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EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

EU überarbeitet Schengener Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Neuer Schengen Grenzkodex: Enttäuschung im Grenzland

Apenrade/Aabenraa
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Das EU-Parlament hat über neue Richtlinien bei Grenzkontrollen im Schengen-Raum abgestimmt. Foto: Marle Leibelt

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Künftig soll bei der Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen unter anderem die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, doch dafür dürfen Grenzkontrollen in Zukunft von den Staaten im Schengenraum noch länger aufrechterhalten werden. Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei, Ruth Candussi, und die Grenzlandpolitiker Rasmus Andresen und Stefan Seidler sind deshalb enttäuscht von dem Beschluss.

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch über die Überarbeitung des europäischen Schengen Grenz-Codexes abgestimmt. Darin wird unter anderem geregelt, unter welchen Umständen Mitgliedstaaten innerhalb des grenzkontrollfreien Schengen-Raumes außerordentliche Grenzkontrollen einführen dürfen.

Die Abstimmung ergab, dass künftig die Auflagen für Schengen-Länder verschärft werden, die von solchen Binnengrenzkontrollen Gebrauch machen wollen. Sie müssen die Verhältnismäßigkeit und mögliche Alternativen wie die Schleierfahndung besser prüfen. Bei Gesundheitskrisen wie der Corona-Pandemie müssen sich die Länder zudem künftig besser abstimmen.

Bisher können die Länder im Schengen-Raum bei „außergewöhnlichen Umständen“ für zwei Jahre Kontrollen an den Binnengrenzen einführen. Künftig ist es nun möglich, die Kontrollen in schwerwiegenden Ausnahmesituationen wie einer anhaltenden Bedrohung um ein weiteres Jahr zu verlängern.

Unzufriedenheit im Grenzland

Im deutsch-dänischen Grenzland, wo seit 2016 wieder Kontrollen an der Grenze durchgeführt werden, sorgt die Abstimmung im EU-Parlament für Stirnrunzeln.

Der SSW-Bundestagsabgeordenete Stefan Seidler sagt in einer Mitteilung dazu: „Wir gehen einen Schritt vor und dann wieder zwei zurück. Grenzkontrollen sind ein veraltetes Konzept und nichts weiter als Symbolpolitik. Seit mehr als acht Jahren ist die Freizügigkeit in unserem deutsch-dänischen Grenzland immer wieder von solchen vermeintlich vorübergehenden Grenzkontrollen beschränkt. Anstatt es den Mitgliedstaaten jetzt mit dieser Entscheidung noch leichter zu machen, vorübergehende Grenzkontrollen einzuführen, die zudem erheblich länger sein können, hätte ich mir ein konsequentes Vorgehen gegen solche unverhältnismäßigen Maßnahmen gewünscht. Schengen hat den Leuten Freiheit gebracht, die es zu bewahren gilt.“

Das Nachsehen haben Grenzregionen wie die unsere, wo die permanenten Grenzkontrollen eine natürliche, dynamische Entwicklung unserer Region verhindern.

Ruth Candussi

Die Parteisekretärin der Schleswigschen Partei (SP), Ruth Candussi, sieht es ähnlich: „Dies ist ein großer Rückschritt für das Zusammenwachsen der Länder in der EU und eine Niederlage für eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Zusammenarbeit, den Schengen-Raum. Das Nachsehen haben Grenzregionen wie die unsere, wo die permanenten Grenzkontrollen eine natürliche, dynamische Entwicklung unserer Region verhindern und zur ,Verstopfung' führen – sowohl durch Staus als auch im übertragenen Sinne, in den Köpfen.“ Candussi kann sich auch nicht darüber freuen, dass die Anforderungen zur Begründung für die Einführung von Grenzkontrollen verschärft worden.

„Bereits die jetzt geltenden Anforderungen werden nicht eingehalten und Verstöße von der Kommission nicht sanktioniert. Warum also sollten die verschärften Anforderungen zur Einführung von Grenzkontrollen von Ländern wie Dänemark eingehalten werden, wenn nach meiner Einschätzung auch in Zukunft nicht mit Sanktionen zu rechnen ist?“, so Candussi.

Auch Andresen enttäuscht

Rasmus Andresen, schleswig-holsteinisches Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis90/Die Grünen, ist ebenfalls enttäuscht: „Das deutsch-dänische Grenzland leidet seit Jahren unter den Grenzkontrollen an der dänischen Grenze. Vor etwa einem Jahr haben wir ein Rechtsgutachten veröffentlicht, welches zeigt, dass die anhaltenden dänischen Grenzkontrollen ein Bruch mit geltendem EU-Recht darstellen. Doch statt gegen diesen Rechtsbruch vorzugehen, hat sich die EU-Kommission dazu entschieden, lieber die Regeln aufzuweichen und Dänemark mehr Spielraum zu geben. Das Europäische Parlament konnte sich zwar in den Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten teilweise durchsetzen und eine strengere Kontrolle der Verhältnismäßigkeit, Berichtspflichten gegenüber dem Europäischen Parlament und ein festes Enddatum für vorübergehende Grenzkontrollen in das Gesetz einbauen. Dieses Enddatum liegt nun aber bei insgesamt drei Jahren, was einer Versechsfachung der aktuell geltenden Halbjahresregelung entspricht. Auch wurden zusätzliche Gründe hinzugefügt, mit denen Mitgliedsstaaten außerordentliche Grenzkontrollen rechtfertigen können“, so Andresen in einer Pressemitteilung.

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