Leitartikel

„Die Bonus-Milliarden für die Minkzuchten sind eine Farce“

Die Bonus-Milliarden für die Minkzuchten sind eine Farce

Die Bonus-Milliarden für die Minkzuchten sind eine Farce

Apenrade/Aabenraa
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Geld für nichts: Jetzt bekommen ehemalige Betriebe schon Steuergelder für Tiere, die niemals geboren wurden. Cornelius von Tiedemann fasst sich ob der Großzügigkeit für eine Branche, die seiner Meinung nach längst abgeschafft gehörte, an den Kopf.

Neulich wurde dank der Kolleginnen und Kollegen von „Zetland“ öffentlich, dass die Minkzuchtbetriebe in Dänemark bis zu 10 Milliarden Kronen zu viel an Schadensersatz für die gekeulten Bestände bekommen haben. Denn: Als Berechnungsgrundlage für angenommene Einnahmeverluste wurden nachweislich unrealistische Preise aus Boomzeiten angesetzt.

Ein weiterer Akt in der Farce, den die Angelegenheit seit Herbst 2020 hierzulande darstellt.

Denn das bedeutet, dass jede Züchterin und jeder Züchter im Schnitt 8 Millionen Kronen zu viel an Steuergeldern bekommen hat.

Kein schlechter Bonus über das Geld hinaus, das als angemessene Entschädigung für die damals bestehenden Bestände und Anlagen angenommen wurde.

Was tun mit dem Geld? Für den Preis von 8 Millionen Kronen steht derzeit eine repräsentative 330-Quadratmeter-Villa im Herzen Sonderburgs zum Verkauf – oder soll es lieber eine geräumige, moderne Wohnung am Strandvejen in Klampenborg sein? Da gibt’s ja vielleicht auch noch einige Nerzfans in der Nachbarschaft.

Im Ernst: Klar, viele ehemalige Züchterinnen und Züchter müssen erst einmal die Kredite für den Betriebsaufbau und -erhalt abzahlen. Doch dafür hätten in den allermeisten Fällen realistische Erstattungen auch dicke gereicht.

Der unnötige Bonus ist eindeutig politisch motiviert, weil niemand in der Corona-Pandemie und der seither immer gereizter werdenden politischen Stimmung Lust hatte und hat, es sich mit der sogenannten Provinz noch mehr zu verscherzen. Von da (also hier) wird schließlich seit jeher argwöhnisch nach Kopenhagen gelinst.

Als die Minkzuchtbetriebe in Dänemark und Nordschleswig im Zuge der Corona-Pandemie dichtmachen mussten und circa 17 Millionen Tiere ums Leben gebracht und dann verscharrt wurden, hat es viele Menschen außerhalb und auch innerhalb Dänemarks überrascht, wie groß die Branche in dem angeblich so grünen Königreich ist.

Doch sie war bereits lange vor Corona in die Krise geraten. Die Zuchtbetriebe machten entweder Miese oder ganz dicht, der Produktionswert betrug zuletzt nicht einmal mehr ein Drittel aus der Hochzeit vor zehn Jahren – und auch als Arbeitgeberin verlor die Branche deutlich an Bedeutung.  

Sie war vorwiegend dort zu Hause, wo besonders Deutsche gerne Urlaub machen, um den schmalen Streifen dänischer Natur zu genießen, der sich entlang der Westküste Jütlands erstreckt und die Broschüren der Ferienhausvermietungen ziert. Hinter den idyllischen Dünen: Hunderte Nerzfarmen.

Amerikanische Nerze – oder auch Minks – lieben das Wasser, schwimmen und tauchen zur Jagd und zum Vergnügen – dabei sind sie am liebsten für sich. Tagsüber verstecken sie sich in ihren Bauen. Ihre Reviere sind bei Weibchen bis zu 20, bei männlichen Tieren bis zu 800 Hektar groß. Das sind acht Quadratkilometer. Oder 1.143 Fußballfelder.

In Dänemark war, nach diversen Reformen der Bestimmungen, zuletzt ein Grundareal von einem viertel Quadratmeter pro Tier bestimmt worden. Das entspricht 0,00003 Hektar.

Auslauf oder gar Schwimmen waren in den Zuchtanlagen im Ferienland übrigens weder vorgesehen noch Realität. Die Tiere verbrachten ihre Leben in Käfigen, umgeben von Tausenden Artgenossen, deren Lärm und Geruch.

Und bei manchmal ziemlich miesem Futter, wie jetzt „Danmarks Radio“ berichtet hat. Dies hat dafür gesorgt, dass in zahlreichen Zuchtbetrieben 2020 weniger Nachwuchs gezeugt wurde.

Ein Betrieb hat deshalb bereits noch einmal zusätzlich 6,3 Millionen Kronen Schadensersatz vom Staat zugesprochen bekommen. Denn es werden nun nicht nur die gekeulten Tiere und die für Nerzfelle von nicht mehr existierenden Tieren erwarteten (und deutlich zu hoch angesetzten) Einnahmen erstattet, sondern auch Tiere, die niemals geboren wurden. Eben weil das Futter, das die Zuchtbetriebe eingesetzt hatten, mies war. Zahlreiche weitere solcher Fälle dürften folgen.

Nicht schlecht, was Regierung und Folketing alles taten und tun, um das Aus einer Branche zu versüßen, die längst nicht mehr dem gerecht wurde, was wir in Europa heute als tierethisch zeitgemäß betrachten sollten.

Sei es drum. Nachtreten gilt nicht. Aber einer mit reichlich goldenen Grabbeilagen beerdigten Branche jetzt schon wieder zusätzliches Geld hinterherwerfen, mit dem anderswo Zukunft gestaltet werden könnte? 

Das hat nicht nur für alle, die in den Haushalten der vergangenen Jahre nicht berücksichtigt wurden, einen sehr faden Beigeschmack.

 

 

 

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