Kultur an der Westküste
Tønder Revy 2022: Soll man nun lachen oder weinen?
Tønder Revy 2022: Soll man nun lachen oder weinen?
Tønder Revy 2022: Soll man nun lachen oder weinen?
Diesen Artikel vorlesen lassen.
Mit 18 neuen Sketchen und Liedern sowie sechs Neuauflagen der Klassiker geht eine fast 40-jährige Tradition zu Ende. Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Und es wird aufgeklärt, warum die Königin einen Privatlehrer für Sønderjysk engagiert hat.
Vor einigen Jahren sang die österreichische Schlagersängerin Penny McLean das Lied „Zwischen zwei Gefühlen schwanke ich hin und her“. In dieses Wechselbad der Gefühle gerät auch das Publikum, wenn die letzte Ausgabe der Tønder Revy in der Schweizerhalle über die Bühne geht. Am Sonntag, 24. April, ist endgültig Schluss: Zum letzten Mal fällt der Vorhang.
Andere Vorstellungen im Herbst
Die Theatergruppe Tønder Amatørscene hat die Revue nach fünf Vorstellungen schweren Herzens zu den Akten gelegt. „Aber es wird im Herbst Vorstellungen anderer Art stattfinden, aber halt keine Revue mehr“, meint der Vorsitzende des Theatervereins und langjährige Regisseur der Revue, Tommy Juhl. Er gibt aber zu, dass er bei einer Probe auch nicht die Tränen zurückhalten konnte. Es sei traurig, dass es die letzte Revue sei. Gleichzeitig hätten sich alle unheimlich auf die 2022-Ausgabe gefreut, so Tommy Juhl und verspricht dem Publikum großen Spaß.
Das große Finale ist wie immer ein humoristischer und musikalischer Leckerbissen, obwohl in diesem Jahr die ganz, ganz großen Lachkracher nicht dabei sind. Man lacht aber dennoch viel, obwohl man weiß, dass die Revue-Truppe in ihrer jetzigen Formation in Rente geht, da die langjährigen, führenden Kräfte gerne das Zepter an andere Mitstreiterinnen und Mitstreiter abgeben würden. Diese konnten nicht gefunden werden. Und das ist zum Heulen. Das kulturelle Highlight im Frühjahr wird es nicht mehr geben.
Als Schlussstrich sind 18 neue Sketche und Lieder sowie sechs „Wiederholungen“ zu einer unterhaltsamen und abendfüllenden Show zusammengesetzt worden. Unter den zwölf Darstellerinnen und Darstellern befinden sich drei neue Kräfte, die man schon viel früher gerne auf der Bühne gesehen hätte. Das junge Paar Astrid Clemmensen und Jeppe S. Christensen überzeugt genauso wie Erik S. Kristensen, der zwar kein Revuenovize ist, aber als Textverfasser dabei gewesen ist. Nur sein Debüt als Schauspieler musste bis 2022 warten.
Sie mischen sich nahtlos und positiv auffallend ins Team der sechs bewährten Darsteller und drei überragenden Theaterfrauen ein. Das zwölfköpfige Team singt, was das Zeug hält, springt im fliegenden Wechsel in neue Kostüme und spielt die Rollen voller Inbrunst zum großen Finale.
Aufs Korn genommen wird die Kommunalpolitik, die Politik aus dem Folketing. Es gibt auch einen ganz kleinen Hauch internationaler Politik, dafür aber viele Sketche mit Themen, die die Gesellschaft heute bewegen: Metoo, Veganer kontra fleischessende Individuen, LGBT, Geschlechtsumwandlung, politische Korrektheit, die grüne Umstellung und die technologische Entwicklung in unseren eigenen vier Wänden vom Sofa aus.
Sogar das Coronavirus, das schuld an der zweijährigen Zwangspause der Revue war, wird auf humorvolle Weise umgesetzt, auch mit einer genialen Virusweise „Det er vinter, det er gråt, det er testdag. Der Film „Far til fire“ lässt grüßen.
Es stellt sich auch zu diesem Thema die Frage, was man sich erlauben kann und was nicht. Ein Zitat aus der diesjährigen Revue. Die Frage beantwortet sich von selbst. Nicht peinlich werden und nie unter die Gürtellinie gehen, ist die Marschvorgabe der Tonderner Revue durch die vergangenen 40 Jahre.
Erinnerung an Hanne Callsen
In Erinnerung an die verstorbene Revue-Komikerin Hanne Callsen wird der umwerfende Sketch Sudoku in der Neubesetzung Pia Hansen und Pia Kjær Jensen aufgelegt – eine äußerst sympathische Entscheidung und ein Zeichen des Respekts.
Bei Dirk Andresens Auftritt als langweiligster Mann bleibt wie immer kein Auge trocken. Eine interessante Rolle nimmt er als Privatlehrer von Königin Margrethe (wieder köstlich dargestellt von Henry Madsen) ein, als der Monarchin als Vorbereitung auf ihren Besuch in der Kommune Tondern eine Lektion Sønderjysk erteilt werden muss. Sie versteht sich eher als Partygirl in der royalen World. Aber in Tondern wird sie jemandem begegnen, der diese nordschleswigsche Mundart auch in seinem neuen Amt als Bürgermeister spricht.
Ein kommunalpolitisches Thema darf bei der Abschlussrevue natürlich nicht fehlen: der Machtkampf zwischen Venstre und der Tønder Liste. Die Kontrahenten Henrik Frandsen und Martin Iversen werfen sich gegenseitig Verrat und Spaltung der Partei vor und werden sich zuletzt hinterrücks gegenseitig erdolchen.
Oder ein Henry Madsen, der als Straßenkehrer froh ist, dass erst wieder in vier Jahren gewählt wird. Sonst würde er einen „prop“ kriegen – eine von vielen Wortzaubereien mit dem Mittelnamen des neuen Bürgermeisters Jørgen Popp Petersen. Der Wahlkampf sei ein Angriff auf die Seele und den Körper gewesen und zuletzt ist Poppen på toppen, singt Henry Madsen. Eine deutsche Übersetzung in dieser Sache erübrigt sich.
Die Revuetruppe beweist sich erneut als eingeschworenes Team. Einer für alle und alle für einen. Daran können eine akute Operation und ein Trauerfall nichts ändern. Man steht zusammen und will jetzt endlich nach zweijähriger Corona-Pause Revue spielen.
Und das tut die ganze Truppe, die vor, auf und hinter der Bühne agiert hat, im Abschiedslied „Det var det“. Es wird dem Publikum alles Gute und Glück gewünscht, man solle gut auf sich Acht geben, und morgen sei auch noch ein Tag. Sie würden aber jetzt den Laden dicht und das Licht ausmachen.
Danke schön
Alle diese Wünsche kann das Publikum den Aktiven in reichem Maß zurückgeben und das Lied singen: So schön, schön war die Zeit. Denn die Revue hat uns Jahr für Jahr ein Erlebnis beschert, von dem wir lange zehren konnten. Die Revue ist im Laufe ihrer 40-jährigen Geschichte immer professioneller geworden.
Alles wird bis zur Perfektion und mit der Liebe zum Detail gebracht, angefangen bei von eigenen Schneiderinnen genähten Kostümen über den kreativen Kulissenbau, den Beleuchtern, der Maske bis hin zu den Texten und der schauspielerischen Darstellung und musikalischen Begleitung der eigenen Revue-Band. Das verdient Respekt und ein großes Dankeschön frei nach dem Motto des Peter-Alexander-Lieds „Danke schön, es war bezaubernd, danke schön, wenn wir auch auseinandergehen ...“