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Ljubomir Vranjes im Interview: „Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch“

Ljubomir Vranjes: „Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch“

Ljubomir Vranjes: „Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch“

Jannik Schappert
Flensburg
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Ljubomir Vranjes will die SG Flensburg-Handewitt zu neuen Erfolgen treiben. Foto: Imago/PanoramiC

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Der ehemalige Trainer der SG kehrt in neuer Funktion zurück an die Flensburger Förde. Ab Sommer arbeitet Vranjes als Sportlicher Leiter im Hintergrund. Es gibt Skeptiker: Kann der 49-Jährige das? Ja, sagt Vranjes.

Mit Ljubomir Vranjes als Trainer hat die SG Flensburg-Handewitt große Erfolge gefeiert. Über allem steht der sensationelle Champions-League-Triumph 2014.

Nach sechs Jahren kehrt der 49-Jährige in neuer Funktion als Sportlicher Leiter zurück nach Flensburg. Sechs Jahre, in denen Vranjes’ Karriere ein Auf und Ab war. Seine Engagements in Veszprem, als ungarischer Nationaltrainer und in Kristianstad hielten jeweils keine zwei Jahre.

Vranjes coachte Slowenien (Dezember 2019 bis Januar 2022) und im ersten Halbjahr 2022 die Rhein-Neckar Löwen. Den französischen Club Nimes führte er in der zurückliegenden Saison überraschend in den Europapokal.

Im Interview erzählt Vranjes, der früher als jemand galt, der am liebsten alles steuern und bestimmen wollte, was die Erfahrungen mit ihm als Mensch gemacht haben und was er nach seiner Rückkehr bei der SG anpacken will.

Sechs Jahre nach Ihrem Abschied von der SG Flensburg-Handewitt kehren Sie zurück zu dem Verein, bei dem Sie als Trainer groß geworden sind. Wie fühlt sich das an?

Ich bin froh, dass ich noch eine Chance bei der SG bekomme und glücklich, dass der Verein mir wieder das Vertrauen schenkt. Ich spüre eine gute Harmonie in mir und fühle mich wirklich gut. Da ist ganz viel Energie, die ich gerne mit dem Verein teilen will. Ich werde alles tun, um zu helfen, dass die SG ihre hohen Ziele erreicht.

Was unterscheidet den Ljubomir Vranjes, der 2017 nach Veszprem gegangen ist von dem Ljubomir Vranjes, der 2023 wieder nach Flensburg kommt?

Erfolg verändert Menschen – das war auch bei mir in meiner SG-Zeit so. Während meiner Reise durch Europa habe ich Vieles realisiert und viel Neues gelernt: sportlich, taktisch, über Führungsqualitäten. Ich spreche sechs Sprachen und habe ein Netzwerk über ganz Europa. Aber am meisten habe ich mich durch all die Erfahrungen – gute und schlechte – als Person weiterentwickelt. Ich bin jetzt ein ganz anderer Mensch.

Inwiefern?

Ich sehe heute viele Dinge mit anderen Augen. Ich kommuniziere und delegiere besser als früher. Demut – das ist das, was ich in den vergangenen Jahren gelernt habe. Aber ich bin noch genauso heiß auf Erfolg und darauf, Dinge zu entwickeln.

Können Sie mit Blick auf Ihr früheres Wirken Skepsis nachvollziehen, ob Sie wirklich im Hintergrund arbeiten können?

Die Leute werden sich vielleicht wundern, wie sehr ich mich verändert habe. Eigentlich wollte ich nie Trainer werden. Das wurde ich damals 2010, als ich ja schon so etwas wie der Sportliche Leiter der SG war, aus der Not heraus. Ich möchte lieber hinter den Kulissen arbeiten und dort meine Kompetenzen und Erfahrungen einbringen. Es ist jetzt an der Zeit für mich, diesen Schritt zurück zu machen. Ich glaube, dass es mit mir als Sportdirektor im Hintergrund sehr gut passt. Die Mannschaft werden einzig und allein Nicolej Krickau und Mark Bult steuern.

Sie waren bei der SG kurzzeitig ein Kandidat für das Traineramt. Jetzt klingen Sie so, als seien ihre Trainer-Ambitionen erschöpft.

Sie sagen, Ihre Zeit auf der Bank ist beendet. Was ist, wenn der neue SG-Trainer Nicolej Krickau Sie auf eben diese holen will? Beim THW Kiel sitzt Viktor Szilagyi auch auf der Bank.

Wenn Nicolej mich auf die Bank holen will, weil er glaubt, dass ich dort helfen kann, weiß ich noch nicht, was ich ihm antworte. Wie schon gesagt: Eigentlich möchte ich hinter den Kulissen bleiben. Aber am Ende tue ich alles, um der SG zu helfen, wieder erfolgreich zu sein und auch wieder deutscher Meister zu werden.

Diesen Titel haben Sie den Fans versprochen, als Sie 2015 den Pokalsieg gefeiert haben. Aber Sie konnten die Meisterschaft nicht gewinnen. Sind Sie noch nicht fertig in Flensburg?

Ich bin absolut noch nicht fertig in Flensburg. Wir haben und werden auch in Zukunft eine sehr schlagkräftige Mannschaft haben, die die deutsche Meisterschaft gewinnen kann – und auch die Champions League. Wenn man die Spieler und das ganze Drumherum sieht, müssen wir bei der SG höhere Ziele haben als nur die Meisterschaft.

Wann beginnt Ihre Mission und was sind Ihre ersten Schritte?

Ich komme noch diese Woche nach Flensburg. Spätestens ab dem 1. Juli werden wir dann sehr hart arbeiten. Ich muss als Erstes in Ruhe mit Holger Glandorf, Nicolej Krickau, Mark Bult, den Spielern, dem ganzen Staff und Johann Volquardsen (Geschäftsführer der Flensburg Akademie, Red.) sprechen. Ich brauche von allen Informationen, bevor wir zusammen den gemeinsamen Weg einschlagen. Ich habe Ideen, aber im Verein müssen alle in die gleiche Richtung gehen – von der Jugend bis zur Geschäftsstelle. Alle werden viel Zeit investieren müssen, um dies zu schaffen.

Zuletzt wirkte es eher so, dass es ganz verschiedene Richtungen gibt. Die SG erlebt stürmische Zeiten.

Ich weiß noch nicht genau, was in Flensburg passiert ist. Darüber werde ich mich ganz genau informieren. Es wird zusammen mit dem Trainerteam meine Aufgabe sein, Stabilität in die Mannschaft zu bekommen. Es kommen ein neuer Trainer und fünf neue Spieler. Es braucht Harmonie und unbedingt Ruhe, damit das Team erfolgreich sein kann. Ich möchte auch mit den Fans kommunizieren und sie mitnehmen.

Es war immer wieder zu hören, dass es in der Mannschaft Reibereien gab. Was sagen Sie dazu? 

Es ist wichtig, dass die Spieler spüren, was es für eine Ehre ist, das SG-Trikot anzuziehen. Sie müssen stolz sein und großen Willen zeigen. Nach allem, was ich so höre, hat das ein bisschen gefehlt zuletzt. Jeder Spieler muss bereit sein, die Bedürfnisse des Teams über seine individuellen Wünsche zu stellen. Das will ich vermitteln.

Maik Machulla hat in seiner letzten Presserunde als SG-Trainer angedeutet, dass die Spieler heute weniger kritikfähig sind als früher. Sehen Sie das auch so?

Die Jungs sind heute ganz anders. Man kann nicht mehr so hart kommunizieren. Diese Generation wächst nicht mehr auf der Straße auf, sondern vor der Playstation und am Handy. Man muss die Art und Weise der Kommunikation anpassen.

In der Mitteilung, dass Sie Sportlicher Leiter werden, haben Sie Ihre Vorfreude geäußert, mit der Flensburg Akademie und dem Nachwuchs zusammenzuarbeiten. Sehen Sie Verbesserungsmöglichkeiten in der Jugendarbeit der SG?

Erstmal möchte ich zuhören. Hat es funktioniert, was bisher gemacht wurde? Und dann will ich gemeinsam einen Weg finden, wie wir kleine Projekte und Schritte umsetzen können. Ich werde nicht von Anfang an große Ziele formulieren. Aber: Nächste Saison hat die SG mit Johannes Golla einen deutschen Spieler in der Mannschaft. Ich weiß nicht, wie es dazu gekommen ist. Aber das ist zu wenig. Wir müssen versuchen, die eigene Jugend und Talente aus ganz Europa zu uns zu bringen. Wir müssen auch zu Vereinen schauen, die das sehr gut machen, etwa Berlin und die Rhein-Neckar Löwen.

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