch konkret und macht seine eigenen Gedanken und Auffassungen deutlich.“ Und Habeck habe neben vielen inhaltlichen auch strategische Ziele verfolgt. „Er wollte die Grünen immer regierungsfähig machen. Und dafür geht er auch Kompromisse ein.“
Werner Kiwitt (63) aus Glücksburg war an Habecks erstem Abend bei den Grünen ebenfalls dabei: „Ich war erst skeptisch, ob er als Philosoph wirklich Lust auf die Mühlen der Parteibasis hat. Aber ich habe an diesem Abend gleich gemerkt, dass er richtig zuhört und eine extreme Erdung hat", sagt Kiwitt. Später gehört Kiwitt zu denen, die für Robert Habeck Unterschriften sammelten, die für die Kreistagswahl notwendig waren.
„Er war natürlich immer ehrgeizig“, sagt der Grüne, der in Glücksburg die artefact gGmbH für globales Lernen und lokales Handeln betreibt. „Aber dieser Ehrgeiz war nie auf seine Person, sondern immer auf die Sache bezogen.“ Kiwitt sieht bei Habeck auch eine gewisse Eitelkeit, aber die brauche man schließlich, um in den diversen Talkshows bestehen zu können. Die Erwartungen an den neuen Minister und Vizekanzler seien jetzt sehr hoch, sagt Kiwitt. „Ich hoffe, dass er diesem Druck standhält.“
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Als Robert Habeck in den Kreistag einzog, saß ihm dort der jetzige Kreispräsident Ulrich Brüggemeier als CDU-Fraktionsvorsitzender gegenüber. „Wahrscheinlich kennt er mich nicht mehr, jedenfalls hat er mir seitdem nicht mehr Guten Tag gesagt“, moniert er. Dennoch erkennt Brüggemeier an, dass Habeck schon damals ein Ausnahmetalent gewesen sei. Er habe zwar teilweise extreme Vorstellungen gehabt, die meist im Plenum an der starken CDU-Mehrheit gescheitert seien. „Die demokratischen Entscheidungen aber hat er immer akzeptiert.“
Brüggemeier ist überzeugt davon, dass Robert Habeck in seiner Zeit im Kreistag viel gelernt hat. „Er kam als Theoretiker, hat aber sehr schnell begriffen, dass man Mehrheiten braucht, um gute Ideen durchzusetzen. Habeck habe also nicht auf den grünen Idealen beharrt, sondern nach Kompromissen gesucht. Habeck habe sich so auch in der CDU-Fraktion Achtung erworben: „Wenn er etwas gesagt hat, haben wir zugehört.“