Urteil

„Ich zähle doch nicht die Schläge, wenn ich jemanden verprügel“

„Ich zähle doch nicht die Schläge, wenn ich jemanden verprügel“

„Ich zähle doch nicht die Schläge, wenn ich jemanden verprügel“

Gesche Picolin
Gesche Picolin Journalistin
Apenrade/Aabenraa
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Die Eishockey-Schläger standen tagelang quasi „griffbereit“ im Flur des Internats, da es sowohl im Vorfeld als auch nach dem Überfall auf einen DGN-Schüler zu Auseinandersetzungen zwischen den Gymnasiasten und den Aggressoren aus dem Ort gekommen war. Foto: Archiv: Karin Riggelsen

Zwei der Gewalttäter vom Dezember haben sich vor Sonderburger Schöffengericht verantwortet: 17-Jähriger muss ins Gefängnis.

Sieben Monate Gefängnis für einen 17-jährigen Gewalttäter, davon drei, die dieser tatsächlich einsitzen muss. Die übrigen vier Monate werden ihm erlassen, wenn er sich in einer zweijährigen Bewährungsphase nichts zu schulden kommen lässt. Der 15-jährige Mittäter muss sich in sozialpädagogische Behandlung begeben.  

Beide Jungen mussten sich am Mittwoch vor dem Sonderburger Gericht verantworten. Im Dezember vergangenen Jahres hatten sie nachweislich einen Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN)  auf brutale Art auf der Apenrader Schlittschuhbahn zusammengeschlagen. Es ging der Anklage um die besondere Schwere der Gewalt, die die beiden Jugendlichen gemeinsam mit einem 14-Jährigen  angewandt hatten.  Die beiden Jungen, der Ältere ohne festen Wohnsitz, und der Jüngere, wohnhaft in Rothenkrug, sollen demnach am 12. Dezember vergangenen Jahres auf der Apenrader Schlittschuhbahn den Gymnasiasten  mit Fußtritten in Bauch, Rücken und an den Kopf übel zugerichtet haben (wir berichteten).

Die Anklage forderte neun Monate Gefängnis für den 17-Jährigen, der früher schon wegen Körperverletzung belangt worden war. Dennoch bestimmte das Schöffengericht, dem Vorschlag des Verteidigers zu folgen und das Strafmaß herunterzusetzen. Da sie mit Turnschuhen zugetreten hatten,  wurden die beiden nur wegen einfacher Gewalt verurteilt.

Die Angeklagten aber wirkten im Gerichtssaal, als gehe das Ganze sie nicht wirklich etwas an.  Als etwa der Ältere angehört wurde, forderte die Richterin ihn wiederholt auf, dichter ans Mikrofon zu rücken. Er tat es nicht, verblieb in seiner entspannten Haltung. Auf die Frage, wie viele Schläge er dem Opfer zugefügt habe, antwortete er: „Ich zähle doch nicht die Schläge, wenn ich jemanden verprügel.“

Bei der Anhörung des ersten Zeugen, des DGN-lers, wurde die polizeiliche Dokumentation herumgereicht. Schwere Verletzungen an Augen und im Gesicht sowie am Arm waren eindeutig auszumachen. Er war in der Situation einzig mit Schlittschuhen an den Füßen auf dem Eis, und somit in seinen Bewegungen eingeschränkt. Der Junge konnte, einmal hingefallen, nicht mehr aufstehen. Drei gegen einen auf der Eisbahn. Für das Gericht nur einfache Gewalt.

Es geschah aus heiterem Himmel

Vor dem Sonderburger Gericht wurden in der Verhandlung drei Zeugen angehört: das Opfer, dessen Mitschülerin sowie ein 13-Jähriger, der offenbar aus dem Freundeskreis der Angeklagten stammt.

Das Opfer, ein Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig, erzählt, dass er am Vortag (Montag, 11. Dezember) des Vorfalls mit der Eishockey-AG auf der Schlittschuhbahn im „Genforeningshaven“ trainiert hatte, wo die beiden Aggressoren bereits aktiv gewesen waren. Hier hatten sie mit anderen zusammen mit Schneebällen auf die Schüler gezielt. Einer aus der Gruppe habe eine Waffe gehabt. Die Schüler hatten die Polizei gerufen (wir berichteten).

Als das Opfer in spe dann die Jungen auf sich zukommen sieht (ohne Schlittschuhe), ruft es die Polizei. Außerdem macht der Schüler mit dem Mobiltelefon ein Foto der Täter. Es dient in der Verhandlung der Beweisführung. „Was hast du gegen mich?“, habe der Angeklagte gefragt, und den Schüler aufgefordert, das Bild  zu löschen.  Das tut dieser nicht. Die Gewalt nimmt ihren Lauf.  

Das Opfer beschreibt, ihm sei das Adrenalin durch den Körper geschossen, er habe gespürt, dass eine Schlägerei im Anzug war. Er habe gerufen: „Ich hasse euch“, dem Hauptaggressor  die Ohrenstöpsel herausgerissen und damit nach ihm geschlagen. Habe sich dann von ihm weggedrückt und so rückwärts auf den Schlittschuhen Distanz gewonnen.

Einer der beiden anderen habe ihn dann geschubst, weshalb  er hinfiel. Zunächst auf den Rücken, wo er die ersten Tritte in die Seite abbekommt. Es gelingt ihm, sich in eine vermeintliche Sicherheitsposition zu bringen, kniend, mit den Armen um den Kopf. Das Opfer meint, alle drei hätten es geschlagen und getreten. Nein, das habe er zwar nicht sehen können, es sei alles so schnell gegangen. Aber die Tritte seien von mehreren Seiten gekommen. Die Täter hätten es auf den Kopf abgesehen gehabt.

Dann wird die Mitschülerin angehört. Wie sich zeigt, kennt sie den älteren Angeklagten durch eine gemeinsame Bekannte. Den Jüngeren kennt sie vom Hörensagen.  Sie habe am 12. Dezember in unmittelbarer Nähe der Schlittschuhbahn gestanden und mit einem Freund auf einen Bus gewartet, von der Eisbahn abgewandt. Sie habe mitbekommen, dass der Mitschüler „aus heiterem Himmel“ aufs Eis runtergezogen wurde. Sie könne nicht mit Sicherheit sagen, welcher der drei dabei aktiv war.

Die Gymnasiastin meinte, alle drei Aggressoren hätten zugetreten. Der jüngere Angeklagte habe ihrem Mitschüler einen Schlag auf den Hinterkopf zugefügt. Der Verteidiger versucht sein Glück: Ob sie sicher sei, dass der Jüngere beteiligt gewesen sei an den Schlägen und Tritten. Er sei auf jeden Fall dabei gewesen. Genauer festlegen mochte sie sich aber nicht.

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