Kulturkommentar

„Frauen sind gleichberechtigt – werden aber nicht gleichbehandelt“

Frauen sind gleichberechtigt – werden aber nicht gleichbehandelt

Frauen sind gleichberechtigt – aber nicht gleichbehandelt

Nina Stein
Nina Stein
Dänemark/Deutschland
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Ein seltenes Bild: Eine Frau an der Spitze. In der Realität üben die meisten Führungspositionen Männer aus. Foto: Adobe Stock

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Im jüngst veröffentlichten Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforum befindet sich Deutschland auf Platz 6 und Dänemark auf Platz 23. In einem Kulturkommentar schreibt „Nordschleswiger“-Praktikantin Nina Stein, warum es den Feminismus immer noch braucht.

„Wieso gibt es Feminismus – Frauen sind in unserer Gesellschaft doch gleichberechtigt?“ Es gibt einige solcher Stimmen, die nicht nachvollziehen können, wieso die Feminismus-Bewegung auch heute noch eine entscheidende Rolle spielt. Haben wir doch viel geschafft in den vergangenen Jahrhunderten: Vom Wahlrecht angefangen bis zur Wahl der ersten weiblichen Staatsministerin.

Aber wir können nicht nur die Erfolge der vergangenen Jahre feiern, wir müssen uns vor Augen führen, was besser hätte laufen können und noch viel mehr – was noch immer falsch läuft.

Dass Frauen noch lange nicht gleichberechtigt sind, zeigt der Global Gender Gap Report, der jedes Jahr vom Weltwirtschaftsforum (WEF) veröffentlicht wird. Wieder einmal zeigt sich, dass es kein Land gibt, indem die Rechte von Mann und Frau ausgeglichen sind. In der Rangliste landen Deutschland und Dänemark auf Platz 6 und 23. Am weitesten fortgeschritten ist Island, in Afghanistan ist der Unterschied am größten. Auch wenn Deutschland und Dänemark sich damit gegenüber dem Vorjahr verbessert haben, ist es ein Armutszeugnis. Denn laut dem Bericht soll es noch 131 Jahre dauern, bis wir eine globale Gleichberechtigung erwirkt haben – wenn wir so weiter machen wie bisher.

Solche Zahlen stimmen pessimistisch – und zeigen einmal mehr, dass eine gleichberechtigte Gesetzgebung nicht automatisch mit einer Gleichbehandlung in der Gesellschaft einhergeht.

„Über Generationen haben wir gelernt, dass wir anders sind. Dass der Mann die Macht hat, die Frau das Zuhause“, sagt Karen Frøsing, Bankdirektorin der Sydbank, in einem Interview mit der „alt.“ Frøsing gehört zu den sechs weiblichen Bankdirektorinnen – unter den insgesamt 61 Führungspositionen der Banken in Dänemark. „Das sind erlernte Codes, die immer noch in den Tiefen des Unterbewusstseins leben und zu einer Identität werden, derer wir uns bewusst sein müssen.“

Obwohl die Lage oft romantisiert wird, so ist der strukturelle Sexismus noch gängig. Noch immer übernehmen Männer den Großteil an Führungspositionen. Dass eine Frau arbeiten geht, ist nichts Besonderes mehr. Trotzdem schauen wir zweimal hin, wenn sie ihre Leidenschaft im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) findet. Unser gesellschaftliches Verhalten verfestigt sich in unseren Köpfen.

Wir brauchen nicht nur „ein paar starke Jungs, die mal anpacken können“ und nicht jedes Mädchen mag rosa und möchte einmal Prinzessin werden. Es gibt männliche Krankenschwestern und weibliche Feuerwehrmänner. Und ein gesundes Familienleben kann auch daraus bestehen, dass die Frau auswärts arbeiten geht und der Mann die Care-Arbeit übernimmt.

Care-Arbeit bezeichnet die Sorgearbeit. Darunter fällt beispielsweise die familiäre Unterstützung, Hausarbeit sowie Kinderbetreuung und Altenpflege.

https://www.bpb.de/themen/familie/care-arbeit

Wir brauchen den Feminismus, um weiter auf Missstände aufmerksam zu machen und dagegen anzukämpfen. Denn Feminismus bedeutet nicht, dass ein Geschlecht bevorzugt werden soll, sondern, dass alle Menschen die gleichen Voraussetzungen und Chancen erhalten. Damit der Wickel-Tisch nicht nur auf der Frauen-Toilette und das Handwerk nicht nur „Männer-Sache“ ist.

Wir müssen die Muster, mit denen wir aufgewachsen sind, durchbrechen. Wir müssen uns dafür sensibilisieren, dass das „Schubladen-Denken“ noch existent ist und aufhören, den Ernst der Lage zu verkennen. Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein.

Es gibt viele Wege für die Gleichbehandlung aller Geschlechter einzustehen: Sei es eine geschlechtsneutrale Sprache, eine gerechte Anerkennung der Leistung oder einfach nur ehrliches Zuhören. Wir können nicht von heute auf morgen eine gleichgestellte Gesellschaft schaffen. Aber indem wir uns die andere Seite anhören und anfangen zu verstehen, worin das Problem liegt, können wir zumindest damit anfangen.

Denn im Grunde geht es um einen entscheidenden Wert: Akzeptanz. Und das ist doch wirklich nicht zu viel verlangt.

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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