Literatur

Übersetzen zwischen Tondern, Berlin und Nuuk

Übersetzen zwischen Tondern, Berlin und Nuuk

Übersetzen zwischen Tondern, Berlin und Nuuk

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Marieke Heimburger
Übersetzerin Marieke Heimburger gab Einblicke in ihre Arbeit. Foto: Claudia Knauer

Fachfrauen zeigen in der Deutschen Zentralbücherei: Übersetzer stehen vor vielen sprachlichen Herausforderungen.

Wer eine Sprache spricht und versteht, ist noch lange kein Übersetzer. Das wurde am Sonnabend mehr als deutlich bei der Veranstaltung „Live Übersetzen“ im Rahmen des Hieronymus-Tages.

Marieke Heimburger war dabei doppelt engagiert: Zum einen sorgte sie für die Organisation verschiedener Veranstaltungen, darunter auch die in der Deutschen Zentralbücherei Apenrade, die großzügig von Statens Kunstfonds gefördert wurde, zum anderen übersetzte sie selbst zusammen mit ihrer Kollegin Kerstin Schöps vor Ort. Welche Fallstricke dabei lauern, wie um das richtige Wort gerungen wird und wie sich die Zusammenarbeit zwischen Menschen, die an sehr verschiedenen Orten Europas leben, gestaltet, erfuhren die zahlreichen Gäste in der Leseecke der Bücherei.

Regenvorhang, Regengardine oder Regenwand?

Marieke Heimburger und Kerstin Schöps zeigten anhand der – per Zufall gezogenen – Seite 199 des jüngsten Buches von Mads Peder Nordbo, wie übersetzt wird. Zeile für Zeile warfen sie via Beamer auf die Leinwand, schrieben die Übersetzung, fügten Kommentare für die jeweils andere Übersetzerin bzw. die Lektorin hinzu und diskutierten intensiv mit dem Publikum, ob es nun ein Regenvorhang oder gar eine Regengardine oder nicht vielmehr eine Regenwand ist, die der Autor in Nuuk – wo „Pigen uden hud“ spielt – auftauchen lässt.

Die Technik macht es möglich, dass im Arbeitsalltag Marieke Heimburger in Tondern vor ihrem Computer sitzt, Kerstin Schöps in Berlin und der Autor von Nuuk auf Fragen zu seinem Text antwortet. Kommt dann noch die Lektorin ins Spiel, wird die Landkarte um Frankfurt erweitert.

Übersetzer stehen vor vielen Herausforderungen, berichteten die beiden Fachfrauen, denn sie dürfen nicht einfach Worte übertragen, sie müssen den Kontext erfassen, wissen, wann man sich im Deutschen duzt oder siezt und wo in welcher Sprache Verb oder Objekt erwartet werden.

Dazu kommen viele andere Fragen: Sollen sachliche Fehler des Autors, der Autorin bereinigt werden? Hier verfahren die Übersetzer unterschiedlich, erfuhren die Gäste, die sich sehr aktiv und vor allem sprachkundig an der Diskussion beteiligten. Nicht nur, dass alle sowohl Deutsch als auch Dänisch sprechen und verstehen, eine Besucherin lebte auch gerade ein halbes Jahr in Nuuk und konnte Orts- und Sprachkenntnisse beisteuern.

Für die gemeinsame Übersetzungsarbeit hatten sich Heimburger und Schöps das Buch in vier Viertel aufgeteilt und dann die Übersetzungen der jeweils anderen noch einmal durchgesehen und Fragen diskutiert.

Was genau bei dieser sorgsamen verantwortungsbewussten Arbeit herausgekommen ist, können die Leser bald selbst überprüfen, wenn „Pigen uden hud“ auf Deutsch erscheint. Welchen Titel das Buch haben wird, liegt nicht in der Hand der Übersetzerinnen. Marieke Heimburger würde „Geschundenes Mädchen“ empfehlen. Aber häufig folgen die Verlage nicht dem Rat der Fachfrau. Man darf gespannt sein.

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