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Dänemark sichert Millionen Kronen für grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu

Dänemark sichert Millionen Kronen für grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu

Dänemark sichert Millionen für Bahnverkehr im Grenzland zu

Apenrade/Aabenraa
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Deutsche Regionalbahnen sollen ab 2027 bis nach Tingleff fahren.
Deutsche Regionalbahnen sollen ab 2027 bis nach Tingleff fahren. Foto: Jens Christian Top/Ritzau Scanpix

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Dänemark und die schleswig-holsteinische Nahverkehrsgesellschaft Nah.SH arbeiten an der Umsetzung des künftigen Regionalverkehrs im Grenzland. Wie aus einem zuvor vertraulichen Papier des Transportministeriums hervorgeht, wird Dänemark Neuanschaffungen und Umrüstungen von deutschen Zügen mitfinanzieren, die ab 2027 bis nach Tingleff rollen sollen. Nicht alle sind glücklich über diese Lösung.

Ab 2027 werden die dänischen IC-Züge voraussichtlich nicht mehr bis Flensburg fahren, dafür sollen künftig die deutschen Regionalzüge aus Hamburg bis zum neuen dänischen Bahnknotenpunkt in Tingleff (Tinglev) rollen. Um diesen grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu sichern, will Dänemark ab 2027 für 30 Jahre jährlich bis zu 9 Millionen Kronen in die Hand nehmen. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Papier des Transportministeriums hervor, das bislang als vertraulich eingestuft war

Die Finanzierung ist erforderlich, um die jährlichen Zusatzkosten für den Kauf von zwei weiteren Zuggarnituren für die Erweiterung der deutschen Regionalbahnlinie RE7 nach Tingleff ab Dezember 2027 zu decken. Zusätzlich müssen weitere 21 Zuggarnituren für den grenzüberschreitenden Einsatz angepasst werden.

Zwei Stromnetze: Züge müssen umgerüstet werden

Auf dem deutschen Teil der Strecke zwischen Pattburg (Padborg) und Flensburg arbeiten die dänischen Staatsbahnen DSB noch bis Dezember 2027 im Rahmen eines Vertrags mit Nah.SH zusammen. Wenn die derzeit für diese Aufgabe eingesetzten IC3-Züge ausgemustert werden, muss eine neue Lösung her. Denn der elektrisch betriebene Ersatz für die alten IC3-Züge, der IC5, kann nur mit dänischem Bahnstrom fahren und ist daher nicht für den Betrieb in Deutschland geeignet. 

Damit weiterhin Züge auf der Strecke Tingleff-Pattburg-Flensburg (Tinglev-Padborg-Flensborg) über die Grenze fahren können, wurde laut Papier ein zweiteiliges Vertragswerk entwickelt. Der eine Punkt ist die Beschaffung und Umrüstung des Zugmaterials, der zweite Punkt der künftige Betrieb. 

Ziel ist es laut Dokument, eine Gesamtvereinbarung über den deutschen Regionalbahnverkehr zwischen Hamburg und Tingleff mit Nah.SH zu treffen. 

Vertrauliches Papier entstand im September

Anfang September hatten die Vergleichsparteien hinter dem Infrastrukturplan 2035 Verkehrsminister Thomas Danielsen (Venstre) beauftragt, dem Nahverkehrsverbund Nah.SH in Schleswig-Holstein die Zusage zu geben, dass Dänemark die Anschaffung der zwei zusätzlichen Züge mitfinanziert, und sich an den Kosten der Ausrüstung von weiteren 21 Zügen für den grenzüberschreitenden Zugverkehr beteiligt.

Das ist eine positive Nachricht für das Grenzland.

Rainer Naujeck

Deutsche Regionalbahn bald bis Tingleff

Damit die deutschen Regionalbahnen auf der Linie RE7 zwischen Hamburg und Flensburg bis nach Tingleff weiterfahren und eine Gesamtverbeinbarung unterzeichnet werden kann, muss Nah.SH das erforderliche Zugmaterial bei Hersteller Alstom bereits jetzt kaufen. Nach Informationen des „Nordschleswigers“ soll das gesamte Rollmaterial über eine Finanzierungsgesellschaft angeschafft werden, sodass ein staatlicher Fahrzeugpool entsteht.

Ausschreibung für Betreiber noch 2024

Der zweite Punkt im Dokument ist der Betrieb. Die deutschen Regionalzüge zwischen Tingleff und Flensburg/Hamburg sollen demnach von einem Betreiber operiert werden, der in einer zukünftigen Ausschreibung von Nah.SH im Jahr 2025 gefunden werden soll. Die Ausschreibung wird sich auf zwei Zeiträume von jeweils 15 Jahren ab Dezember 2027 erstrecken. 

Aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium in Kiel heißt es auf Nachfrage: „Für Mitte 2024 bis Ende 2024 ist nun die Vergabe der Verkehrsleistung des Netzes Mitte/Süd-West mit Betriebsstart Ende 2027 geplant.“ 

In der Ausschreibung ist demnach die zweistündliche Verlängerung des RE7 über Flensburg hinaus nach Tingleff vorgesehen. „Eine Option in der Ausschreibung beinhaltet die Verdichtung auf einen Stundentakt, so wie er beim RE7 zwischen Hamburg und Flensburg angeboten wird“, heißt es weiter. Vertragliche Details zur Ausschreibung würden derzeit abgestimmt.

Verlängerung nach Norden?

Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die Möglichkeiten einer Verlängerung der deutschen Züge über Tingleff hinaus nach Norden weiter untersucht werden sollen. 

SP: Positive Nachricht

Die Schleswigsche Partei begrüßt die Stärkung Tingleffs als Bahnknotenpunkt in Nordschleswig. „Das ist eine positive Nachricht für das Grenzland“, sagt der SP-Vorsitzende Rainer Naujeck auf Nachfrage. Erfreut zeigt er sich, dass rechtzeitig agiert wird, damit der grenzüberschreitende Bahnverkehr ab 2027 weiterlaufen kann.

Der Ball liegt bei uns und wir werden aktiv werden und das Thema offensiv auf dänischer Seite ansprechen.

Sprecher Wirtschaftsministerium

SSW setzt sich weiter für Verlängerung ein

Anders sieht es der Südschleswigsche Wählerverband. Die Landtagsabgeordnete Sybilla Nitsch betont gegenüber dem „Nordschleswiger“, dass eine Verlängerung über Tingleff hinaus wichtig sei. „Es gibt einen Parlamentsbeschluss zur Prüfung einer Verlängerung bis nach Kolding oder Fredericia“, sagt sie. Diese sei Grundlage dafür, ob man weiter politisch aktiv werden müsse. Dem SSW sei das Thema sehr wichtig, denn die bestehenden Bahnverbindungen im Grenzland seien schlecht, so Nitsch. 

Da es sich bei der Verlängerung der Linie um das dänische Bahnnetz handelt, muss die Initiative allerdings von Dänemark ausgehen. Aus dem zuständigen Wirtschaftsministerium in Kiel gibt es zum Stand der Prüfung auf Nachfrage keine konkrete Antwort. „Der Ball liegt bei uns, und wir werden aktiv werden und das Thema offensiv auf dänischer Seite ansprechen“, so ein Ministeriumssprecher auf Nachfrage.

Künftiger Betreiber soll dänischen Kostenanteil tragen

Knackpunkt ist die Finanzierung: Der besagte dänische Anteil an den Kosten für den grenzüberschreitenden deutschen Zugverkehr nach Tingleff wird mit 59 Prozent der zusätzlichen Kosten für den Ausbau des deutschen Regionalbahnsystems berechnet. Basis für die Berechnung ist die Anzahl an Kilometern auf dem dänischen und deutschen Abschnitt der Strecke zwischen Tingleff und Flensburg.

In der Praxis wird davon ausgegangen, dass der dänische Anteil an den Kosten stets von dem Betreiber gezahlt wird, mit dem der dänische Staat einen Vertrag über den Zugverkehr auf der Strecke Tingleff-Pattburg abgeschlossen hat. Derzeit wird die Strecke von den DSB betrieben.

Hohe Kosten, kaum Verbesserungen

41 Prozent der Kosten für Beschaffung und Umrüstung entfallen demnach auf deutsche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das entspricht zirka 188 Millionen Kronen (25,2 Millionen Euro). Eine Verlängerung des RE7 bis nach Kolding oder Fredericia würde zwar die Anbindung für Reisende verbessern, aber auch einen deutlichen Kostenanstieg bedeuten, da weiteres Zugmaterial nötig werden würde.

Schon jetzt ist klar, dass ein RE7 im Zweistundentakt nach Tingleff keine Verbesserung für Reisende aus Flensburg, immerhin drittgrößte Stadt in Schleswig-Holstein und größte Stadt im Grenzgebiet, sein wird. Das monierte in der Vergangenheit auch der SSW als „Notlösung“ ohne Mehrwert.

Nicht weiter verfolgt wurden etwa vorgeschlagene Alternativlösungen wie stündliche Elektrotriebwagen mit Batterie auf der Linie Tingleff-Pattburg-Flensburg-Kiel, Zweisystemzüge auf der Linie Hamburg-Neumünster-Flensburg oder ein Konzept mit Zugteilung in Tingleff, welches sowohl die Verbindung nach Sonderburg (Sønderborg) als auch nach Flensburg hätte stärken können.

Dänemark entschied sich gegen Zweisystemzüge

Fest steht allerdings auch, dass Dänemark mit der Elektrisierung und Modernisierung seiner Zugflotte zwar einen Schritt in die Zukunft macht, sich mit Einsystemzügen aber bewusst gegen einen grenzüberschreitenden Bahnverkehr entschieden hat und das, obwohl eine Ausrüstung der IC5-Züge für beide Stromnetze nach Informationen unserer Redaktion durchaus möglich gewesen wäre.

Deutsch-dänische Verkehrskommission tagt im Juni

Am 8. Mai beschäftigt sich der Wirtschafts- und Digitalisierungsausschuss des Kieler Landtags erneut mit dem Thema grenzüberschreitender Verkehr. Im Juni findet dann die nächste Tagung der deutsch-dänischen Verkehrskommission in Flensburg statt. Auch hier ist davon auszugehen, dass der künftige Bahnverkehr im Grenzland ein zentrales Thema sein wird. 

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