Leitartikel
„Zaun der Verwunderung“
Zaun der Verwunderung
Zaun der Verwunderung
Der Wildschweinzaun ist fertig. Die Diskussionen darüber aber noch nicht. Dabei sollte ein Zaun die gute Zusammenarbeit im deutsch-dänischen Grenzland doch nicht stören können, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.
Er steht. Der Wildschweinzaun an der deutsch-dänischen Grenze. Nach wenigen Monaten ist an der Grenze entlang dicht – beziehungsweise nicht ganz, denn es führen Straßen über die Grenze, und es gibt Faunapassagen, damit Tiere weiterhin die Grenze passieren können. Nur die Wildschweine dürfen nicht.
Genau dieser Umstand hat den Wildschweinzaun auch zur Lachnummer gemacht. Ob Wildschweine wohl lesen könnten, dass sie nicht willkommen sind? Der Zaun würde nicht helfen, die Wildschweine aus Dänemark zu halten, so die Kritiker.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die Wildunfälle am Zaun. Rehe verletzen sich beim Versuch, über ihn zu springen und verenden oder müssen von barmherzigen Jägern getötet werden. Kein schöner Anblick. Hier sollte man unbedingt überlegen, wie man nachbessern kann.
Schließlich gibt es immer wieder Kritik – vor allem von deutscher Seite – der Wildschweinzaun habe keinen Effekt und sei daher reine Symbolpolitik und eine Abschottung Dänemarks. Bei der Fertigstellung des Zauns am Montag wurde die Kritik wiederholt.
Also wiederholen wir auch nochmal: Wenn sich die Dänen mit einem 1,5 Meter hohen und durchlässigen Zaun von Deutschland und Europa abschotten wollen würden, dann wären sie ganz schön dumm. Oder? Der Zaun ist keine politische Erfindung, sondern eine von insgesamt 13 Maßnahmen, die Experten vorgeschlagen haben. Die dänischen Behörden rechnen damit, dass der Zaun die Wildschweine stresst, und dass der kleine Bestand (heute sind es etwa 40 Wildschweine) von Jägern ausgerottet werden kann. Mit Wildkameras werden die Behörden mögliche neue Eindringlinge registrieren – und auf die Jagd gehen.
In diesem Punkt muss man einfach feststellen, dass sich deutsche und dänische Experten uneinig sind. Und länger ist die Geschichte eigentlich nicht. Das sind unsere beiden Länder in vielen Dingen, doch das bedeutet noch lange nicht, dass wir uns gegenseitig beschimpfen müssen.
Wundern darf man sich aber schon über die Gegenseite. Genau so wie man sich auf dänischer Seite darüber wundert, dass das deutsch-dänische Verhältnis scheinbar durch einen Zaun so gestört worden ist. Dass kein einzelnes Wort darüber gesagt oder geschrieben wird, dass man trotz des Zauns – oder gerade deswegen – nun die deutsch-dänische Zusammenarbeit intensivieren werde. Das verwundert.
Ein 1,5 Meter hoher Zaun an der Grenze kann keinen Einfluss auf die deutsch-dänische Zusammenarbeit haben. Das können aber unbedachte politische Statements, die aus einem Zaun ein Symbol machen, das es nicht gibt.