Buchvorstellung

90 Jahre Hindenburgdamm

90 Jahre Hindenburgdamm

90 Jahre Hindenburgdamm

Frank Lubowitz
Nordschleswig/Sylt
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Foto: Margarete Boie

1927 wurde die Verbindung zwischen Sylt und dem Festland fertiggestellt. Nun gibt es einen neuen Roman zum Thema.

1927 wurde die Verbindung zwischen Sylt und dem Festland fertiggestellt. Nun gibt es einen neuen Roman zum Thema.

Am 1. Juni jährte sich zum 90. Mal der Tag, an dem der Damm zwischen dem Festland und der Insel Sylt feierlich eingeweiht wurde. Der Fährhafen Hoyer war bei der Volksabstimmung des Jahres 1920 zu Dänemark gekommen und da sich andere Fährverbindungen durch das Wattenmeer als schwierig erwiesen, wurde zwischen Mai 1923 und 1927 der Bau eines Dammes vorangetrieben, dessen erste Idee schon  1856 von dem Inselchronisten Peter Christian Hansen entwickelt und dessen konkrete Planung bereits 1913 begonnen worden war. 1.500 Arbeiter waren an diesem Großprojekt, das im Laufe seiner Bauzeit einige Rückschläge erleiden musste, beteiligt.

Aus Anlass dieses Jubiläums hat das Nordfriisk Instituut den Roman „Dammbau“ von Margarete Boie (1880-1946) neu aufgelegt, nachdem die erste Auflage dieses von Thomas Steensen und Arno Bammé wiederentdeckten Romans vergriffen war. Der 90. Jahrestag der Einweihung durch die Überfahrt in einem blumengeschmückten Sonderzug des damaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg ist auch ein Anlass, auf diesen bemerkenswerten zeitgeschichtlichen Roman hinzuweisen.

Im Mittelpunkt des Romans steht die Figur des Morsumer Pastors Peter Boy Eschels. Für ihn gibt es ein konkretes Vorbild – wie die Romanfigur war der 1913 nach Morsum berufene Pastor Hans Johler ein entschiedener Befürworter des Dammbaus, der seine Sylter Gemeinde vergeblich versucht, für die Neuerungen der Zeit empfänglich zu stimmen. Er sieht insbesondere in der Notzeit nach dem Ersten Weltkrieg in diesem „Band des Fortschritts“ die Chancen, die sich für die Insel ergeben können, auch wenn er sich andererseits der Gefahr, die von diesem Bauwerk für die friesische, dörfliche Kultur ausgeht, bewusst ist. Aber die Welt, so argumentiert er, sei größer als Morsum.

Ganz anders ist die Haltung der Morsumer Dorfbevölkerung zum Dammbau – und damit auch zu den Arbeitern, die in ihre ländliche Gemeinde kommen. Hier zeichnet die Autorin insbesondere in Rasmus Claasen und Holm-Peter Vertreter des Beharrens an alten Werten, Traditionen und der friesischen Sprache, die durch den Damm und die über ihn einströmenden Menschen in Gefahr geraten werden. Indem sich Pastor Eschel, ebenso wie das literarische Vorbild Pastor Johler, für den Dammbau einsetzt und sich als Pastor auch für die Arbeiter, die unter harten Arbeits- und Lebensbedingungen am Damm arbeiten, bemüht, entfremdet er sich mehr und mehr von seinen Morsumer Gemeindemitgliedern, der Konflikt verschärft sich und führt zu einem Schreiben der Gemeinde an den Bischof. Mit der Einweihung des Dammes kehrt Boy Eschels Sylt den Rücken, nachdem ihm die Gemeinde auf diese Weise den Stuhl vor die Tür gesetzt und er am 1. April 1927 sein Entlassungsschreiben vom Landeskirchenamt erhalten hat.

Margarete Boie schreibt in ihrem 1930 erschienenen Roman erlebte Zeitgeschichte. Mit dem Vorbild ihres Protagonisten Pastor Eschels, dem realen Pastor Johler, stand sie in intensiver Verbindung. Auch die Arbeitslosigkeit der Nachkriegsjahre, die die Arbeiter prägt, die Erinnerungen des jungen Ingenieurs Heinrich Bremer an den Ersten Weltkrieg und die Veränderungen zwischen Kirche und Staat seit der Revolution von 1918 in Person des Lehrers Abrumeit fließen in das Zeitbild der Zwanziger Jahre ein. In ihrem umfangreichen Nachwort heben die Herausgeber mit Blick auf die Entwicklung – nicht nur der Insel Sylt durch den Dammbau – hervor, dass Margarete Boies Roman „Dammbau – ein Sylter Roman“ das Verhältnis von Regionalismus und Globalisierung thematisiert und damit von zeitloser Bedeutung und damit mehr als ein „Heimatroman“ sei.

Margarete Boie, Dammbau – ein Sylter Roman. Hrsg. von Arno Bammé und Thomas Steensen. Nordfriisk Instituut, Band 217,  Husum Verlag 2017.

 

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