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Robert Habeck will Naturschutz beim Ökostromausbau stark beschneiden

Robert Habeck will Naturschutz beim Ökostromausbau stark beschneiden

Habeck will Naturschutz beim Stromausbau stark beschneiden

Henning Baethge/shz.de
Berlin
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Will mehr Klimaschutz, aber weniger Naturschutz: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Foto: IMAGO/Janine Schmitz/shz.de

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Bisher sollen Umweltverträglichkeits- und Artenschutzprüfung nur beim Bau vieler Hochseewindparks wegfallen – doch nun will der Bundeswirtschaftsminister den Naturschutz auch beim Ökostromausbau an Land schleifen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Naturschutz beim Ausbau erneuerbarer Energien drastisch zurückdrängen. Hat das Ampelkabinett bisher nur beschlossen, dass die umfassenden Prüfungen auf Umweltverträglichkeit und Artenschutz lediglich bei der Errichtung von Hochseewindparks in bestimmten Meeresgebieten wegfallen sollen, will Grünen-Politiker Habeck solche „Beschleunigungsgebiete“ nun auch für den Bau von Windrädern an Land und Photovoltaik-Anlagen festlegen. Viele davon könnten in Schleswig-Holstein liegen.

Die neuen Pläne gehen aus einem Gesetzentwurf hervor, den Habeck gemeinsam mit Umweltministerin Steffi Lemke und Bauministerin Klara Geywitz den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt haben. Als Begründung für die Einschnitte beim Naturschutz wird im Gesetzentwurf der Klimaschutz angeführt und das angestrebte Ziel, die Stromversorgung in Deutschland bis 2030 zu mindestens 80 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen zu lassen. „Für die Erreichung dieses Ziels sind massive Anstrengungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich“, heißt es im Entwurf.

Mit den Plänen würden Habeck und Co. die bisher nur bis Mitte 2025 geltenden Naturschutzeinschnitte der EU-Notfallverordnung zum Ausbau der Ökostromproduktion dauerhaft etablieren. Die Ampel reagiert damit auf eine Richtlinie der Europäischen Union, die von den Mitgliedsstaaten erleichterte Genehmigungsverfahren für den Ökostromausbau verlangt.

Projektbetreiber sollen sich freikaufen können

In den künftigen Beschleunigungsgebieten entfallen die aufwendigen Einzelprüfungen für jedes Projekt. Stattdessen ist nur noch eine allgemeine „strategische Umweltprüfung“ für das gesamte Areal erforderlich. Und selbst wenn die ergibt, dass geplante Wind- oder Solarparks „höchstwahrscheinlich erhebliche unvorhergesehene nachteilige Umweltauswirkungen“ haben werden, können die Projektbetreiber sich dennoch von der dann eigentlich nötigen Umweltverträglichkeitsprüfung freikaufen.

Zu Beschleunigungsgebieten könnten nicht zuletzt viele der schleswig-holsteinischen Vorranggebiete werden, die in den Regionalplänen des Landes festgelegt sind oder noch werden. Während die für die Landesplanung zuständige Kieler Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack die Pläne der Ampel noch prüft und daher nicht abschließend bewerten will, warnt Landesenergie- und Umweltminister Tobias Goldschmidt davor, Klimaschutz auf Kosten des Naturschutzes zu betreiben.

Tobias Goldschmidt sieht „viele offene Fragen“

„Der Kampf gegen das Artensterben und die Erderhitzung sind zwei Seiten derselben Medaille – und keines von beidem wird mit der Holzhammermethode funktionieren“, sagt er. Dass Habeck den Ländern und Verbänden nur eine knappe Woche für eine Stellungnahme gebe, deute darauf hin, „dass der Bund hier sehr einseitig unterwegs ist“. Goldschmidt sieht in dem Gesetzentwurf noch „viele offenen Fragen“ und erwartet, dass der Entwurf verbessert wird.

Auch der Umweltverband BUND protestiert gegen die Pläne. Landeschef Ole Eggers kritisiert, dass Habeck deutlich über die Vorgaben der EU zur Beschleunigung des Ökostromausbaus hinausgeht. „Der Verzicht auf Umweltverträglichkeitsprüfungen ist hart an der Grenze des Erlaubten“, sagt er. Außerdem liege die Ampelkoalition auch in der Sache falsch, wenn sie Klimaschutz über Naturschutz stelle: „Das Klima kann man im Lauf der nächsten Jahrzehnte ändern – der Artenverfall ist nicht mehr rückgängig zu machen“, mahnt er.

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