Kulturkommentar

„Die Form des Protests der letzten Generation ist nicht zielführend“

Die Form des Protests der letzten Generation ist nicht zielführend

Protests der letzten Generation ist nicht zielführend

Lucas Bröcker
Nordschleswig
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Mit ihren Protestaktionen will die Letzte Generation Druck auf die Politik ausüben. Foto: Alexander Pohl/Sipa USA

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„Nordschleswiger“-Praktikant Lucas Bröcker hat vor einem Monat negative Erfahrungen mit der sogenannten Letzten Generation gemacht. In einem Kommentar zeigt er alternative Möglichkeiten des Protests auf.

Eine gedankliche Zeitreise zum 29. Juni: Harte Wochen, in denen ich täglich mit meiner Bachelorarbeit gerungen habe, liegen hinter mir, einige weitere werden noch folgen. Trotz des Wissens nur noch einen Monat Zeit zu haben, da ich ab dem 1. August beim „Nordschleswiger“ in Dänemark sein werde, beschließe ich spontan in zwei Wochen mit zwei Kumpels nach Mallorca zu fliegen.

Drei Tage Partyurlaub, bei dem nur der Spaß zählt und der Stress und die Sorgen des Alltags einfach mal vergessen werden sollten. Die Vorfreude stieg bei allen von uns ins Unermessliche.

Aktivisten der Letzten Generation stören Abflug nach Mallorca

Am 13. Juli war es dann so weit. Um 1.30 Uhr morgens fuhren wir mit dem Auto aus Rostock los, um den ersten Flieger um 6 Uhr aus Hamburg (Hamborg) nach Palma zu erreichen. Pünktlich saßen wir gegen 5.30 Uhr auf unseren Plätzen im Flugzeug.

Minuten vergingen und dann sollte es pünktlich losgehen. Doch da hatten wir die Rechnung ohne die Aktivistinnen und Aktivisten der sogenannten Letzten Generation gemacht. Pünktlich zum Ferienstart in Hamburg verschafften sie sich Zutritt zum Rollfeld und klebten sich an verschiedenen Stellen des Flughafens fest, sodass ein Flugverkehr nicht möglich war.

Am Anfang überwog im Flugzeug noch das Gelächter unter den Passagieren. Und auch ich dachte mir: „Das wird doch nicht länger als eine Stunde dauern, bis die dort weg sind und wir endlich loskönnen.“ Es vergingen aber Stunden und mittlerweile kippte die Stimmung allmählich, als wir mitbekamen, dass viele andere Flüge schon gecancelt wurden und die Passagiere aus den Flugzeugen neben uns die Maschinen verließen.

Stimmung kippt und Wut auf Aktivisten entwickelt sich

Da kommen einem dann natürlich Fragen auf, was mit solch einer Aktion bezweckt werden soll. Normale Menschen, die vielleicht einmal in zwei Jahren irgendwo hinfliegen und mit ihren Familien einfach eine schöne Zeit haben wollen, werden schon zu Beginn ihres Urlaubs dermaßen belästigt, dass schlechte Stimmung aufkommt oder eine Familie mit ihren drei Kindern plötzlich nicht mehr weiß, wie sie zum Urlaubsort kommen soll, weil der Flug gestrichen wurde.

Durch solche Aktionen bringt man nur die Bevölkerung gegen sich auf und wird Schwierigkeiten bekommen, in der breiten Masse Akzeptanz für die Handlungen zu erfahren.

Knappe Mehrheit der 16- bis 29-Jährigen befürworten Aktionen

Die statistischen Zahlen belegen das übrigens auch. Aus einer repräsentativen Umfrage des NDR im Januar geht hervor, dass 72 Prozent der über 30-Jährigen die Art des Protests der letzten Generation für unangemessen halten. Bei den 16- bis 29-Jährigen besteht mit 51 Prozent eine knappe Mehrheit aus Akzeptanz für die Aktionen.

Unter den Personen, die die Art des Protests der letzten Generation als nicht angemessen empfinden, geben 52 Prozent als Grund an, dass Menschen dadurch zu Schaden kommen würden. Und tatsächlich besteht nicht nur ein monetärer Schaden für unter anderem Fluggesellschaften oder Passagiere. Unnötige Staus, die durch Klebeaktionen der letzten Generation verursacht werden, bieten auch immer ein Risiko für Menschenleben, falls Rettungsfahrzeuge nicht durchkommen, wie beispielsweise in Berlin.

Form des Protests darf keine Nachahmerinnen und Nachahmer finden

Spannend finde ich zudem, dass 46 Prozent der Befragten, die mit der Art des Protests nicht konform gehen, als Grund angeben, dass sich demokratische Regierungen durch die Aktionen nicht unter Druck setzen lassen dürften.

Die Aktivistinnen und Aktivisten kämpfen zwar vermeintlich für etwas Gutes, aber wenn jede Gruppe in der Bevölkerung bald auf diesem Weg ihre Wünsche durchsetzen möchte, kommt es in Zukunft zu ganz anderen Aktionen aus politisch extremistischen Spektren. Das birgt Gefahren. Deshalb sollte dieser Protest aus meiner Sicht auch gesellschaftlich keine Akzeptanz finden, so vernünftig deren Forderungen für manche vielleicht auch klingen mögen.

Vorbild: Friedlicher Protest von Fridays for Future

Die Hälfte der insgesamt fast 13.000 Befragten hält die Aktionen der Letzten Generation für Erpressung und undemokratisch. Wenn mit Erpressung und nicht-demokratischen Aktionen in Zukunft Forderungen einzelner Gruppen in Europa umgesetzt werden könnten, wäre das ein gewaltiger Rückschritt in vergangene Zeiten.

Es gibt so viele Möglichkeiten, sich politisch auf einem angemessenen Weg zu engagieren. Fridays for Future hat gezeigt, wie so ein Protest aussehen kann. Dieser hat in der Politik für ein großes Umdenken gesorgt. Außerdem könnte die Letzte Generation auch selbst eine eigene Partei gründen und damit die aktive Verantwortung nicht immer auf andere schieben.

Lieber aufklären als Straftaten begehen

Mit ausgeklügelten Social-Media-Formaten könnte darüber hinaus zum Beispiel über die Klimakrise aufgeklärt werden. Stattdessen versucht die Gruppe allerdings, durch Straftaten auf sich aufmerksam zu machen. Auf diesem Weg wird in Deutschland heutzutage allerdings hoffentlich niemand mehr seine Forderungen durchsetzen können.

Nach viereinhalb Stunden des Wartens im Flugzeug sind wir dann übrigens doch noch nach Mallorca geflogen. Im Kopf waren wir eigentlich schon wieder auf dem Rückweg nach Hause. Im Gegensatz zu den vielen hunderten anderen Passagieren, die an diesem Tag durch die Aktion der Letzten Generation nicht mehr an ihren Zielort gekommen, hatten wir Glück.

Die in diesem Kulturkommentar vorgebrachten Inhalte sind nicht von der Redaktion auf ihre Richtigkeit überprüft. Sie spiegeln die Meinung der Autorin oder des Autors wider und repräsentieren nicht die Haltung des „Nordschleswigers“.

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