Kommentar

Die Qual der Wahl – Teil 1

Die Qual der Wahl – Teil 1

Die Qual der Wahl – Teil 1

Hadersleben/Haderslev
Zuletzt aktualisiert um:
Die Partei Venstre mit Bürgermeister Geil an der Spitze wird sich vermutlich „abstrampeln“ müssen, um ihre Mandate zu bewahren und hat in „Wahlräder“ investiert. Foto: Ute Levisen

Ein erstes Stimmungsbarometer gut drei Wochen vor der Kommunalwahl.

Am 21. November haben die Wähler die Qual der Wahl: 14 Parteien sind  zur Kommunalwahl gelistet. Es dürfte wieder einmal spannend werden. Und nicht vorhersehbar, wenn auch heuer das eintrifft, was vor Jahren gang und gäbe war: Viele potenzielle Wähler entscheiden sich erst in den Wochen kurz vor der Wahl, wo sie ihr Kreuz setzen. Wenn überhaupt. Vor vier Jahren blieb mehr als jeder vierte Stimmberechtigte der Wahlurne fern.

Bei der Wahl 2017 wird sich der Wähler entscheiden müssen: Weniger Nutzerzahlung und weniger kommunale Schulden –  kontra „warme Hände“ in den kommunalen Kernbereichen wie Schulen, Kitas und Seniorenfürsorge. Das Umfrageinstitut Jysk Analyse hat vor Kurzem den Finger an den Puls potenzieller Wähler gelegt und kommt vor dem Hintergrund einer Meinungsumfrage zu dem Schluss, dass Venstre in der Gunst der Wähler – ungeachtet der VUC-Schlagzeilen – gestiegen ist und auch nach der Wahl die Mehrheit haben wird.

Ich wage die Behauptung, dass Venstre ein Mandat einbüßen wird. Mindestens. Nicht zuletzt aufgrund des VUC-Wirbels. Doch auch die sozialdemokratische Opposition wird sich anstrengen müssen, will sie wenigstens ihren Status quo bewahren. Die Genossen haben noch mit dem Generationenwechsel in Person von Altmeister Gjesing und Newcomer Rønnow zu kämpfen: Jahrzehntelange politische Erfahrung in der kommunalen Arena wiegt vor allem in einem Wahljahr schwer.

Rønnow ist zwar deutlich im Ausdruck, allerdings verpufft viel von dem, vor allem sozialen Anliegen der Partei im allgemeinen Wahllärm. Auch bei den Sozialdemokraten zeichnet sich bislang ein Mandatsschwund ab. Die Schleswigsche Partei hat sich im Wahlbündnis mit „Retsforbundet“ und Christdemokraten, angeführt von ihrem  Spitzenkandidaten Carsten Leth Schmidt, mittig solide und vor allem als verlässlicher Partner positioniert – und darf ohne übertriebenen Optimismus – zumindest mit einem Mandat rechnen – mit Stimmrecht.

Volkssozialisten mit Routinier

Die Volkssozialisten gehen mit einem Routinier, dem langjährigen  Amts- und Kommunalpolitiker Bent Iversen an den Start, den die Wähler vor vier Jahren als Vorsitzenden des Schulausschusses auch persönlich wegen der Hadersleben-Reform abstraften. Iversen gilt als  bodenständiger Mann der Praxis, und es ist daher nicht auszuschließen, vielmehr wahrscheinlich, dass der   SFer erneut in den Stadtrat einzieht. Politisch nicht gerade beliebt haben sich die Radikalen gemacht. Einige ihrer Wähler und Verbündeten fühlen sich von der Radikalen Venstre radikal im Stich gelassen.

Die Frage hier ist, wie  „radikal“ der Børge-Koch-Effekt ist. Koch reitet seit Jahren wegen seines verdienstvollen Engagements für „Stafet for Livet“ auf einer Welle der Sympathie. Ob es diesmal wenigstens für ein Mandat reichen wird? Vielleicht... Die Partei von Mediendarling Benny Bonde, Liberale Allianz, macht sich große Hoffnung, ihre Mandatszahl mindestens verdoppeln zu können. Bonde hat als Vorsitzender des Technischen Ausschusses und als Mann der zuweilen arg kurzen Dienstwege einige Feinde, aber auch eine Fanschar, die nicht zu unterschätzen ist. Zwei Mandate für die Allianz sind realistisch. Beim letzten Mal verfehlte LA dies  um Haaresbreite.

Die Konservativen mit ihrem Bürgermeisterkandidaten Kjeld Thrane dürften ihr Mandat bewahren. Weniger sicher ist dies mit Blick auf die vier Repräsentanten von Dansk Folkeparti, die sich nach dem Weggang ihres Vordenkers Peter Kofod Poulsen nach Christiansborg eher schwer tun,  dann für eigene Schwerpunkte zu stimmen, spricht mehr Fürsorge im Seniorensektor, wenn ihnen die Opposition die Vorlage dazu liefert. Und noch schwerer, dies nachfolgend zu begründen. Sehr wahrscheinlich ist, dass sich das im November rächt – und  die Volkspartei eins, vielleicht gar zwei Mandate verliert. 

Die Einheitsliste gilt als eine der fleißigsten Parteien im Rat und geht unter anderem neben Svend Brandt gar mit  parteieigenem „Terrier“ an den Start: mit Mogens Rerup, der sich wegen seines ehrenamtlichen Engagements für benachteiligte Bürger und stets kampfbereit mit Blick auf die kommunale Verwaltung um diesen „Spitznamen“ verdient gemacht hat. Einheitsliste hat gute Chancen, ihre Mandatszahl von nunmehr zwei auf drei zu erhöhen. Und welche Chancen haben die Neuen Bürgerlichen? Dazu mehr in der nächsten Analyse.

Mehr lesen

„Mojn Nordschleswig“

Jetzt im Podcast: Mit 18 nach Brüssel und die Trophäe aus Barcelona

Apenrade/Aabenraa Cornelius von Tiedemann begrüßt die Politik-Juniorinnen Amelie Petry und Wencke Andresen, die ihm von ihrer Reise nach Brüssel berichten – und Chefredakteur Gwyn Nissen, der aus Katalonien eine Überraschung mitgebracht hat. Walter Turnowsky befragt die Glaskugel nach dem Termin für die nächste Folketingswahl, und Helge Möller fordert Hannah Dobiaschowski in „Wer hat’s gesagt?“ heraus.

Amelie Petry, Wencke Andresen