Leitartikel

„Moin Margrethe – meine Königin“

Moin Margrethe – meine Königin

Moin Margrethe – meine Königin

Apenrade/Aabenraa
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Chefredakteur Gwyn Nissen erinnert in seinem sehr persönlichen Leitartikel an die Verdienste von Königin Margrethe. Am Sonntag wird sie nach 52 Jahren zurücktreten und den Thron ihrem Sohn überlassen. 

In Dänemark hat es immer geheißen, „falls die Königin stirbt“ und nicht „wenn die Königin stirbt“. Dennoch bin ich stets davon ausgegangen, dass ich in Verbindung mit einem Thronwechsel auch einen Nachruf auf Königin Margrethe schreiben muss.

Nun, Königin Margrethe hat in ihrer Silvesteransprache eine ganze Nation mit ihrer Nachricht, sie werde abdanken, schockiert. Damit sprach sie das Unmögliche aus, aber sie verdiente sich im selben Atemzug auch den Respekt, die Anerkennung und das Verständnis ihres Volkes. Ja, 52 Jahre mit einem vollen Terminkalender und Verpflichtungen weit über dem hinaus, was viele von uns im Alltag leisten, reichen – da darf man auch schon mal als 83-jährige Königin abdanken.

Mein Vorgänger Siegfried Matlok hat in seinem Leitartikel bereits die Bedeutung der Königin für die deutsche Minderheit hervorgehoben, denn Margrethe ist auch unsere Königin gewesen.

Auch meine. Ich habe immer einen gewissen Stolz darüber empfunden, dass wir eine kluge und weise Königin haben, und ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich seit meiner Jugend jemals eine ihrer Neujahrsansprachen verpasst habe. Am 31. Dezember, Punkt 18 Uhr, habe ich alles stehen und liegen lassen: Königin Margrethes Worte sind mir wichtig gewesen.

Es war immer eine Art kollektiver Neujahrs-Vorsatz, wenn sich Königin Margrethe an die Nation gerichtet hat. Dabei hat sie uns auch einen Spiegel vorgehalten und fast jedes Mal schwierige Themen angesprochen. Unvergessen ihr erhobener Zeigefinger über den dänischen Hygge-Rassismus, oder darüber, dass wir in der Klimafrage eine Verantwortung den kommenden Generationen gegenüber haben. 

Sie hat stets die Menschen auf Augenhöhe angesprochen – vor allem, wenn sie sich auf die eigene Familie bezogen hat. Sie hat Freud und Leid angesprochen und dabei ihre menschliche Seite gezeigt, denn auch eine königliche Familie hat ganz normale Herausforderungen wie du und ich.

Nur einmal hat sie mir leidgetan, als sie die losen Zettel ihrer Rede durcheinandergebracht hatte. Die schienen nicht einmal nummeriert zu sein, und so suchte sie – gefühlt – minutenlang nach den richtigen Worten. Denn die Königin hält ihre Ansprache am Neujahrsabend stets live, und daran hat sich seit dem Vorfall nichts geändert. Stattdessen sind ihre Merkzettel jetzt zusammengetackert – auch ein Denkzettel an uns: Halte dein Leben zusammen.

Ich habe das Glück gehabt, die Königin mehrmals zu treffen. Sie strahlt eine Aura aus, aber eben keine unnahbare, sondern eine offene und entgegenkommende. Das bedeutet allerdings nicht, dass man kurz mal mit der Königin am Tisch plaudert.

Am Büfett im Gravensteiner Schloss wollte ich allerdings – ähnlich wie mein Vorgänger, der ihr seinerzeit Feuer gab – höflich sein und ihr eine Gabel reichen. Die Königin zog aber unter ihrem Teller lächelnd ihre Gabel hervor. Ich machte stattdessen kehrt, mit meinem Teller – und zwei Gabeln.

Wir werden die Königin in den nächsten vielen Jahren sicherlich weiterhin in Nordschleswig erleben, wenn sie mit ihren Freundinnen Urlaub im Gravensteiner Schloss macht, bei der lokalen Keramikerin vorbeischaut oder im Matas-Geschäft Ohrringe kauft.

Dann allerdings in einer anderen Rolle – in der sie zwar weiterhin als Königin betitelt wird, den Thron und die Verantwortung für das dänische Königshaus aber an ihren Sohn Kronprinz Frederik weitergegeben hat. Der übrigens die Sache mit der Augenhöhe bereits gut draufhat.

Königin Margrethe hat zwar die Nation in einen Schock versetzt, aber sie hat uns allen den Abschied leicht gemacht, nämlich ohne Trauer, dafür aber mit Freudentränen über das Ende einer schönen Zeit.

Moin Margrethe, meine Königin.

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