Leitartikel

„Fachkräftemangel: Mehr Ausländer und Frauen braucht der Arbeitsmarkt“

Fachkräftemangel: Mehr Ausländer und Frauen braucht der Arbeitsmarkt

Mehr Ausländer und Frauen braucht der Arbeitsmarkt

Apenrade/Aabenraa
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Was tun gegen den Fachkräftemangel? Eine populäre und logische Antwort darauf ist Zuwanderung. Journalistin Marle Liebelt sieht jedoch noch großes Potenzial in der Gleichstellung der Geschlechter.

In Dänemark mangelt es an Fachkräften. In der Debatte um den Fachkräftemangel ist es längst keine Neuigkeit mehr: Ohne Zuwanderung geht es nicht. Der Staat und die Unternehmen brauchen Fachkräfte aus dem Ausland. 

Was in dieser Diskussion jedoch zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, ist die Gleichstellung von Männern und Frauen. Aber wie hängen der Fachkräftemangel und Gleichstellung zusammen?

Dänemark kann ein hohes Niveau vorweisen, wenn es darum geht, junge Leute gut auszubilden – egal ob Mann oder Frau. Sprich, unter der arbeitsfähigen Bevölkerung in Dänemark gibt es einen hohen Anteil gut ausgebildeter Fachkräfte. 

Expertise in Teilzeit

Aber weil die Gleichstellung der Geschlechter in der dänischen Gesellschaft nur schleppend vorangeht, geht dem Arbeitsmarkt viel dieses Potenzials verloren.

Denn ein Drittel aller weiblichen Angestellten arbeitet nicht in Vollzeit. Das geht aus dem aktuellen Gleichstellungsbericht der Regierung hervor. Bei diesen Frauen handelt es sich um Fachkräfte, die besonders häufig in Berufen ausgebildet sind, in denen der Fachkräftemangel sehr groß ist – beispielsweise im Gesundheits- und Pflegesektor.

Den 33 Prozent der weiblichen Beschäftigten in Teilzeit stehen übrigens 15 Prozent der männlichen in Teilzeit arbeitenden Angestellten gegenüber. 

Wäre es da nicht erstrebenswert, die in Teilzeit arbeitenden Fachkräfte zunehmend in Vollzeit-Anstellungen zu bekommen?

Arbeit muss neu gedacht werden

Einfach die Verträge anheben – ganz so einfach ist es natürlich nicht. Es braucht ein klares Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter und die Stellschrauben finden sich auf dem Arbeitsmarkt. Hier ist das Umdenken eine der wichtigsten gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. 

Schließlich arbeiten Frauen nicht in Teilzeit, weil sie faul sind. Frauen arbeiten in Teilzeit, weil es noch immer überwiegend sie sind, die sich um das Zuhause und die Familie – also um die sogenannte Care-Arbeit – kümmern. 

Ist Vollzeit noch zeitgemäß?

Kinder und Haushalt sind ein Vollzeitjob. Es muss Anreize geben, die dafür sorgen, dass Männer und Frauen die Verpflichtungen, die zu Hause anfallen, gleichermaßen abdecken können. 

Zwei Erwachsene, drei Vollzeitjobs? 

Vielleicht sollte das Vollzeit-Modell auch grundsätzlich hinterfragt werden, und vielleicht ist eine Teilzeit die neue Vollzeit-Woche – und zwar für alle. 

Schließlich stammt die Vollzeit-Woche aus einer Zeit, in der die Frau sich vollzeit um die Familie kümmert, damit der Mann sich vollzeit der Arbeit widmen kann. Zeitgemäß ist diese Aufteilung nicht. Sie zieht ihren Schleier bloß noch immer hinter sich her. 

Wir wollen eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen gleichberechtigt arbeiten. Aber wir halten an Rollenklischees fest, die erstens dafür sorgen, dass es typische Männer- und Frauenberufe gibt, und zweitens dafür sorgen, dass diejenigen, die der Care-Arbeit zugewandter sind, diese auch mehr unbezahlt zu Hause übernehmen. Die Konsequenz der Lösung aus der anderen Zeit: Es fehlt an Arbeitskraft. 

Es braucht familienfreundlichere „Männerberufe“

Möchte man das Potenzial der hier ausgebildeten Arbeitskräfte weiter ausschöpfen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wird es jedoch nicht reichen, die vom Fachkräftemangel betroffenen Berufe attraktiver zu machen. Die gesamte Arbeitswelt muss familienfreundlicher gestaltet werden. 

Vielleicht gilt das in besonderem Maße für die typischerweise von Männern erlernten Berufe. Es muss sich eine Kultur und ein Berufsethos etablieren, der es möglich und normal macht, dass Väter in ihrem Job kürzertreten, um Zeit für die Familie und Hausarbeit zu haben. So wie ihre Frauen es seit Jahrzehnten tun. 

Den Fachkräftemangel in Branchen, in denen mehrheitlich immer noch Frauen beschäftigt sind, wird die Gleichstellung allein nicht auffangen. Es bleibt dabei – ohne Zuwanderung geht es nicht. Aber die Gleichstellung könnte Teil der Lösung sein. 

Kurzum: Wir brauchen mehr Frauen und Kräfte aus dem Ausland auf dem dänischen Arbeitsmarkt.

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