Südschleswig

Gleisnetz in Schleswig-Holstein wird immer schlechter – Hauptstrecken besonders marode

Gleisnetz in Schleswig-Holstein wird immer schlechter

Gleisnetz in Schleswig-Holstein wird immer schlechter

Henning Baethge/shz.de
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Bahngleise in Neumünster: Das Schienennetz in Schleswig-Holstein ist so schlecht wie in keinem anderen Bundesland. Foto: Marcus Brandt/shz.de

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Schleswig-Holsteins Schienennetz wird immer schlechter. Vor allem vielbefahrene Hauptstrecken sind stark verschlissen. Immerhin wollen Bahn und Land nun gegensteuern – und einige Trassen modernisieren.

Das Schienennetz in Schleswig-Holstein ist im bundesweit schlechtesten Zustand – und verfällt noch immer mehr. Das geht aus dem neuen Netzzustandsbericht 2023 der Deutschen Bahn hervor, den die Konzerntochter DB Infrago jetzt veröffentlicht hat.

Demnach erhalten die Gleise im Land nur die Durchschnittsnote von 3,34 – das bedeutet „mittelmäßig“ bis „schlecht“. Im Jahr zuvor erhielt das Schienennetz im Norden noch eine 3,19. Anders als jetzt schloss diese Note allerdings noch Hamburg und nördliche Teile der benachbarten Bundesländer Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein. Diesmal hat die DB Infrago dagegen für jedes einzelne Bundesland eine Note ermittelt.

Am besten schneidet dabei Thüringen mit einer 2,64 ab, gefolgt von den anderen Bundesländern im Osten. Schlechte Noten erhalten die Schienen nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen. Auch im Bundesdurchschnitt hat sich der Zustand der Gleise etwas verschlimmert – von 3,01 auf 3,03.

„Das Schienennetz ist in Teilen zu alt, zu störanfällig und bietet zu wenig Kapazität, die durch viele Baustellen noch zusätzlich eingeschränkt wird“, räumt die DB ein. Vor allem Stellwerke und Bahnübergänge machen nicht nur in Schleswig-Holstein große Schwierigkeiten.

Diese Abschnitte sind besonders sanierungsbedürftig

Besonders heruntergekommene Streckenabschnitte nennt die Bahn diesmal zwar nicht – doch im letzten Jahr hat sie eine Karte veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass in Schleswig-Holstein vor allem einige Hauptstrecken stark sanierungsbedürftig sind. Das gilt für die Linien Neumünster-Flensburg, Neumünster-Kiel und Hamburg-Lübeck. Auch auf den Strecken Kiel-Lübeck und Hamburg-Neumünster gibt es viele Problemabschnitte.

In gutem oder zumindest mittelmäßigem Zustand sind in Schleswig-Holstein dagegen einige Nebenstrecken wie Neumünster-Büsum oder Husum-St. Peter-Ording. Auch weite Teile der Marschbahn zwischen Itzehoe und Niebüll erhalten noch akzeptable Noten.

Bahn räumt Unterfinanzierung des Streckennetzes ein

Grund für den immer schlechteren Zustand des Schienennetzes nicht nur in Schleswig-Holstein sei „eine jahrelange Unterfinanzierung“, sagt eine Bahnsprecherin. Viele Weichen und Kreuzungsgleise seien aus Kostengründen abgebaut worden. Gleichzeitig sei die Verkehrsbelastung seit der Bahnreform vor zwanzig Jahren „enorm gestiegen“ – im Personenverkehr um mehr als 40 Prozent, im Güterverkehr sogar um mehr als 80 Prozent. Die Folge: „Immer mehr Verkehr trifft auf eine Infrastruktur, die nicht mitgewachsen ist“, erklärt die Sprecherin.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen kritisiert die Bahn wegen des Verfalls der Gleise. „Es ärgert uns, dass wir immer mehr Probleme auf dem DB-Netz haben“, sagt er. Zwar sei es zu begrüßen, dass die Bahn inzwischen ehrlich und transparent den Zustand ihrer Gleise darstelle. Doch das die Fahrgäste im Land „jeden Tag unter dem besonders schlechten Schienennetz leiden müssen“, sei nicht akzeptabel.

Minister kritisiert: Bahn ist auf Verschleiß gefahren

„Die Trassen- und Stationsentgelte, die über die Eisenbahnunternehmen an die DB überwiesen werden, sind gestiegen, auf 160 Millionen Euro im letzten Jahr“, gibt Madsen zu bedenken – und fragt sich: „Was wurde mit dem Geld unternommen?“ Er wirft der Bahn vor, dass sie im Land auf Verschleiß gefahren sei und „viel zu wenig präventive Instandhaltung“ betrieben habe: „Das sehen wir nun zum Beispiel an zahlreichen Brücken, die dringend modernisiert werden müssen und nun ungeplant Ad-hoc-Baustellen verursachen.“

Beim Fahrgastverband Pro Bahn sieht man den Grund für die maroden Gleise in Schleswig-Holstein nicht zuletzt in der geografischen Lage des Landes: „Schleswig-Holstein liegt am Rand – und damit am Rande des Interesses von Bahn und Bund“, sagt Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann.

Strecke Lübeck-Hamburg wird grundlegend saniert

Immerhin hat die DB kürzlich zusammen mit dem Land einen „Zehn-Punkte-Plan“ zur Verbesserung des Schienennetzes aufgestellt. So soll wie berichtet die Strecke Lübeck-Hamburg 2027 grundlegend saniert und dafür fünf Monate gesperrt werden. An der Westküste soll die Marschbahn nicht nur elektrifiziert werden, sondern auch moderne, elektronische Stellwerkstechnik erhalten.

Zudem soll die Trasse Heide-Neumünster ausgebaut werden, so dass hier künftig auch Güterzüge zum geplanten Northvolt-Batteriewerk bei Heide fahren können. Die Strecke Kiel-Preetz wird ebenfalls ausgebaut, die Strecke Kiel-Hamburg modernisiert. Zwischen Neumünster und Flensburg werden Gleise an der Rendsburger Kanalhochbrücke saniert. Zudem sollen diverse Bahnhöfe im Land erneuert werden.

Das allerdings ist an vielen Stationen im Norden gar nicht mehr nötig. Denn laut dem neuen Netzzustandsbericht der DB Infrago sind die Bahnhöfe in Schleswig-Holstein die besten in ganz Deutschland. Mit einer Durchschnittsnote von 2,78 liegen sie im Ländervergleich vorn – vor Mecklenburg-Vorpommern mit 2,80 sowie Hamburg und Niedersachsen mit 2,85. Schlusslicht sind die Bahnhöfe in Thüringen mit einer 3,34.

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