Unglück

Christian ist wieder obenauf

Christian ist wieder obenauf

Christian ist wieder obenauf

Sonderburg/Sønderborg
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Ulla, Christian und Mogens Dankert zu Hause in der Küche Foto: Ilse Jacobsen

Vor gut einem Jahr haben in Sonderburg Zuschauer beim Sportereignis „Ring of Fire" Brandverletzungen erlitten. Das Unglück wurde juristisch aufgearbeitet; am Freitag, 1. Juni, ist das Urteil verkündet worden. Die Familie Dankert wird das erschüttende Erlebnis nie vergessen.

Der  20. Mai 2017 war ein ganz  normaler Freitagabend in der Familie Dankert. Das neunjährige Nesthäkchen Christian war nach einem Hüttenausflug mit seinem besten Freund  beim Breakdown-Event  am Hafen. „Christian  ist ein richtiger Sportfreak – spielt Fußball und ist immer in Aktion. Sport und Tiere interessieren ihn brennend. Unsere Nachbarn fragten, ob Christian nicht auch beim Finale des Breakdowns, dem Ring of Fire,  dabei sein könne. Dagegen hatten wir  nichts“, meint Ulla Dankert.  Doch dann kam der Anruf des Nachbarn: „Ulla, komm sofort her. Es ist ein Unfall passiert. Stell dich darauf ein: Du wirst mit Christian in die Notaufnahme müssen.“

„Ich hab sofort alles stehen lassen und bin losgerannt. Ich schnappte mir Christians Auto und sein Telefon. Ich hielt bei der Ahlmannschule bei Rot an der Kreuzung, und plötzlich hörte  ich die Rettungswagen. Ich dachte nur: Das ist Christian! Ich weiß nicht, ob ich bei Rot über die Kreuzung gefahren bin. Ich wollte einfach nur da hin“, erinnert sich Ulla Dankert an  die Panik, die in ihr ausbrach.

 

 

Urteil Ring of fire

Am Freitag, 1. Juni,  wurde ein 21-jähriger Angeklagter im Sonderburger Gericht der fahrlässigen Körperverletzung für schuldig befunden. Er hatte am 20. Mai 2017 beim Skaterarrangement Breakdown Bioethanol direkt auf einen großen  Ring gegossen. Von der großen Stichflamme wurden sechs Kinder gerammt. Ein Erwachsener half einem Kind und verbrannte sich dabei die Hände. Der 21-Jährige  wurde zu 14 Tagen Haft zur einjährigen Bewährung ausgesetzt verurteilt. Er wird außerdem die Gerichtskosten übernehmen müssen.
Für Sønderborg Skateklub gab es einen Freispruch. Dem Klub war ein Verstoß gegen das dänische Betriebsverfassungsgesetz zur Last gelegt worden.

Christian lag in einem Unfallwagen

Am Hafen erwartete die Mutter ein  erschütternder Anblick. Das Gebiet war schon abgesperrt worden. Aber Ulla Dankert wollte zu ihrem Sohn. „Bist du Christians Mutter?“, fragte einer. Da wusste Ulla Dankert, dass es schlimm war. „Und dann konnte ich nach seinen Rufen gehen. Ich konnte seine Schreie  hören“, erklärt die Mutter, der diese Erinnerung immer noch die Tränen in die Augen schießen lässt. „Sie sagten: Du musst stark sein, und du darfst ihn nicht merken lassen, dass du dir Sorgen machst.“ Sechs Kinder waren von der großen Stichflamme des Ring of Fires getroffen worden.

Christian lag in einem Unfallwagen. Die Mutter sah kein Blut, eher    eine  Hautabschürfung. Sein Oberkörper war nackt, seine Jeans hatte er noch  an. „Er wurde ganz ruhig, als er mich sah. Dann kann er ja nicht so große Schmerzen haben“, meint Ulla Dankert.

Der kleine Christian hatte sofort Hilfe erhalten. Ein Mann hatte ihm das brennende T-Shirt vom Körper gerissen, und der Junge war sofort mit einem Feuerlöscher besprüht und anschließend mit ganz viel kaltem Wasser übergossen worden. Er stand unter Schock,  war aber immer bei Bewusstsein.

„Wir können ,Brand og Redning‘ gar  nicht genug danken“, stellen Ulla und Mogens  heute, ein Jahr nach den schlimmen Ereignissen, dankbar fest. Die Mutter selbst konnte damals nur wenig tun. Ärzte und Helfer waren in Aktion. Dann stellte Christian fest, dass seine Beine wehtaten. Die Hosen wurden aufgeschlitzt – und dann zeigte sich, dass der Junge auch dort schwere Verbrennungen hatte. Gelblich braune große Wunden kamen zutage. Anschließend ging es im Unfallwagen Richtung Flughafen. Ehemann Mogens und die ebenfalls völlig schockierten Geschwister Eva und Anders fuhren zum großen Militärhelikopter, der Christian ins Rigshospital bringen sollte. Nur die Mutter flog mit. Drei Mediziner begleiteten Christian während des Fluges.

Mit einem Militärhelikopter ins Kopenhagener Reichskrankenhaus

Für den Papa Mogens war das der schlimmste Moment: „Man steht da und sieht den Helikopter wegfliegen. Man hat keine Ahnung, was passiert. Man wartet nur auf eine Meldung aus Kopenhagen. Das war schrecklich“, erinnert sich der Vater. Die Mutter war zuversichtlicher. „Sie hatten alles unter Kontrolle. Das spürte ich. Dann ist er nicht in Lebensgefahr, dachte ich mir“, so Ulla Dankert.

In Kopenhagen wurde Christian  ins Traumacenter gebracht, in Narkose versetzt, und dann begann die Behandlung. Alle seine Wunden wurden aufgeschnitten und mit Wasser und Seife gereinigt.   „Ich dachte eigentlich, dass man das nicht aushalten kann, dass man zusammenbricht. Aber das tut man nicht“, sagt die Mutter.

Einen Monat lang wurden die Brandblasen von  Christian im Rigshospitalet behandelt. Die Eltern wechselten sich wochenweise ab. Die Wunden wurden regelmäßig gereinigt. Sie verwandelten sich  in den kommenden Wochen in große schwarze Flecken. Schlimm waren die Juckreize, als die Wunden heilten. Aufgrund der Ansteckungsgefahr mussten viele Regeln eingehalten werden. Aber Christian konnte mit  Familie  und Freunden via Facetime in Kontakt bleiben. Ulla Dankert  fühlte, dass die Hospitalsangestellten sich nicht nur um den Patienten, sondern auch um sie kümmerten.

„Das schlimme Ereignis hat ihn verändert"

Die Dankerts sind immer ganz offen mit dem Thema umgegangen. Sie  waren auch bei der Gerichtsverhandlung gegen den 21-jährigen Sonderburger  dabei, der die gefährliche Stichflamme entfacht hatte. Beim Abspielen eines Videos war Ulla Dankert hinausgegangen. „Das konnte ich mir einfach nicht anschauen“, sagt sie.

Am 7. Juni wurde Christian  operiert. Acht Prozent des Körpers erhielten eine neue Lage Haut, die von seinen Beinen genommen wurde. Vier Wochen war er bettlägerig. Dann konnte er nach Hause. Zwei Wochen später kam die erste Infektion. Aber die Dankerts haben alle  Probleme gemeistert.

Wer Christian heute sieht, wird  nichts bemerken. Er ist ein ganz normaler zehnjähriger Junge, der zur Schule geht, gern mit der  Katze schmust und mit Leidenschaft Computer spielt. Unter seiner Kleidung hat er aber  noch diverse  Narben nach den schweren Verbrennungen. Das schlimme Erlebnis hat ihn aber verändert, meint die Mutter: „Er hat ganz viel Temperament und reagiert ziemlich heftig.“ 

Auf den Schuldigen zugegangen

Die Schulkameraden freuten sich, als Christian beim letzten Schultag dabei war. Er bekam ganz viele Karamellen überreicht – nicht zugeworfen. Im Rigshospital wurde er von Hospitalslehrern unterrichtet. Dem 21-jährigen Sonderburger, dem im Gericht die fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen wurde, machen Christians Eltern keine Vorwürfe. Der Vater umarmte den von seiner Situation tief berührten Angeklagten  in einer Pause tröstend. „Er war nur 20 Jahre alt, und er konnte nicht wissen, was alles passieren kann“, stellt Ulla fest.

Sie haben alles zusammen ausgestanden. „Ulla und ich waren immer für einander da. Und wir haben alles getan, damit Christian sich nicht verstecken muss. Immer das Positive sehen – dass er nicht im Gesicht verletzt wurde“, erklärt Mogens.

„Keiner kann ihm ansehen, was er erlebt hat. Und er kann selbst bestimmen, wann er es anderen erzählt“, pflichtet ihm Ulla bei. Christian hat ein sehr positives Wesen. „Das wird ihm helfen“, so die Mutter. Das half ihm auch, als er wieder zum Fußballtraining oder zum Schwimmen ging und die anderen Kinder   seine Narben sehen konnten.  Anfangs machte ihn die Situation sehr nervös – aber nachher  war er unglaublich stolz. 

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