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„Løkke ist mit 60 immer noch das Stehaufmännchen der dänischen Politik“

Løkke ist mit 60 immer noch das Stehaufmännchen der dänischen Politik

Løkke ist das Stehaufmännchen der dänischem Politik

Kopenhagen
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Ein strahlender Lars Løkke Rasmussen bei seinem Geburtstagsempfang: In dieser Verfassung ist er fast unschlagbar. Foto: Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix

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Der ehemalige Staats- und jetzige Außenminister Lars Løkke Rasmussen feierte am Mittwoch seinen 60. Geburtstag. Walter Turnowsky zeichnet ein Bild der Aufs und Abs in der lebenslangen politischen Karriere des „kleinen Lars aus Græsted“.

Am einen Ende der Wandelhalle auf Christiansborg hängen Porträts von sämtlichen ehemaligen Staatsministern und der einen ehemaligen Staatsministerin des Landes. Doch nach einem Gemälde sucht man vergebens, das von jenem Lars Løkke Rasmussen, der am Mittwoch seinen 60er feierte. Dabei ist er nicht nur einmal, sondern sogar zweimal Regierungschef gewesen. 

Für das fehlende Porträt gibt es einen besonderen Grund, auf den wir noch zurückkommen werden.

 

Zwei von Lars Løkke Rasmussens Vorgängern: Anders Fogh Rasmussen, Venstre (links) und Poul Nyrup Rasmussen, Sozialdemokratie Foto: Walter Turnowsky

Die Feier zum 60. Geburtstag war für Lars Løkke Rasmussen wesentlich schöner als die zum 50., was er auch selbst ansprach. Er sei jetzt wesentlich fröhlicher.

„Es hat Ups und Downs gegeben, was alle von außen mitverfolgen konnten, aber jetzt bin ich an einem guten Punkt angelangt“, sagte er den oberen Zehntausend, die anlässlich des Tages erschienen waren (in Wahrheit waren es wohl einige hundert).

Von Aalen im Schlamm

Dass er sich in der Rolle als der moderate Kit zwischen den ungleichen Koalitionspartnern von Venstre und der Sozialdemokratie wohlfühlt, sieht und hört man ihm Tag täglich an. Er fühlt sich wohl, wie ein Aal im Schlamm – wie man im Dänischen sagen würden.

Das mit Aal und Schlamm war vor zehn Jahren eher wie Fisch auf Fahrrad – und das hatte mit Unterhosen zu tun. Die und weitere Klamotten sowie Schuhe hatte sich der „kleine Lars aus Græsted“ (wie einer seiner Spitznamen lautet) von der Kasse seiner damaligen Partei Venstre zahlen lassen – eine Parteikasse, die wohlgemerkt auch mit Steuermitteln gefüttert wird.

Verhängnisvolle Unterhosen

Es ging zwar nur um gut 150.000 Kronen, aber es war nicht das erste Mal, dass Løkke seine privaten Finanzen und die Steuergelder ein wenig durcheinandergebracht hatte. Daher hatten so einige Venstre-Hauptvorstandsmitglieder und Lokalverbandvorsitzende allmählich die Nase voll von den Eskapaden des Vorsitzenden.

Und noch voller wurden die Nasen, als bekannt wurde, dass die Partei auch für eine Mallorca-Reise von nahen Familienmitgliedern sowie die Säuberung von Nichtraucherzimmern, in denen Løkke geraucht hatte, gezahlt hatte. 

Als Venstre dann Ende Mai 2014 die Europawahl mit 16,7 Prozent in den Sand setzte, schien der kleine Lars das Ende der Fahnenstange erreicht zu haben. Immer mehr Parteimitglieder drückten offen ihr Misstrauen aus. 

Ein Leben in der Politik

Er schien eine politische Karriere, die er mit 21 Jahren als Stadtratsmitglied in der Kommune Græsted-Gilleleje begann, an die Wand gefahren zu haben. In Græsted-Gilleleje war er Vizebürgermeister geworden. Es folgten Posten als Amtsbürgermeister im damaligen Frederiksborg Amt, als Innen- und Gesundheitsminister und als Finanzminister, bis er 2009 als Nachfolger von Anders Fogh Rasmussen das Staatsministerium übernahm.

Den Posten als Regierungschef musste er jedoch – trotz einer guten persönlichen Stimmzahl – zwei Jahre später an die Sozialdemokratin Helle Thorning-Schmidt abgeben. 2014 trauten immer weniger Løkke zu, dass er den Posten zurückerobern konnte.

Das Drama in Odense

Das war der Auftakt für acht der dramatischsten Stunden in der jüngeren politischen Geschichte Dänemarks. 132 Mitglieder des Hauptvorstandes sollten am 3. Juni in Odense über die Zukunft des Vorsitzenden entscheiden. Sein Vize, Kristian Jensen, hatte sich seinen Gefolgsleuten gegenüber bereit erklärt, den Parteivorsitz zu übernehmen. Løkke selbst hatte sich im Vorfeld dafür entschieden, zurückzutreten, änderte aber seine Meinung.

Nach sieben Stunden Debatte naht die Abstimmung über einen Misstrauensantrag, doch Løkke bittet um eine Pause. Er verlässt gemeinsam mit Kristian Jensen den Sitzungssaal. Als sie 15 Minuten später zurückkommen, ergreift Jensen das Wort. Sie hätten sich darauf geeinigt, der Versammlung zu empfehlen, dass Lars Løkke Rasmussen als Vorsitzender und er selbst als zweite Vorsitzender weitermachen sollten. 

Erneut Staatsminister

Das Stehaufmännchen hatte sich ein weiteres Mal aufgerichtet. Noch aufrechter stand es nach der Folketingswahl ein Jahr später. Venstre hatte zwar Stimmen verloren und Helle Thornings Sozialdemokratie zugelegt, aber dank des guten Abschneidens der Dänischen Volkspartei reichte es für eine bürgerliche Regierung mit Løkke an der Spitze. Und Helle Thorning Schmidts Porträt ziert jetzt die Wände auf Christiansborg. 

Vier Jahre später musste er den Posten als Regierungschef jedoch erneut an eine Sozialdemokratin abgeben. Diesmal hieß sie Mette Frederiksen. Während des Wahlkampfs hatte Løkke jene Idee ins Spiel gebracht, die seine weiter politische Laufbahn definieren sollte. Im Buch „Befrielsen Øjeblik“ (Augenblick der Befreiung), plädierte er für eine Koalition mit der Sozialdemokratie, um den Einfluss der politischen Außenflügel zu stutzen.

Helle Thorning Schmidts Porträt hängt bereits auf Christianborg; Lars Løkke Rasmussens noch nicht. Foto: Walter Turnowsky

Der Rücktritt

Die Idee bescherte ihm im Juni 2019 einen Wahlerfolg, parteiintern jedoch Ärger. Er hatte sie nämlich im Vorfeld mit der übrigen Parteispitze abgestimmt. Für eine bürgerliche Mehrheit reichte es nicht, und Mette Frederiksen fiel zum damaligen Zeitpunkt im Traum nicht ein, mit Løkke eine Koalition einzugehen. Es sollte der Anfang vom Ende für seine Zeit als Venstre-Häuptling sein.

Das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vize Kristian Jensen war seit den dramatischen Stunden in Odense nie besonders glücklich. Nach der Wahl brach offener Streit zwischen ihnen über Løkkes Wahlstrategie aus. Im August traten beide von ihren Posten zurück, und Jensen schied aus der Politik aus.

Neuanfang gemeinsam mit Henrik Frandsen

Løkke hielt es jedoch nicht lange als Hinterbänkler aus. Im Januar 2021 trat er aus Venstre aus und gründete ein politisches Netzwerk. Mit der Idee von der breiten Regierung über die Mitte wollte er erneut politischen Einfluss erringen. Im Juni gründete er die Partei der Moderaten.

Einer seiner Gefolgsleute wurde ein nordschleswigscher Politiker, dessen Laufbahn durchaus Parallelen zu der von Løkke aufweist: der ehemalige Tondern-Bürgermeister Henrik Frandsen. Auch er hatte es nicht ausgehalten, als Venstre ihn als Bürgermeisterkandidaten geschasst hatte. Er gründet seine eigene Liste, die Tønderliste, musste aber den Spitzenposten in der Kommune an Jørgen Popp Petersen von der Schleswigschen Partei abtreten.

Ein fitter Løkke darf nicht unterschätzt werden

Zunächst sah es jedoch nicht unbedingt nach einem Erfolg für Løkkes und Frandsens Projekt aus. Währende eine zweite Ex-Venstre-Politikerin, Inger Støjberg, mit ihren Dänemarkdemokraten in den Umfragen Erfolge feierte, dümpelten die Moderaten ein wenig vor sich hin. 

Bei Lars Løkke Rasmussen kann man die politische Kampfform immer auch an seiner physischen Verfassung ablesen. Wenn er zum Beispiel für den Rynkeby-Lauf nach Paris trainiert hat, ist er auch politisch fit. Im Juni 2022 vor der sich anbahnenden Folketingswahl war er jedoch immer noch deutlich übergewichtig, sah nicht gesund aus. 

Nach den Sommerferien hatte er deutlich abgenommen, die Energie leuchtete förmlich aus ihm heraus, und im Herbst legte er einen fulminanten Wahlkampf hin. Dabei kam ihm zugute, dass auch Mette Frederiksen plötzliche ihre Liebe für die breite Zentrumsregierung entdeckt hatte.

Erklärung für das fehlende Gemälde

Nach langen Regierungsverhandlungen kam Lars Løkke Rasmussen dann wieder dort an, wo er sich am wohlsten fühlt: im Zentrum der Macht. Seine ehemalige Partei, Venstre, tut sich mit Wohlfühlen in der SVM-Koalition dagegen schwer.

Da scheint es Løkke sogar zu gefallen, dass er diesmal nicht der Chef der Regierung ist. So große Erfolge waren seinen beiden Perioden als Staatsminister dann auch wieder nicht.

Was jedoch nicht heißen will, dass er es nach der kommenden Wahl nicht doch noch einmal versuchen wird. Und damit wären wir endlich auch wieder bei dem fehlenden Porträtgemälde angekommen. Denn dort an der Wand auf Christiansborg hängen ja nur die Bilder der ehemaligen Staatsminister – und der kleine Lars sieht sich eben noch nicht unbedingt als ehemaliger. 

Und die schlankere Figur hat er sich dies mal so einigermaßen bis heute bewahrt...

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