Ehrenamt

Sexuelle Kindesmisshandlung: Selbsthilfe als Anlaufstelle für Opfer

Sexuelle Kindesmisshandlung: Selbsthilfe als Anlaufstelle für Opfer

Kindesmisshandlung: Selbsthilfe als Anlaufstelle für Opfer

Apenrade/Aabenraa
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Kinder werden besonders „leicht“ Opfer sexueller Übergriffe. Foto: AdobeStock

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Die Apenrader Selbsthilfe hat jüngst über eine halbe Million Kronen von der Opferstiftung bekommen. Mit dem Geld wird jetzt die Hilfe für Menschen ausgebaut, die in der Kindheit vergewaltigt worden sind. Wie geholfen wird und was das für die Betroffenen bedeutet, erklären eine Begleiterin und die Leiterin der Institution.

„Ich hatte einen Mann, der im Kindesalter von seiner Mutter sexuell misshandelt wurde“, erzählt Gudrun (der Name wurde zum Schutz geändert). Sie arbeitet seit vielen Jahren als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei der Apenrader Selbsthilfe (Aabenraa Selvhjælp) und hat dabei Menschen begleitet, die solch ein Schicksal teilen, Frauen und Männer, die als Kind vergewaltigt wurden. Sie hilft diesen Menschen. „Man wird in einer zwischenmenschlichen Beziehung verletzt, aber man wird auch in einer Beziehung wieder geheilt“, ist ihre Erfahrung.

Langfristige psychologische Erkrankungen als Folge

Sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen in der Kindheit sind einschneidende Erlebnisse. Die Folgen treten bei manchen Menschen erst spät zutage. Die Betroffenen leiden unter den Spätfolgen. „Das kann Angst, schwerste Schlafstörungen oder sogar eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, d. Red.) hervorrufen. Die psychische Erkrankung bezeichnet wiederholte Erinnerungen an ein überwältigendes traumatisches Ereignis. Deshalb sind die meisten auch nicht arbeitsfähig, haben soziale Ängste, können nicht mit anderen Leuten zusammen sein. Es können aber auch Abhängigkeiten entstehen oder Angststörungen“, berichtet die Selbsthilfemitarbeiterin.

Psychologische Hilfe erst nach langer Wartezeit

Viele dieser Frauen und Männer kommen erst spät in die psychiatrische Behandlung, „wo es dann lange Zeit dauert, bis ein Platz frei wird“, berichtet Jutta Carstensen, Leiterin der „Selvhjælp Aabenraa“. Zwei Jahre beträgt die Wartezeit aktuell, fügt sie hinzu. Andere waren zwar in psychologischer Behandlung, benötigen jedoch trotzdem noch Hilfe.

Hilfe bei der Selbsthilfe

An diesen Punkten kommt das Angebot der Selbsthilfe ins Spiel, denn dort können die Betroffenen innerhalb kürzester Zeit einen Termin bekommen und Gespräche führen. „Wir ersetzen die psychiatrische Behandlung nicht, aber wir können erste Hilfen geben“, so die Selbsthilfe-Leiterin. Diese Hilfe besteht unter anderem darin, ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen zu haben, die mit den Spätfolgen von sexuellen Übergriffen in der Kindheit – aber auch im Erwachsenenalter – kämpfen.

Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen sind für solche Hilfsangebote gut gerüstet. Sie haben Kurse und Fortbildungen belegt, „und wir können so Werkzeuge vermitteln, um im Leben besser klarzukommen“, erklärt Carstensen.

Kein Ersatz für Therapie – aber kurzfristige Hilfe für Bedürftige

„Wir machen keine Therapie, aber wir helfen, den Alltag zu meistern“, fasst sie zusammen. Meist haben die Betroffenen Schwierigkeiten, mit anderen Leuten zusammen zu sein. „Dann zeigen wir Strategien auf, wie man mit solchen Situationen zurechtkommen kann.“ So ist es für solche Frauen schwer, einen Arbeitsplatz zu finden, denn „es gibt ja kaum Arbeitsplätze, wo ausschließlich Frauen arbeiten, und wenn man Angst hat, einen Mann zu treffen, dann ist das eine große Herausforderung“, berichtet Gudrun. „Es sind nicht nur Soldaten, die PTBS bekommen. Das kann alle treffen, die ein traumatisches Erlebnis hatten.

Opfer öffnen sich meist erst viel später

Gut in Erinnerung ist Gudrun die 60-Jährige, die „jahrzehntelang mit der Vergewaltigungslast auf den Schultern gelebt und niemandem davon erzählt hat.“ Die Frau sagte zu ihr: „Ich möchte das weghaben, bevor ich sterbe.“ „Das ist charakteristisch für den Vergewaltiger. Man wird erpresst und zum Schweigen gezwungen“, sagt die ehrenamtliche Mitarbeiterin.

Manchmal finden Opfer sexualisierter Gewalt erst als Erwachsene den Mut, über das Erlebte zu sprechen. Der Geheimhaltungsdruck, den die Täterinnen und Täter ausgeübt haben, kann dazu führen, dass die Betroffenen jahrelang schweigen. Durch die hohe Belastung kann es aber auch zu Verdrängung oder Erinnerungsverlust kommen. Die Opfer erinnern sich dann erst viel später an die Gewalttaten. Dazu kommt, dass die Schuld- und Schamgefühle verhindern, sich jemandem anzuvertrauen.

Hilfe vor Ort

Und da immer mehr Betroffene die Selbsthilfe entdecken, soll das Angebot ausgebaut werden. Die dänische Opferstiftung (offerfond) hat jüngst dafür 551.000 Kronen bewilligt, um Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler zu schulen. So sollen nicht nur in Apenrade solche Gespräche möglich sein, sondern auch – in Zusammenarbeit mit den lokalen Gruppen dort – in Sonderburg (Sønderborg) und Tondern (Tønder). In den beiden Orten gibt es solche Angebote in dieser Form bisher nicht. Das soll sich jedoch ändern, „damit die Menschen nicht erst nach Apenrade fahren müssen, was für viele eine große Belastung bedeutet“, so Carstensen.

„Wir sind sehr froh, die finanzielle Unterstützung bekommen zu haben.“

Gespräche verlaufen über einen Zeitraum von etwa einem Jahr

„Es ist eine große Freude, wenn man sieht, was man mit seiner Arbeit erreicht hat, wenn die Menschen, denen man hilft, plötzlich Fortschritte machen und ein besseres Leben führen können“, sagt Gudrun. Etwa ein Jahr lang trifft sie sich einmal wöchentlich mit den Betroffenen, führt Gespräche und schlägt Übungen vor.

Die Apenrader Selbsthilfe ist gut vernetzt und baut das Netzwerk ständig aus. So gibt es unter anderem Kontakte nach Woyens (Vojens) und Odense, aber auch lokal zu den vergleichbaren Angeboten.

Wichtige Hilfe  – Unterstützung gewünscht

„Unser Tun ist so wichtig. Es wäre schön, wenn sich noch mehr Leute finden lassen, die uns und die Menschen unterstützen wollen, die so dringend Hilfe benötigen“, fordert Jutta Carstens zum Mitmachen auf.

Von dem Geld der Opferstiftung wird neben den Aus- und Fortbildungen für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer auch ein Psychologe entlohnt, der den Freiwilligen für Supervisionen zur Seite steht und für die Projektleitung.

 

Die Apenrader Selbsthilfe (Aabenraa Selvhjælp)

Die Apenrader Selbsthilfe ist eine selbstständige Einrichtung mit folgenden Angeboten:

  • individuelle Gespräche (u. a. Krisen, Eheberatung)
  • Selbsthilfegruppen
  • unterstützende Gespräche für Erwachsene mit den Spätfolgen sexuellen Missbrauchs im Kindesalter
  • Beisitzerfunktion
  • offene Beratungsangebote (u. a. Finanzberatung)
  • Mentoren

Alle Angebote sind gratis und unterliegen der Schweigepflicht.

Die Selbsthilfe ist am Kystvej 36 a in Apenrade zu finden, Telefon 7463 1586.

 

Die Opferstiftung – „offerfonden“

Die Opferstiftung hat die Aufgabe, Opfern von Verbrechen und Verkehrsunfällen zu helfen.

Die Stiftung gewährt außerdem finanzielle Unterstützung an Projekte und Aktivitäten, die das Wissen, wie Opfern geholfen werden kann, stärken.

Die Stiftung wird durch einen sogenannten Opferbeitrag finanziert. Der Beitrag hat eine Höhe von 500 Kronen und wird bei jeder groben Gesetzesübertretung kassiert (beispielsweise bei überhöhter Geschwindigkeit im Auto).


Die Opferstiftung wurde 2013 vom Folketing durch ein Gesetz ins Leben gerufen.

https://politi.dk/boeder/boede-og-straf/offerfonden
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