Leitartikel

Neugierde hilft

Neugierde hilft

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Apenrade/Aabenraa
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Die Liftfaßsäulen gibt es seit 1854. Foto: dpa

Versteckte Werbung ist bedenklich, doch kein Grund zur Panik, meint Cornelius von Tiedemann – denn Werbung gab es schon immer.

Versteckte Werbung ist bedenklich, doch kein Grund zur Panik, meint Cornelius von Tiedemann – denn Werbung gab es schon immer.

Es gibt heute schon halbwegs erwachsene Menschen, die eine Welt ohne Internet nie erlebt haben. Für Kinder und Jugendliche ist eine Welt ohne Smartphone und Tablet gar nicht mehr vorstellbar. Für Eltern ist das ganz praktisch – man denke nur an das sogenannte „iPassning“, also die Angewohnheit vieler Eltern, ihren Kindern einfach ein Tablet in die Hand zu drücken, wenn sie ihre Ruhe haben wollen.

Dabei werden Kinder und Jugendliche einer Unmenge an Reklame ausgesetzt. Offensichtlicher – aber auch versteckter Werbung. Das ist bedenklich, aber kein Grund zur Panik.

Denn Werbung gab es schon immer – und wir leben alle noch. Wer sich darüber beschwert, dass Reklame den Alltag präge wie nie zuvor, der soll sich mal uralte Schwarz-Weiss-Postkarten aus den europäischen Städten, auch den dänischen, aus der Vorkriegs-Zeit, ja sogar aus
der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, ansehen. Reklameschilder allenthalben. Auf Straßenbahnen, Bussen, Kutschen, Uhrensäulen – überall, wo auch nur ein kleiner Flecken Platz war, wurde geworben. Schon 1854 wurde in Berlin die Litfaß-Säule eingeführt, um dem wildwachsenden Plakatieren Einhalt zu gebieten und Ordnung ins Werbe-Chaos zu bringen.

Die meisten Medien sind zu einem Großteil werbefinanziert. Entsprechend werden im Privat-Fernsehen seit jeher Inhalte auf die Vorlieben der Werbenden hin angepasst. In Amerika hat sich schon früh das sogenannte „product-placement“ durchgesetzt, das wir hier lange nur aus Kinofilmen kannten. Da wird im Agenten-Thriller mal eine Sekunde länger mit der Kamera auf dem Logo der Automarke verharrt, wie durch Zufall führt uns der Agent die herausragenden Funktionen seines Smartphones vor, und ach, was hat er für eine schicke Armbanduhr an – danke, dass wir die auch noch mal in Groß sehen konnten.

Also: Alles schon da gewesen. Aber der Nachwuchs weiß das nicht von alleine einzuschätzen. Und er weiß nicht, dass die Protagonisten in seinen Lieblings-Youtube-Channels nicht unbedingt deshalb von irgendwelchen Stylingprodukten überzeugt sind, weil sie gut sind – sondern weil sie sie umsonst zugeschickt bekommen haben – und dazu möglicherweise noch eine ganze Reihe anderer „Geschenke“.

Häme über die Videos, Blogs und Fotoserien, die sich die Jugendlichen ansehen – oder gar Verbote – das hilft nicht weiter. Doch vielleicht hilft es ja, die Neugier seiner Kinder zu wecken. Ihnen zu erzählen, dass es viele Spielarten der Werbung gibt – und wie diese mit kritischem Blick zu erkennen sind. Ist das jetzt Werbung oder „echt“?. Wer an die Sache spielerisch herangeht, der wird sehen, dass Kinder durchaus in der Lage sind zu differenzieren.

Also, keine Panik. Die Menschheit wird auch die neuesten Angriffe der Werbebranche mit ihren Verbraucherhinweisen in Gestalt falscher Freunde überleben. Schließlich sind wir doch viel zu smart, um darauf hereinzufallen, oder?!

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